Partei stellt sich hinter ihre Ministerin Barbara Richstein — Rücktritt wird demonstrativ ausgeschlossen
(BM, 8.5.) Potsdam — Sorgenvoll blickt Brandenburgs CDU auf den jüngsten Justizskandal.
Nicht nur, dass die Berichte über nächtliche Prügelorgien maskierter Wärter
in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel dem ohnehin angeschlagenen
Image des Landes weiteren Schaden zufügen. Es ist auch Gegenwind vor der
Landtagswahl am 19. September zu erwarten. Dabei hatte die CDU in der
jüngsten Umfrage die SPD gerade sensationell mit 34 zu 30 Prozent von der
Spitzenposition verdrängt.
CDU-Vize Sven Petke sieht dennoch keine Gefahr. Der Wähler erkenne, dass es
sich nicht um eine CDU-Angelegenheit handele, dass es um ein schwieriges
Erbe gehe, das nur gemeinsam aufzuarbeiten sei. Rücktrittsforderungen aus
der SPD gegen Justizministerin Barbara Richstein (CDU) seien jedenfalls
Unfug, meint Petke. Es liege im Interesse beider Regierungspartner und einer
funktionierenden Justiz, die Vorfälle schnellstens und lückenlos
aufzuklären. Aus ihrer Partei erhielt Richstein zumindest gestern volle
Unterstützung.
CDU-Landeschef Jörg Schönbohm wies die Kritik an Richstein als “in keiner
Weise akzeptabel” zurück. Schönbohm sprach sich für eine rückhaltlose
Aufklärung der Vorfälle in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg/Havel
aus. Er sei überrascht, dass in den Gefängnissen Misshandlungen überhaupt
noch möglich waren. Die JVA-Bediensteten sollen teilweise bereits zu
DDR-Zeiten in dem Gefängnis gearbeitet haben. Schon damals sollen Insassen
misshandelt worden sein. Nach Ansicht von Schönbohm muss geprüft werden,
warum solche Wärter Anfang der 90er-Jahre in den Landesdienst übernommen
wurden.
Wer wie der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion,
Wolfgang Klein, einen Zusammenhang zwischen der Misshandlung von Irakern
durch US-Soldaten und den Vorfällen in Brandenburg/H. herstelle, kenne die
Verhältnisse entweder im arabischen oder eigenen Land nicht, meint Petke. Da
zitiere er gern die Aufforderung von Regierungschef Matthias Platzeck (SPD),
“nicht Opposition in der Koalition” zu spielen.
Gut vier Monate vor der Landtagswahl sieht sich die schwarz-rote Koalition
damit trotz wiederholt von beiden Seiten bekundeten Durchhaltewillens neuen
Turbulenzen ausgesetzt. Schon früher war gerade das Justizressort ein
politischer Stolperstein. So konnte sich der von der SPD nominierte
parteilose Minister Hans-Otto Bräutigam nach einer Häufung von
Häftlingsausbrüchen nur mit Mühe bis 1999 im Amt halten. Nicht ohne
Genugtuung fordern SPD-Vertreter deshalb heute Konsequenzen, nachdem die CDU
damals süffisant das “Reisebüro Bräutigam” gebrandmarkt hatte.
Während im Wahlkampf vor fünf Jahren die CDU-Plakate verknotete Bettlaken an
Zellenfenstern zeigten, bewegen nach den jüngsten Vorfällen fiktive Bilder
von Schlagstöcken und Sturmhauben die Wahlkämpfer-Gemüter. Was diese
überhaupt im Strafvollzug zu suchen haben, kann niemand erklären.
Angeschafft wurden sie nach Angaben von JVA-Chef Hermann Wachter schon 1994.
Die Bediensteten der JVA wurden nach der Wende größtenteils übernommen.
Ob sich nach den angeblichen Prügelorgien im Knast die politischen Wogen
wieder glätten wie nach anderen Konflikten, bleibt abzuwarten. Die 38 Jahre
alte Justizministerin, die 2002 Nachfolgerin des wegen einer
Immobilienaffäre zurückgetretenen Kurt Schelter (CDU) wurde, ist nämlich
auch stellvertretende Landesvorsitzende ihrer Partei. CDU-Chef und
Innenminister Jörg Schönbohm hatte die Berliner Juristin 1999 persönlich an
die Havel geholt.
Mit der Wahl seiner Mitstreiter im Kabinett hat der 66-Jährige jedoch häufig
keine glückliche Hand bewiesen: Vor Schelter trat schon Kulturminister
Wolfgang Hackel zurück, weil er sich weiter privat als Unternehmer
betätigte. Später folgte Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß, dem der
private Millionenkredit eines Scheichs im Zusammenhang mit der gescheiterten
Chipfabrik zum Verhängnis wurde.
Maskierungen von Gefängnis-Beamten, wie sie jetzt in Brandenburg/Havel
bekannt wurden, sind in Berlin nach Angaben der Justiz nicht möglich. Zum
Schutz der Mitarbeiter könnten Helme, Schilde und schusssichere Westen
eingesetzt werden, sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Justiz.
Dabei handele es sich um “Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs”, wenn zum
Beispiel ein Insasse einen anderen akut bedrohe. “Der letzte Fall, bei dem
ein Schlagstock aus dem Schrank geholt wurde, liegt aber zehn bis 15 Jahre
zurück.”