(Junge Welt, 18.08., Reimar Paul) Die bundesweite »Anti-Lager-Tour« von Flüchtlingsinitiativen stößt noch vor
ihrem Start an diesem Freitag auf Hindernisse. Die Stadt Eisenhüttenstadt in
Brandenburg, wo die Karawane vom 2. bis 5. September Station machen will und
auch beendet werden soll, habe den Demonstranten eine bereits zugesagte
Halle und einen Zeltplatz auf einer Insel im Oder-Spree-Kanal verweigert,
teilte das Bündnis der beteiligten Organisationen am Dienstag mit. Die
Stadtverwaltung habe den Pächter angewiesen, nicht an die Karawane zu
vermieten. Die Verantwortlichen in Eisenhüttenstadt wollten offenbar keine
Menschenrechtsaktivisten in der Stadt haben, welche die Zustände in der
Zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge und dem Abschiebeknast an die
Öffentlichkeit bringen könnten, hieß es weiter.
Das seit 1997 bestehende Abschiebegefängnis, in dem auch zahlreiche
Flüchtlinge unter 18 Jahren eingesperrt sind, ist vor allem wegen einer
sogenannten »Beruhigungszelle« berüchtigt. Hier werden Häftlinge zum Teil
über viele Stunden ausgestreckt gefesselt, berichten Betroffene. Trotz
Kritik des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter im Jahr 2000 wurde
noch im vergangenen Jahr ein Mann 42 Stunden lang gefesselt.
Flüchtlinge beklagen zudem eine völlig unzureichende medizinische Versorgung
in dem Knast. Nur eine Krankenschwester sei ständig vor Ort. Mehreren
Erkrankten sei mitgeteilt worden, sie könnten nicht ins Krankenhaus, weil
sie den Aufenthalt dort selbst bezahlen müßten.
Ungeachtet der behördlichen Schikanen will die Anti-Lager-Tour
Eisenhüttenstadt in jedem Fall anlaufen. Notfalls würde man das Camp »in den
öffentlichen Bereich der Stadt« verlegen, wurde angekündigt. Die
Anti-Lager-Tour startet im niedersächsischen Bramsche, wo die
Landesregierung ein Abschiebelager für bis zu 500 Flüchtlinge eingerichtet
hat. Weitere Stationen der Karawane sind die Abschiebegefängnisse in
Hannover, Berlin und Neuss (Nordrhein-Westfalen) sowie
Flüchtlingssammellager in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) und Parchim
(Mecklenburg-Vorpommern).
Kein Protest-Campen in Eisenhüttenstadt?
(ND, 20.8., Peter Nowak) Für Flüchtlinge hat der Name Eisenhüttenstadt keinen guten Klang. Die Lebensumstände
der Zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge und des dortigen Abschiebe-Gefängnisses
wurden von vielen Insassen sowie von Flüchtlingsorganisationen immer wieder
kritisiert. Vom 2. bis 5. September soll hier die heute beginnende Anti-Lagertour
Station macht.
Doch anders als in den anderen Tourstädten gibt es für die mehreren hundert
Flüchtlinge und Aktivisten in Eisenhüttenstadt noch kein Domizil. Dabei haben sich
die Organisatoren der Tour schon seit Wochen um die Anmietung der Inselhalle und
eines anliegenden Fußballplatzes bemüht. »Wir waren uns mit dem Pächter weitgehend
einig und haben uns schon um die Internetanschlüsse bemüht«, erklärte Martin Steinle
von der Tour-Vorbereitungsgruppe. Doch dann kam von der Stadtverwaltung die Absage.
Jede weitere Kontaktaufnahme wurde als unnötig bezeichnet, beklagen die
Antirassisten. Eine Begründung gab es für die Ablehnung nicht. Die
Vorbereitungsgruppe vermutet nun, dass die Ablehnung direkt aus dem
Brandenburgischen Innenministerium kommt. Der CDU-Rechtsaußen und brandenburgische
Innenminister Jörg Schönbohm wolle sich vor der Brandenburg-Wahl noch einmal als
Law-and-Order-Mann profilieren.
Trotz der unkooperativen Haltung der Behörden wollen die Aktivisten den
Gesprächsfaden nicht abreißen lassen. Demnächst werde man noch einmal im Rathaus von
Eisenhüttenstadt erscheinen. Doch auch wenn die Platzverweigerung nicht
zurückgenommen wird, die Anti-Lager-Tour nach Eisenhüttenstadt wird kommen. »Dann
melden wir eine viertägige Dauerkundgebung an«, erklärt Steinle.
Damit hat man in Brandenburg schon Erfahrung. Im Sommer 2000 wurde im
Brandenburgischen Forst ein Platz für ihr antirassistisches Grenzcamp in letzter
Minute verweigert. Nachdem die Aktivisten in der Forster Innenstadt ebenfalls eine Dauerkundgebung angemeldet hatten, wies ihnen die Polizei
gegen den Willen der verantwortlichen Politiker einen Platz zu.