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Rechtsradikaler Brandenburger in München vor Gericht


Neon­azi-Prozess ging gestern unter Auss­chluss der Öffentlichkeit weiter /
Extrem­ist Mar­tin Wiese durch Aus­sagen von Angeklagter schw­er belastet

Hin­ter ver­schlosse­nen Türen ist gestern der erste Prozess zu dem geplanten
Sprengstof­fan­schlag auf das jüdis­che Zen­trum in München fort­ge­set­zt worden.
Im laufend­en Prozess hat­te der 6. Straf­se­n­at am Mittwoch die Öffentlichkeit
aus­geschlossen, weil drei der Angeklagten zum Tatzeit­punkt noch minderjährig
oder Her­anwach­sende waren und damit den Bes­tim­mungen des
Jugendgerichts­ge­set­zes unterliegen. 

Jung und adrett sind die drei Frauen, die da auf die Anklage­bank des
Bay­erischen Ober­sten Lan­des­gerichts huschen. Jes­si­ca F., 22 Jahre alt, trägt
schwarzen Blaz­er und Zopf. Ramona Sch., 19 Jahre, eine bor­deauxrote Jacke
und darunter ein schwarzes Top, und Moni­ka St. einen modischen
Strick­pullover. St. ist 18 Jahre alt und kön­nte in diesem Out­fit auch bei
ein­er Bank arbeit­en. Früher hat sie das getan und dabei aus dem Com­put­er die
Dat­en von Kun­den kopiert, die sie zum Feind­bild ihrer rechtsextremen
“Kam­er­ad­schaft Süd” zählte. 

Die Anklage der Bun­de­san­waltschaft ist mas­siv. Mit­glied­schaft und
Unter­stützung ein­er recht­sex­trem­istis­chen ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung wird
den drei Frauen wegen Anschlags-plä­nen auf das jüdis­che Zen­trum in München
vorge­wor­fen, dafür dro­hen bis zu zehn Jahre Gefäng­nis. Ihre vom Neonazi
Mar­tin Wiese geführte Gruppe soll einen Staat nach nationalsozialistischem
Vor­bild gewollt haben. Mit auf der Anklage­bank sitzen zwei Män­ner: Der eine
ist der 38 Jahre alte An-dreas J. Ein fast glatzköp­figer arbeitsloser
Holzfäller aus der bran­den­bur­gis­chen Uck­er­mark, der Wiese beim Beschaffen
von Waf­fen diente. Der andere ist Thomas Sch. Ein schmales,
hochaufgeschossenes Milch­gesicht von 18 Jahren mit weißem Hemd und schwarzer
Hose. Seine Haare hat er sich stre­ich­holzkurz schnei­den lassen. Sch.
spi­onierte im ver­gan­genen bay­erischen Land­tagswahlkampf den
SPD-Spitzenkan­di­dat­en Franz Maget aus. Was er und die “Kam­er­ad­sch aft Süd”
mit den Infor­ma­tio­nen woll­ten, ob Maget irgend­wann ent­führt oder sogar
getötet wer­den sollte, ste­ht bis heute nicht fest. Der zur Tatzeit noch
17-Jährige ver­brachte seinen achtzehn­ten Geburt­stag im ver­gan­genen Oktober
in Unter­suchung­shaft, kam dann für drei Monate unter Aufla­gen frei und wurde
nach erneutem Auf­fall­en als Recht­sradikaler wieder festgenom­men. Erst
nach­dem er ein weit­eres halbes Jahr im Gefäng­nis gesessen hat­te, kam der
schnei­dig auf die Fra­gen des Richters antwor­tende Sch. aus Rück­sicht auf
sein Alter wieder frei. 

Die vier jun­gen Leute standen nach der Schilderung von Jes­si­ca F. fest unter
der Fuch­tel Wieses, gegen den ein eigen­er Prozess geführt wer­den soll. F.
war am Mittwoch die erste, die zur “Kam­er­ad­schaft Süd” aus­sagt. In die
Gruppe sei sie vor zwei Jahren in ein­er Leben­skrise gekom­men. “Ich bin da
gut aufgenom­men wor­den, ganz anders als man es denken würde”, sagt die junge
Frau, die sich früher “eher als links” sah. Irgend­wann habe es kein Zurück
mehr gegeben: Sie sei in die von Wiese als Eli­teein­heit gedachte
“Schutz­gruppe” der “Kam­er­ad­schaft Süd” gekom­men. Zu der “Schutz­gruppe”
zählten auch die drei Altersgenossen von F. Bei ihren Übun­gen schossen die
Mit­glieder Far­bkugeln mit Soft-Air-Pis­tolen aufeinan­der. Aus diesem noch
ver­gle­ich­sweise harm­losen Train­ing habe Wiese auf Dauer mehr machen wollen,
sagt F. Der 28‑J&aum l;hrige habe die Gruppe mit schar­fen Waf­fen ausrüsten
wollen, um für sein Ziel zu kämpfen, “die Demokratie aus den Angeln zu
heben”. Spätestens zu diesem Zeit­punkt sei ihr mul­mig gewor­den. Ein Ausstieg
aus der “Schutz­gruppe” sei aber nicht ohne weit­eres möglich gewe­sen, da der
als bru­tal und cho­lerisch gel­tende Wiese mit Sank­tio­nen gedro­ht habe. 

Beim Blick durch die Zuschauer­bänke scheint die Angst der durch das
Auf­fliegen der Gruppe — “ich führe seit einem Jahr ein nor­males Leben” -
befre­it wirk­enden Frau nicht unberechtigt. Im Saal haben sich fünf Männer
und zwei Frauen zusam­menge­set­zt, die unschw­er als Neon­azi-Sym­pa­thisan­ten zu
erken­nen sind.

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