Seelow (MOZ, Silke Müller) Die zweistündige Demonstration von etwa acht Asylbewerbern und
einigen Deutschen gegen das sogenannte Sachleistungsprinzip vor dem
Landratsamt in Seelow blieb am Mittwoch weitgehend unbeachtet.
Die Polizei hatte mit deutlich mehr Demonstranten gerechnet. 50 Beamte
standen bereit, um zum einen den Schutz der Versammlung zu gewährleisten,
die von Anke Schwarz aus Rehfelde angemeldet worden war. Wie sie gehört auch
der Strausberger Paul Rothe einer Initiative an, die den Protest von
Asylbewerbern gegen das Chipkartenprinzip unterstützt. Mit diesen Chipkarten
kann in bestimmten Geschäften der Umgebung eingekauft werden. Für
Landratssprecher Jürgen Krüger ein den gesetzlichen Vorgaben entsprechende
Möglichkeit, die Versorgung der Asylbewerber zu sichern. Für die meisten
Asylbewerber offenbar auch. Die Demonstranten jedenfalls fanden gestern
vergleichsweise wenig Zuspruch. Während sie über Megafon “Bargeld für alle”
forderten und behaupteten, die “Chipkarte ist illegal”, gingen die meisten
anderen Asylbewerber an ihnen vorbei und warteten unbeteiligt vor dem
Haupteingang des Seelower Landratsamtes.
Dort war für diesen ersten Mittwoch im Monat, dem “Zahltag” für die
Asylbewerbergelder, das Hausrecht vom amtierenden Landrat Michael Bonin an
die Polizei übergeben worden. Bereitschaftspolizisten prüften bei jedem den
Grund seines Besuches im Landratsamt. Es ging ruhig und unaufgeregt dabei
zu.
Für Polizeisprecher Thomas Wilde und Einsatzleiter Lars Borchardt vom
Schutzbereich Märkisch-Oderland eine nicht unbedingt erwartete Wendung der
bislang eher aufgeregten Aktionen von Asylbewerbern vor dem Landratsamt.
Bereits im August und September war es zu Protesten und Demonstrationen
gekommen. “Wir sind auf alles vorbereitet”, sagte Wilde, der erklärte, dass
die Polizei neben dem Schutz der Versammlung zugleich auch für den
störungsfreien Verlauf von Demonstration und Seelower Alltag sorgen muss.
Und auch Straftaten zu verhindern gehörte gestern zu den Aufgaben der
Polizei. Sie hatte damit keine Arbeit. Vielleicht auch, weil man die “Lage
unter Kontrolle” hatte, wie es hieß.
Bereits an den Zufahrtstraßen nach Seelow waren Polizeibeamte dabei zu
prüfen, wer sich da alles in Richtung Seelow aufmachte. Sie nutzten die Zeit
zugleich für allgemeine Verkehrskontrollen.
Wie gut die Polizei vorbereitet war, macht deutlich, dass den
Verantwortlichen offenbar ein Großteil der aktiven Demonstranten bekannt
war. Kreissprecher Jürgen Krüger erklärte sogar, dass es sich
augenscheinlich um eine Art “Berufsdemonstran-ten” handelte, die nach
Polizeiangaben schon mehrfach und nicht nur im Zusammenhang mit
Asylbewerbern aus Märkisch-Oderland in Erscheinung getreten waren. Dass es
offenbar eine Struktur gibt, die hilft, den Protest zu organisieren, ist
nicht nur eine Erkenntnis der Polizei.
Paul Rothe, der sich in Seelow als Sprecher der Protestierenden hervortat,
sprach gegenüber MOZ davon, dass sich die Initiative auf mehreren Schultern
verteile und nannte mehrere Gruppierungen, darunter die
Flüchtlingsinitiative. Deren Vertreterin vor Ort war am Megafon die
Wortführerin. Auch dafür, dass der Protest eher klein blieb, hatte Paul
Rothe eine Erklärung. “Es gibt einfach mehrere Grüppchen unter den
Asylbewerbern.” Diese sind sich, so kann nach der gestrigen Aktion gemutmaßt
werden, alles andere als einig. Bleibt offen, ob die am Mittwoch von nur
wenigen vertretene Forderung “Bargeld für alle” wirklich eine Forderung ist,
die von der Mehrheit der Asylbewerber in Märkisch-Oderland unterstützt wird.
Als man am Mittwoch sehen konnte, dass Asylbewerber nach dem Aufladen ihrer
Chipkarte an den Protestierenden vorbeiliefen, kamen eher Zweifel auf.