Im Brandenburger Prozess gegen 12 Mitglieder des ausländerfeindlichen
“Freikorps” gesteht ein Angeklagter
(TAZ, 24.12.) POTSDAM dpa Im Brandenburger Prozess gegen Neonazis wegen Bildung einer
terroristischen Vereinigung hat der erste Angeklagte ein Geständnis
abgelegt. Er habe an Brandanschlägen auf Imbisse und Geschäfte von
Ausländern im Havelland teilgenommen, sagte er gestern vor dem OLG Potsdam.
Die Generalstaatsanwaltschaft wirft den zwölf jungen Angeklagten, die sich
zur Kameradschaft “Freikorps” zusammenschlossen, zehn Anschläge vor.
Der Angeklagte habe ausgesagt, dass sich die Jugendlichen häufig nach der
Schule in einer Scheune getroffen hätten, sagte eine Gerichtssprecherin. Die
Schüler hätten sich von Kindesbeinen an gekannt. Die Scheune gehört der
Familie des 20-jährigen Hauptangeklagten. Vom mutmaßlichen Rädelsführer sei
auch die Initiative ausgegangen, das ausländerfeindliche “Freikorps” zu
gründen. Fünf der Teilnehmer hätten es abgelehnt, an Anschlägen mitzuwirken.
Sie seien aber bereit gewesen, sich als Fahrer oder Helfer zu beteiligen.
Ausgesprochen politische Debatten gab es dem Angeklagten zufolge nicht.
Einziges Thema sei gewesen, Ausländer aus dem Havelland zu vertreiben.
Erstmals klagt die Brandenburger Generalstaatsanwaltschaft eine Gruppe
Neonazis als terroristische Vereinigung an. Der jüngste der Angeklagten war
14, der älteste 18 Jahre alt, als zwischen August 2003 und Mai 2004 zehn
Anschläge auf Imbisse von Ausländern verübt wurden. Verletzt wurde niemand.
Der Sachschaden betrug mehr als 600.000 Euro. Der Prozess wird am 6. Januar
fortgesetzt.
Rädelsführer schwer belastet
Im Terror-Prozess legt mitangeklagter Neonazi Geständnis ab
(MAZ, 24.12.) FRANK SCHAUKA POTSDAM/NAUEN Im Prozess gegen zwölf junge Neonazis der mutmaßlichen Terrorgruppe
“Freikorps” aus dem Havelland ist der 20 Jahre alte Rädelsführer Christopher
H. gestern schwer belastet worden. Der Abiturient aus Nauen habe im Sommer
2003 die Idee zur Gründung der Kameradschaft gehabt, sagte ein
Mitangeklagter am zweiten Verhandlungstag vor dem 1. Strafsenat des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) aus, der im Gebäude des
Amtsgerichts Potsdam weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagt.
Dies teilte OLG-Sprecherin Ramona Pisal auf Anfrage mit. Demnach hatte H.
auch geplant, Kontakte zu der 1997 verbotenen rechtsextremen “Kameradschaft
Oberhavel” zu knüpfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg wirft den Mitgliedern
der Wehrsportgruppe “Freikorps” vor, zwischen August 2003 und Mai 2004 zehn
Anschläge auf Imbisse ausländischer Betreiber mit einem Sachschaden von etwa
600 000 Euro verübt zu haben. Nach Auffassung der höchsten Anklagebehörde
des Landes hatten die jungen Männer eine terroristische Vereinigung
gebildet, um ausländische Geschäftsleute aus Brandenburg zu vertreiben.
Deren Existenzgrundlage sollte durch Brandanschläge zerstört werden.
Menschen wurden dabei nicht verletzt.
Nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden hatte “Freikorps”-Chef
Christopher H. versucht, den Aktionsradius der Gruppe auszuweiten. H. hätte
Kontakte zu der verbotenen “Kameradschaft Oberhavel” gesucht, deren
ehemalige Mitglieder offenbar ähnliche Ziele verfolgten. Der einstige
Vorsitzende der “Kameradschaft Oberhavel”, der 27-jährige Karsten G., hatte
am 3. September 2003 einen Brandanschlag auf einen türkischen Imbissstand in
Hennigsdorf verübt und sich am 6. September der Polizei gestellt — nur eine
Woche nach dem “Freikorps”-Anschlag auf den Norma-Markt in Nauen mit einem
Schaden von mehr als 500 000 Euro.
Die Attentate der “Freikorps”-Neonazis wurden offenbar von Erwachsenen
gedeckt. Nach Erkenntnissen des OLG-Senats unter Vorsitz von Richterin
Gisela Thaeren-Daig hatte zumindest Christopher H.s Mutter die jungen
Rechtsextremen mit den Anschlägen in Verbindung gebracht. Auch nach der
Zerstörung des Norma-Marktes habe sie sie lediglich ermahnt: “Dann lasst
euch nicht erwischen.”
Dabei machten die Jugendlichen und Heranwachsenden, die sich schon als
Kinder kannten, kein Hehl aus ihrer Gesinnung. Nach der Schule trafen sie
sich oft in einer Scheune auf dem Grundstück der Familie H. in Pausin. In
einer Art Uniform seien sie von dort zu militärischen Spielen in den nahen
Wald ausgerückt. Dort hatten sie mit den von Christopher H. gebastelten
Brandsätzen experimentiert.
Ohne Rädelsführer H., meinte der geständige Angeklagte gestern, wäre niemand
auf die Idee gekommen, Imbissstände in Brand zu setzen. Eine explizit
rechtsextreme, fremdenfeindliche Ideologie habe bei den Taten keine
entscheidende Rolle gespielt. Es sei schöner gewesen, sich zu militärischen
Spielen zu treffen, als an der Bushaltestelle herumzustehen. Der jüngste
Angeklagte war zur Tatzeit 14 Jahre alt, der älteste, Christopher H., 19
Jahre.
Serienweise Brände gelegt, um Ausländer zu vertreiben
In Potsdam begann der erste Terrorprozess in der Geschichte des
Bundeslandes. Schwere Vorwürfe gegen zwölf junge Rechtsextremisten
(Tagesspiegel, 21.12., Frank Jansen) Potsdam — Sie sehen nicht aus wie harte Nazis. Keine Glatzen, keine Stiefel,
keine Bomberjacken. Zwölf Jünglinge treten im Gebäude des Potsdamer
Amtsgerichts auf, die Haare sind gegelt, manchmal auch halblang, bei der
Bekleidung dominiert Sportswear ohne einschlägige Aufschrift. Der jüngste
ist gerade 16 Jahre alt, der älteste 20. Doch harmlos ist das Dutzend aus
der Region Nauen, die meisten sind Schüler und Auszubildende, offenbar
nicht. Die Generalstaatsanwaltschaft nennt die Clique eine rechtsextreme
Terrorgruppe. Seit gestern müssen sich die zwölf mutmaßlichen Mitglieder vor
dem Brandenburger Oberlandesgericht verantworten, das aus Platzgründen in
den großen Saal des Potsdamer Gerichts gekommen ist. Der prächtig renovierte
Altbau ist nun die Kulisse für den ersten Terrorprozess in Brandenburg.
Oberstaatsanwalt Eugen Larres trägt die Anklage vor. Die Angeschuldigten
hätten sich 2003 zu der rechtsextremen Kameradschaft “Freikorps”
zusammengeschlossen, um Brandanschläge auf ausländische Restaurant- und
Imbissbetriebe zu verüben. Mit dem Ziel, die wirtschaftliche Existenz der
Betroffenen zu vernichten und somit sie und Ausländer überhaupt aus der
Region Nauen zu vertreiben. Dann zählt der Oberstaatsanwalt auf: Von August
2003 bis Mai 2004 brannten in Nauen, Brieselang, Falkensee und Schönwalde
fünf vietnamesische und türkische Imbisse und Restaurants.
Angezündet wurde auch ein von Vietnamesen geführtes Textilgeschäft in Nauen.
Zwei Imbisse und ein Restaurant wurden sogar je zweimal heimgesucht. Und in
einem Fall weitete sich das Feuer zum Großbrand aus. Als in der Nacht zum
31. August 2003 in Nauen der Imbisswagen des Vietnamesen Lan Hoang Thi
angezündet wurde, griffen die Flammen auf den nahen
“Norma”-Verbrauchermarkt, einen Getränkegroßmarkt und ein
Einzelhandelsgeschäft über. Allein bei diesem Brand entstand ein Schaden in
Höhe von mehr als einer halben Million Euro. Die Schäden aller Anschläge
summieren sich sogar auf über 600 000 Euro. Nur durch Zufall kamen keine
Menschen zu Schaden.
Den mit 20 Jahren ältesten Angeklagten, Christopher H., hält die
Generalstaatsanwaltschaft für den Rädelsführer. H. soll im Sommer 2003, nur
Monate vor seinem Abitur, zehn Angeklagte zur Gründung des “Freikorps”
versammelt haben. Folgt man der Anklage, hat H. auf freiem Feld eine
pubertär-martialische Zeremonie veranstaltet. Mit deutscher Gründlichkeit:
Die Rechtsextremisten wählten einen Schriftführer und einen Kassierer.
Christopher H. ist der Einzige, der gestern aus der Untersuchungshaft
vorgeführt wird. Der schmächtige Mann mit dem Mittelscheitel sieht blass
aus, doch die Miene signalisiert Trotz. Die meisten Angeklagten waren bei
der Polizei geständig. Einer gibt auf dem Gerichtsflur auch zu, er sei
schuldig. Aber er bleibt dabei: In Brandenburg seien die Ausländer “zu
ville”. Da erscheint der Erziehungsbedarf offenkundig. Die Vorsitzende
Richterin des Staatsschutzsenats, Gisela Thaeren-Daig, schließt denn auch
nach Verlesen der Anklageschrift die Öffentlichkeit aus. Im Interesse der
Erziehung der Angeklagten müsse eine Stigmatisierung, vor allem in den
Medien, verhindert werden.
Junge Neonazis unter Terrorverdacht
Anschläge gegen Imbisse von Ausländern
(LR, 21.12.) In Potsdam stehen seit gestern zwölf junge Männer vor Gericht. Sie sollen
aus Fremdenfeindlichkeit Anschläge auf Imbisse von Ausländern verübt haben.
Zur Tatzeit waren die jungen Neonazis, die von der Staatsanwaltschaft als
terroristische Vereinigung angeklagt werden, zwischen 14 und 18 Jahren alt.
Ein Verdächtiger in U‑Haft
Einige der zwölf Angeklagten waren mit Sonnenbrillen erschienen und setzten
sie erst im Saal ab. Unbewegt verfolgten die unauffällig gekleideten jungen
Männer die Verlesung der Vorwürfe. Fünf Euro im Monat kostete laut
Staatsanwaltschaft der Mitgliedsbeitrag für die rechtsextremistische
Kameradschaft “Freikorps”. Treibende Kraft soll ein 20 Jahre alter
Abiturient gewesen sein, der seit einem halbem Jahr in Untersuchungshaft
ist. Die anderen sind Schüler, Auszubildende oder Angestellte.
In den Sommerferien 2003 gründeten sie der Anklage zufolge die Gruppe und
bestimmten Vorsitzenden, Schriftführer und Kassenwart ebenso wie das Ziel:
Die wirtschaftliche Existenz von Ausländern vernichten, sie so vertreiben.
“Sie wollten ein Fanal setzen”, heißt es in der Anklage. Dem widerspricht
der Anwalt des 20-Jährigen. Ein Dokument liege nicht vor, sagte er in einer
Verhandlungspause. Nur einige der Jugendlichen hätten das mit der
Kameradschaft ausgesagt.
Bei den Anschlägen im Havelland entstand Sachschaden von mehr als 600 000
Euro, rechnet die Anklage vor. Bei einem Brandanschlag auf einen Asia-Imbiss
Ende August 2003 in Nauen griff das Feuer auf ein Gebäudekomplex über,
Schaden: 526 000 Euro. Andere Imbisswagen sollen gleich mehrmals heimgesucht
worden sein. Die Taten seien in wechselnder Besetzung verübt worden, hieß
es, um mögliche Verdachtsmomente zu verteilen. Vor allem der 20-Jährige habe
Kenntnisse über brennbare und explosive Stoffe gehabt.
Die Anklage hat 60 Zeugen und drei Sachverständige benannt. Der Strafrahmen
für die Bildung einer terroristischen Vereinigung liegt bei einem Jahr bis
zehn Jahren. Dies würde gelten, wenn die Heranwachsenden nach
Erwachsenenstrafrecht behandelt werden.
Jugendstrafrecht gilt
Für die unter 18 Jahre alten Angeklagten gilt das Jugendstrafrecht ohne
Strafrahmen. Aus Platzgründen tagt das eigentlich in Brandenburg/Havel
ansässige Oberlandesgericht in Potsdam. Bis Mitte Februar sind elf weitere
Termine angesetzt. Die Verhandlung wird am Donnerstag fortgesetzt.
Terror-Prozess gegen “Freikorps”
In Potsdam stehen seit gestern zwölf Mitglieder einer rechtsextremen
Kameradschaft vor Gericht, denen Bildung einer terroristischen Vereinigung
vorgeworfen wird
(TAZ, 21.12.) POTSDAM afp In Brandenburg stehen seit gestern erstmals Rechtsextreme wegen
des Vorwurfs der Bildung einer terroristischen Vereinigung vor Gericht. Die
Staatsanwaltschaft legt den zwölf Angeklagten im Alter von 16 bis 20 Jahren
zehn Brandanschläge auf ausländische Imbisse und Geschäfte zur Last. Ihnen
drohen Strafen bis zu 15 Jahren Haft. Der Strafsenat des Oberlandesgerichts
Brandenburg, der als Staatsschutzsenat nach Jugendstrafrecht im Amtsgericht
Potsdam verhandelt, schloss die Öffentlichkeit aus.
Die Anklage hält den zur Tatzeit teils erst 14-jährigen Jugendlichen vor, in
den Sommerferien 2003 die rechtsextreme Kameradschaft “Freikorps” gegründet
zu haben, um gemeinsam terroristische Straftaten zu begehen. Ziel sei
gewesen, im westlich an Berlin grenzenden Landkreis Havelland Imbisse und
Geschäfte ausländischer Bürger anzuzünden. Dadurch sollte die
wirtschaftliche Existenz der Unternehmer türkischer oder asiatischer
Herkunft zerstört werden, um die Betroffenen zum Verlassen der Region zu
zwingen. Alle zwölf hätten aus ausländerfeindlichen Motiven gehandelt.
Die zehn versuchten und vollendeten Brandstiftungen wurden zwischen August
2003 und Mai 2004 verübt. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden. Bei einem
Brandanschlag auf einen Imbiss in Nauen griff das Feuer auf ein
Einkaufszentrum über und richtete hohen Sachschaden an. Der Gesamtschaden,
den die Jugendlichen angerichtet haben sollen, wird auf über 600.000 Euro
beziffert. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft waren die Brandstiftungen
dazu geeignet, die Bevölkerung erheblich einzuschüchtern und dem Staat stark
zu schaden. Das Zusammenleben der deutschen und ausländischen Bevölkerung
sei nachhaltig beeinträchtigt worden.
Laut Anklageschrift kassierte das von einem heute 20-jährigen Abiturienten
geführte “Freikorps” monatliche “Beiträge” von 5 Euro, mit denen
beispielsweise Benzin für Molotowcocktails gekauft wurde. Der mutmaßliche
Rädelsführer sitzt als Einziger in Untersuchungshaft. Keiner der überwiegend
aussagewilligen Angeklagten ist bislang vorbestraft. Für den Prozess sind
zunächst zehn Verhandlungstage angesetzt.
12 Jugendliche vor Gericht — unter Terrorverdacht
(MOZ, 21.12.) Potsdam (dpa) In Potsdam stehen sei Montag zwölf Jugendliche vor Gericht,
die aus Fremdenfeindlichkeit Anschläge auf Imbisse von Ausländern verübt
haben sollen. Erstmals klagt die brandenburgische Generalstaatsanwaltschaft
eine Gruppe Neonazis als terroristische Vereinigung an. Der Jüngste der
Angeklagten war 14, der älteste 18 Jahre alt, als zwischen August 2003 und
Mai 2004 zehn Anschläge auf Imbisse von Ausländern im Havelland verübt
wurden. Nach Verlesung der Anklage schloss das Oberlandesgericht die
Öffentlichkeit von der Verhandlung aus.
Einige der zwölf Angeklagten waren mit Sonnenbrillen erschienen, setzten sie
erst im Saal ab. Unbewegt verfolgten die unauffällig gekleideten jungen
Männer die Verlesung der Vorwürfe. Fünf Euro im Monat kostete laut
Staatsanwaltschaft der Mitgliedsbeitrag für die rechtsextremistische
Kameradschaft “Freikorps”. Treibende Kraft soll ein 20 Jahre alter
Abiturient gewesen sein, der seit einem halbem Jahr in Untersuchungshaft
ist. Die anderen sind Schüler, Auszubildende oder Angestellte.
In den Sommerferien 2003 gründeten sie der Anklage zufolge die Gruppe und
bestimmten Vorsitzenden, Schriftführer und Kassenwart ebenso wie das Ziel:
Die wirtschaftliche Existenz von Ausländern vernichten, sie so vertreiben.
“Sie wollten ein Fanal setzen”, heißt es in der Anklage. Dem widerspricht
der Anwalt des 20-Jährigen. Ein Dokument liege nicht vor, sagte er in einer
Verhandlungspause. Nur einige der Jugendlichen hätten das mit der
Kameradschaft ausgesagt.
Bei den Anschlägen im Havelland entstand mehr als 600 000 Euro Sachschaden,
rechnet die Anklage vor. Bei einem Brandanschlag auf einen Asia-Imbiss Ende
August 2003 in Nauen griff das Feuer auf einen Gebäudekomplex über, Schaden:
526 000 Euro. Andere Imbisswagen sollen gleich mehrmals heimgesucht worden
sein. Die Taten seien in wechselnder Besetzung verüb
t worden, hieß es, um
mögliche Verdachtsmomente zu verteilen. Vor allem der 20-Jährige habe
Kenntnisse über brennbare und explosive Stoffe gehabt.
Die Anklage hat 60 Zeugen und drei Sachverständige benannt. Der Strafrahmen
für die Bildung einer terroristischen Vereinigung liegt bei einem Jahr bis
zehn Jahren. Dies würde gelten, wenn die Heranwachsenden nach
Erwachsenenstrafrecht behandelt werden. Für die unter 18 Jahre alten
Angeklagten gilt das Jugendstrafrecht ohne Strafrahmen. Aus Platzgründen
tagt das eigentlich in Brandenburg/Havel ansässige Oberlandesgericht in der
Landeshauptstadt. Bis Mitte Februar sind elf weitere Termine angesetzt.
Weiter geht es am Donnerstag.
Terror-Prozeß: Neonazis wollten Ausländer vertreiben
Jugendliche verübten Brandanschläge auf Imbißbesitzer — Mammutverhandlung
beginnt heute
(BM, 21.12., M. Lukaschewitsch) Potsdam — Es ist ein Novum in der Brandenburger Justizgeschichte: Das
Oberlandesgericht Brandenburg (OLG), letzte und damit höchste Instanz im
Land, tagt von heute an im Potsdamer Amtsgericht. Wo es sonst um
Alltagsstreitigkeiten, zu schnelles Fahren, Körperverletzung und Beleidigung
geht, wird aus Platzgründen der erste Terror-Prozeß in der Geschichte des
Landes verhandelt. In einem Mammutprozeß gegen zwölf Angeklagte aus der
rechtsextremen Szene, der bis mindestens bis Februar dauern wird, hat die
Anklage 60 Zeugen und drei Sachverständige benannt.
Angeklagt sind die Mitglieder der rechtsextremen “Freikorps”-Gruppierung
wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung. Die zwölf Angeklagten waren
zur Tatzeit erst 14- bis 19 Jahre alt — Schüler, Azubis und Arbeitslose aus
dem rechten Spektrum der Stadt Nauen (Havelland), 60 Kilometer westlich von
Berlin. Diese Neonazis sollen in der Zeit zwischen August 2003 bis Mai
dieses Jahres acht Brandanschläge auf türkische oder asiatische Imbißbuden
in und um Nauen verübt haben. Menschen kamen nicht zu Schaden, der
Sachschaden wird auf rund 770 000 Euro beziffert.
Weitaus schwerer wiegt jedoch das Ziel der mutmaßlichen Terroristen: Sie
wollten mit den Anschlägen Angst und Schrecken unter den ausländischen
Imbißbetreibern verbreiten und ein “Klima der Angst unter den hier lebenden
Ausländern schaffen”, wie Rolf Grünebaum, Sprecher der Brandenburger
Generalstaatsanwaltschaft, sagt. Ziel der Kameradschaft “Freikorps” soll es
gewesen sein, die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen zu vernichten und
sie so zu vertreiben. Durch die Aktionen sollten nach der Anklageschrift
weitere Ausländer eingeschüchtert und vertrieben werden. Mittelfristig sei
geplant gewesen, die Aktionen auf das gesamte Havelland auszuweiten.
Entscheidend für die Einstufung als Terrorgruppe sei, daß das Ziel einer
“dönerbefreiten Zone” in einer Satzung der Gruppe festgelegt war.
Mitgliedsbeiträge von fünf Euro pro Monat seien erhoben worden, damit soll
beispielsweise das Benzin für die Anschläge bezahlt worden sein. Regelmäßig
seien konspirative Treffen abgehalten worden. Hier seien keine angetrunkenen
Neonazis am Werk gewesen, die spontan zur Tat schritten, so der Sprecher.
“Das ist eine bislang noch nie dagewesene Qualität.”
Der mutmaßliche Chef der Gruppe, der zur Tatzeit 19jährige Christopher H.,
sitzt in Untersuchungshaft. Der Abiturient war bei seinen Mitschülern dafür
bekannt, daß er mit explosiven Chemikalien experimentierte — sie nannten ihn
sogar “Bombi”. Die selbstgebauten Sprengsätze erprobte H. meist im Wald nahe
seiner Heimatstadt. Dann jedoch begann er auf dem Hof seiner Eltern in
Pausin (Havelland), Brandbeschleuniger zu mixen und mit Freunden aus der
rechten Szene Anschläge auf Restaurants und Imbisse von Ausländern zu
verüben — in Nauen, Brieselang, Falkensee und Schönewalde.
Zum Prozeßbeginn soll heute entschieden werden, ob wegen des jugendlichen
Alters der Angeklagten die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird
Die Jugendlichen erwarten zum Teil empfindliche Haftstrafen: Zwischen sechs
Monaten und zehn Jahren Jugendstrafe sieht das Gesetzbuch vor.
Terror-Prozess gegen zwölf Neonazis
600 000 Euro Sachschaden durch zehn Brandanschläge
(Berliner Zeitung, 21.12., Jens Blankennagel) POTSDAM. Die Anklagebänke erinnern an eine Abschlussprüfung in der Schule:
vier Reihen, jeweils drei Plätze und dazwischen immer ein Platz frei. Auch
die zwölf Angeklagten sehen aus wie harmlose Schüler: linkische Bewegungen,
modisch gegelte Haare, Jeans, Sweat-Shirts. Einer trägt auf dem T‑Shirt das
Wort “Rebel”. Keiner ist äußerlich als Neonazi zu erkennen. Und doch werden
die heute 16- bis 20-Jährigen aus dem Kreis Havelland am Montag vom
Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts als erste Brandenburger
Neonazi-Gruppe wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung angeklagt.
Wegen der vielen Angeklagten ist das Gericht extra in den größten Saal des
Potsdamer Amtsgerichts gezogen.
Der Staatsanwalt verliest die Anklageschrift. Sie wirft den jungen Männern
vor, zwischen Juni 2003 und Mai 2004 zehn Brandanschläge gegen Restaurants
und Imbisse von Ausländern in und um Nauen gemeinsam geplant und in
unterschiedlicher Besetzung auch verübt zu haben. Gesamtschaden: 606 400
Euro, verletzt wurde niemand. Um ihre Anschlagsserie zu verüben, sollen sich
die Angeklagten in den Sommerferien 2003 zur Terrorgruppe “Freikorps”
zusammengeschlossen haben. Ziel sei “die Vernichtung der wirtschaftlichen
Existenz” der Imbissbetreiber gewesen, damit diese “aufgeben” und die Region
verlassen. Die Anschläge sollten ein “Fanal” zur Vertreibung von Ausländern
sein, sagt der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft. Alle Angeklagten
hätten aus ausländerfeindlichen Motiven heraus gehandelt und wollten ihre
Aktionen auf das gesamte Havelland ausdehnen.
Öffentlichkeit ausgeschlossen
Der Chef der rechtsextremen Kameradschaft soll der heute 20-jährige
Abiturient Christopher H. sein — der Einzige, der in Untersuchungshaft
sitzt. Bei der Gründung der Gruppe soll im “Protokoll” auch ein
Schriftführer und ein Kassierer benannt worden sein, der einen monatlichen
Mitgliedsbeitrag von fünf Euro sammelte — zum Kauf von “Benzin für die
Brandsätze und die Fluchtfahrzeuge”. Einige der Angeklagten hätten sich
nicht an der Ausführung der Anschläge beteiligt, sondern nur an der Planung
und an der “Beschaffung von Alibis”, sagt der Staatsanwalt.
Als er die Anklage verlesen hat, beantragen einige Verteidiger, die
Öffentlichkeit aus diesem Jugendprozess wegen des geringen Alters der
Angeklagten auszuschließen. Da acht der Angeklagten zur Tatzeit noch
Heranwachsende waren — sie hatten das 18. Lebensjahr nicht vollendet — und
die vier anderen nicht viel älter waren, werden die Medienvertreter aus dem
Gerichtssaal geschickt. Die Vorsitzende Richterin Gisela Thaeren-Daig
begründet dies damit, dass sich einige der Angeklagten in speziellen
Erziehungsprogrammen befinden, deren Erfolg nicht gefährdet werden soll. Bis
zur Urteilsverkündung am 14. Februar sind elf weitere Prozesstage vorgesehen
und 60 Zeugen geladen.
Terrorbande vor Gericht
Junge Neonazis wollten Ausländer aus Brandenburg vertreiben
(MAZ, 21.12., Frank Schauka) POTSDAM/NAUEN Christopher H. aus Pausin bei Nauen im Havelland hinterließ
nicht den Eindruck, den man sich von mutmaßlichen Rädelsführern
rechtsextremer Terrorbanden zu machen geneigt ist, als der 20-Jährige, blass
und schmächtig, gestern früh den wuchtig wirkenden, großen Verhandlungssaal
des Amtsgerichts betrat.
Vor dem in Potsdam tagenden 1. Strafsenat des Brandenburgischen
Oberlandesgerich
ts (OLG) unter Vorsitz von Gisela Thaeren-Daig müssen sich
der Abiturient und elf jüngere Mitangeklagte im Alter von 16 bis 20 Jahren
gegen den in Brandenburg einmaligen Vorwurf verteidigen, eine terroristische
Vereinigung gegründet zu haben. Mit Rücksicht auf deren Jugend und erhoffte
Erziehbarkeit wurde die Öffentlichkeit nach Verlesen der Anklage von dem
Prozess bis zum Ende der Beweisaufnahme für vermutlich mehrere Wochen
ausgeschlossen.
Nach Überzeugung der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hatte
Christopher H. die Untergrundorganisation “Freikorps” in den Sommerferien
2003 mit dem Ziel gegründet, Brandanschläge auf Imbisse ausländischer
Betreiber zu verüben. Die jungen Neonazis wollten die wirtschaftliche
Existenzgrundlage der Besitzer vernichten. Die durch die Anschlagsserie
letztlich flächendeckend erzeugte Angst sollte Ausländer zum Wegzug nicht
nur aus der Region Nauen, sondern schließlich aus ganz Brandenburg bewegen.
Bei den neun Brandanschlägen, die “Freikorps”-Mitglieder zwischen August
2003 und Mai 2004 in Nauen, Falkensee, Brieselang und Schönwalde verübten,
entstand ein Sachschaden von schätzungsweise 600 000 Euro. Menschen gerieten
nicht in Gefahr. Personenschäden hätten auch den Zielen der Satzung
widersprochen, die sich die Neonazis gegeben hatten.
Der außergewöhnliche Organisationsgrad macht die Kameradschaft für die
Generalstaatsanwaltschaft zu einer Terrorvereinigung. In einem von allen
Mitgliedern unterzeichneten Gründungsprotokoll wurden die Funktionsträger
bestimmt. Die heute 18-jährigen Patrick P. und Michael R. wurden zum
Schriftführer und Kassierer gewählt. Ferner wurde ein Monatsmitgliedsbeitrag
von fünf Euro festgesetzt. Mit den Einnahmen sollte Benzin gekauft werden,
das man für die Fluchtfahrzeuge sowie zur Herstellung der Brandbomben
benötigte, wie Oberstaatsanwalt Eugen Larres ausführte.
Die Vorzüge der Gruppenstruktur wurden von den Neonazis auch bei Planung und
Durchführung der Anschläge bedacht. Laut Staatsanwaltschaft wollten nicht
alle Freikorps-Mitglieder Brände legen. Die, denen das zu gefährlich
erschien, wollten Fahrdienste leisten und Attentäter mit falschen Alibis
unterstützen. Um den Verdacht zu streuen, sollten Anschläge jeweils von
unterschiedlichen Mitgliedern verübt werden.
Die Attentäter gingen zunehmend professionell vor. Nur bei ihrem ersten
Anschlag auf einen Asia-Imbiss in Nauen blieb es beim Versuch, weil die
damals 17 und 18 Jahre alten Täter kein Gerät mit sich führten, um die
vergitterte Tür und vernagelte Fenster des Imbisses aufzubrechen. Sie
konnten den von Christopher H. gemixten Brandsatz deshalb nicht in das
Innere der Bude schleudern und mussten ihren Plan aufgeben. Aus diesem
Fehlschlag lernten die jungen Neonazis jedoch. Bei späteren Anschlägen
hatten sie Hammer, Glasschneider und Brecheisen dabei.
Mit welcher Energie und Rücksichtslosigkeit die “Freikorps”-Mitglieder ihren
Fremdenhass in Attentaten entluden, zeigte sich besonders deutlich nach
ihrem zweiten Anschlag. In der Nacht auf den 31. August 2003 ging in Nauen
nicht nur der Imbisswagen eines vietnamesischen Betreibers in Flammen auf,
sondern auch der angrenzende Supermarkt. Der Schaden betrug mehr als 500 000
Euro und war unerwartet groß. Dennoch beschloss die Gruppe lediglich, bis zu
neuen Anschlägen eine Weile zu warten. Von den im
“Freikorps”-Gründungsprotokoll beschriebenen Zielen, Ausländer zunächst rund
um Nauen wirtschaftlich zugrunde zu richten, rückten die jungen Neonazis
jedoch nicht ab. Rädelsführer H. soll vielmehr versucht haben, den
Zusammenhalt der Gruppe zu festigen und neue Mitglieder anzuwerben.