Potsdam, 26.8. — In Brandenburger Gefängnissen hat es mehrfach Übergriffe von
Justizbeamten gegeben, denen erst jetzt nachgegangen wird. Das
Justizministerium bestätigte am Mittwoch, dass derzeit 23
staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen Bedienstete von
Justizvollzugsanstalten wegen Körperverletzung im Amt oder unterlassener
Hilfeleistung laufen. Zum Teil handelt es sich dabei um ältere Fälle, die im
Rahmen einer bis 1994 zurückgehenden Überprüfung bekannt geworden sind und
jetzt neu aufgerollt werden. Insgesamt waren rund 200 frühere Strafanzeigen
von Gefangenen gegen Wärter erneut untersucht worden.
PDS-Justizsprecher Stefan Sarrach erklärte nach dem Eingeständnis des
Ministeriums, das von “Einzelfällen” spricht: “Es ist ein Skandal, wenn
Bedienstete Gewalt eskalieren lassen und die Gefängnisleitung das deckelt.”
Nun sei offenkundig, dass Justizministerin Barbara Richstein (CDU) früheren
Hinweisen auf Missstände und Übergriffe nicht nachgegangen sei.
Die Überprüfung hatte Richstein veranlasst, nachdem die
Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel im Mai bundesweit als
“Folter-Knast” in die Schlagzeilen geriet. Tatsächlich hat sich in jenen
beiden Fällen, über die das RBB-Magazin “Klartext” damals berichtet hatte,
der Verdacht gegen Bedienstete zumindest teilweise erhärtet. Zwar fanden
sich keine Anhaltspunkte, dass ein “vermummtes Prügelkommando” einen
tobenden herzkranken Häftling im Januar 2004 mit Gummiknüppeln
zusammengeschlagen haben soll. Die Ermittlungen gegen drei Bedienstete
wurden eingestellt. Doch war am Tag nach dem Vorfall bei dem Häftling, der
in der Nacht vergeblich um medizinische Hilfe gebeten hatte, ein Herzinfarkt
diagnostiziert worden. Gegen den Anstaltsarzt und einen Pfleger wird
weiterhin wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt, “weil der Verdacht
einer zögerlichen Behandlung fortbesteht”, so Justizsprecherin Dorothee
Stacke.
Noch gravierender ist nach Tagesspiegel-Recherchen der Fall D., der
ebenfalls in der JVA Brandenburg im Frühjahr 1999 mehrfach von einem Wärter
misshandelt worden sein soll. Verletzungen sollen sogar aktenkundig sein.
Gegen den Bediensteten ermittelt die Staatsanwaltschaft, nachdem ein
früheres Verfahren eingestellt wurde.