Inforiot) Am vergangenen Freitag fand in Oranienburg eine antirassistische Demo statt. Organisiert wurde die Aktion vom lokalen “Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt” unter dem Motto “Gleiche Würde — Gleiches Recht”. Genaueres über den Verlauf der Demo ist bislang leider nicht bekannt (So wars im letzten Jahr), dafür dokumentieren wir um folgenden den Redebeitrag der Oranienburger AG gegen Rechts.
Kein Alltag mit Nazis!
Ein ganz normaler Freitagabend in Oranienburg:
Bahnhof Oranienburg, 20 Uhr, auf dem Bahnhofvorplatz ca. 20 angetrunkene
rechte Jugendliche. Eine Gruppe von 15 als linksgerichtet erkennbaren
Jugendlichen, befindet sich auf dem Weg zu einem Konzert. Schon nichts Gutes
ahnend, machen sie vorsorglich einen Bogen um die andere Gruppe, um einer
Konfrontation aus dem Wege zu gehen. Plötzlich läuft einer der rechten
Jugendlichen auf sie zu und greift grundlos einen von ihnen an. Er schlägt
ihm mit der Faust ins Gesicht und reißt ihm einen Aufnäher mit der
Aufschrift “Gegen Nazis” ab. Glücklicherweise löst sich die Situation durch
das deeskalierende Verhalten der linken Jugendlichen schnell auf und diese
ziehen mit einem Schrecken und mit einem im wahrsten Sinne des Wortes blauen
Auge weiter.
Wer jetzt denkt, dass es sich hierbei um einen einmaligen Vorfall handelt,
hat sich getäuscht.
Szenen wie diese beherrschen den Alltag für linksaussehende oder nicht ins
Bild der Rechten passenden Jugendliche. Jedoch ist dies nicht nur deren
Alltag, sondern auch der von Menschen, die nicht den Wertvorstellungen der
rechten Ideologie entsprechen. Dazu zählen z.B. AsylbewerberInnen,
Obdachlose, Behinderte, Homosexuelle oder irgendwie Andersaussehende.
Entgegen den meisten Darstellung von Polizei, Verfassungsschutz und Medien
nimmt die Anzahl rechter Gewalttaten nicht ab. Um dies festzustellen, muss
beim Erstellen von Statistiken die Dunkelziffer berücksichtigt werden. Viele
Opfer rechter Gewalt stellen aus Angst vor weiteren Schikanen und Angriffen
keine Strafanzeige. Des weiteren muss mensch berücksichtigen, dass es
durchaus vorkommen kann, dass rechtsextreme Straftaten nicht immer als
solche bewertet werden, sondern als Gewaltdelikte unter “rivalisierenden
Jugendbanden” oder “Eifersuchtstaten” abgehandelt werden.
Für uns ist eine Zunahme rechter Straftaten deutlich erkennbar. Dies
verdeutlichen auch folgende Fakten:
· 11.03.2002, Velten: Jugendliche werden von Nazis krankenhausreif
geschlagen
· 05.05.2002, Wittstock: Der Aussiedler Kajrat B. wird von Rassisten
ermordet
· 04.06.2002, Lehnitz: Der Dönerimbiss eines türkischen Griechen wird von
Rassisten in Brand gesteckt
· 21.06.2002, Hennigsdorf: Ein gehbehinderter Asylbewerber wird von einem
Rassisten brutal geschlagen und mit einem Messer bedroht
· 12.07.2002, Potzlow: Der 17-jährige Marinus Schöberl wird von Nazis
ermordet, weil er blondierte Haare hat und weite Hosen trägt
· 22.08.2002, Oranienburg: Ein Tunesier wird von 30 Nazis gejagt und
zusammengeschlagen
· 04.09.2002, Wittstock: Das Todesmarschmuseum Belower Wald wird durch einen
Brandanschlag teilweise zerstört. Der Gedenkstein wird mit Hakenkreuzen
sowie antisemitischen Parolen beschmiert
· 22.09.2002, Oranienburg: Vor den Bundestagswahlen hängt die NPD in der
ganzen Stadt Plakate auf, unter anderem auch in der Zufahrtsstraße zur
Gedenkstätte Sachsenhausen
· 02.11.2002, Oranienburg: Die Todesmarsch-Gedenktafel wird beschmiert; nur
eine von vielen Schändungen und Schmierereien entlang der Todesmarschstrecke
· 12.11.2002, Oranienburg: Hakenkreuz-Schmierereien im Gästebuch der 1992
durch einen antisemitisch motivierten Brandanschlag teilweise zerstörten
Baracke 38 auf dem Gelände der Gedenkstätte Sachsenhausen
· 5.02.2003, Oranienburg: Ein Mann schießt auf dem Gelände der Gedenkstätte
Sachsenhausen mit einer Schreckschußpistole um sich und zeigt den Hitlergruß
Sogar die statistischen Werte des Verfassungsschutz Brandenburg belegen
eindeutig einen Zuwachs rechter Straftaten: So sind diese im Jahr 2000 um 27 Prozent angestiegen.
Zitat VVS: “Im Ländervergleich nahm Brandenburg, bezogen auf die
Bevölkerungszahl, bei den Gewalttaten mit fremdenfeindlichen Hintergrund im
Jahr 2000, wie schon 1999, Platz 1 dieser unrühmlichen Skala ein.”
Da verwundert es nicht, dass bei einer FORSA-Umfrage Mitte 2000 21% der
befragten Brandenburger rechtsextreme Einstellungen aufwiesen. Zum
Vergleich: In Berlin waren es “nur” 12%.
Doch damit nicht genug: 15% der
Brandenburger wollen, dass Ausländer so schnell wie möglich Deutschland
verlassen. 48% der Brandenburger tragen die Forderung mit, dass “bei der
Einstellung von Arbeitskräften Deutsche grundsätzlich Ausländern vorgezogen
werden” sollten. Im Angesicht dieser Zahlen kann mensch sich denken, dass
ein großes Potential für die Vielzahl rechtsextremer Straftaten vorhanden
ist und der rechte Mob geduldet oder unterstützt wird.
Rechten Strukturen entgegentreten!
In Brandenburg ist eine Vielzahl rechter Strukturen vorhanden. So zählten
Republikaner, DVU und NPD im Jahr 2000 zusammen 675 Mitglieder in
Brandenburg. Auch in Oberhavel ist die NPD aktiv. Der Vertreter der NPD ist
Reimer Leibner. Leibner wohnt in der Weißenfelser Straße 25 in Oranienburg.
Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist nach eigenen Angaben seit 1990
Nationaldemokrat.
Und wenn wir schon mal dabei sind, dann möchten wir auf diesem Wege mit
unserem erhobenen Mittelfinger Herrn Leibner einen schönen Gruß senden.
Doch nicht nur parteiliche Strukturen sind in Brandenburg vorhanden. So gab
es bis zu ihrem Verbot im August 1997 die “Kameradschaft Oberhavel” mit Sitz
in Hennigsdorf. Gegründet wurde die Kameradschaft 1996 mit maßgeblicher
Unterstützung führender Funktionäre des Berliner neonazistischen Vereins
“Die Nationalen e.V.”, vor allem Frank Schwerdt´s. Die “Kameradschaft
Oberhavel” bekannte sich offen zum Nationalsozialismus und war fester
Bestandteil eines Netzwerkes neonazistischer Kameradschaften aus Berlin und
dessen Umland. Dass die “Kameradschaft Oberhavel” oft im selben Atemzug mit
neonazistischen Organisationen wie z.B. der “Blood & Honour Division
Deutschland”, dem “Hamburger Sturm”, der “Nationalistischen Front” oder der
“Wiking-Jugend” genannt wird, läßt die Ausmaße der Organisierung und
Bedeutung dieser Kameradschaft nur erahnen. Zwar ist die Kameradschaft
Oberhavel verboten, doch ist es nur schwer vorstellbar, dass die vorhandenen
Strukturen auch gänzlich verschwunden sind.
Ganz im Gegenteil, es werden auch neue Strukturen aufgebaut. So ist seit
Ende 2001 der “Märkische Heimatschutz” aktiv. Darin wird die
Kameradschaftsszene aus Uckermark, Barnim und Oberhavel zusammengefasst. Das
Postfach des “Märkischen Heimatschutzes” ist in Eberswalde angegeben. Auch
Querverbindungen zur Berliner Neonaziszene bestehen.
Staatlichen Rassismus angreifen!
Wenn mensch einmal über die Ursachen des Rechtsextremismus nachdenkt, wird
schnell klar, dass rechte Denkformen ansatzweise schon vom Staat ausgehen.
Ein Beispiel hierfür ist das Prinzip der Rasterfahndung. Hierbei werden
Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale potentiellen Tätergruppen zugeordnet.
Die Rasterfahndung wurde beispielsweise nach dem 11.September 2001 auf der
Suche nach Terroristen angewandt. Hierbei wurden alle islamischen männlichen
Studenten an den Universitäten überprüft. Derartig rassistische Verfahren
wie die Rasterfahndung gehören abgeschafft!
Auch viele Politiker tragen mit ihren Äußerungen dazu bei, dass sich
Rech
tsextremisten in ihren Handlungen bestätigt fühlen. Dadurch kann es auch
vorkommen, dass sich rechte Schläger als sog. “Vollstrecker des Volkswillens
” fühlen, die ganz im Sinne kapitalistischer Verwertungslogik den
“Volksschädling” Ausländer als Kostenfaktor des Sozialsystems beseitigen
wollen. Nazis setzen also die Einteilung von Menschen in nützlich oder
unnützlich unter rassistischen Vorzeichen praktisch um. Ein gutes Beispiel
für solch einen geistigen Brandstifter ist der Brandenburger Innenminister
Jörg Schönbohm von der CDU. Er ist bekannt für Aussagen wie z.B.: “Die Zeit
der Gastfreundschaft geht zu Ende”.
Und auch der Bundesinnenminister Otto Schily sagte: “Die Grenze der
Belastbarkeit Deutschlands durch Zuwanderung ist überschritten.” Die
geistigen Brandstifter sind aber auch in der Literatur zu finden. Als
passendes Beispiel ist hier der nationalkonservative Martin Walser, der sich
am Tag der Befreiung vom Hitler-Faschismus mit Schröder traf um den neuen
“deutschen Weg” einzuläutern. Auch sein Buch “Tod eines Kritikers” kann als
antisemitisch gewertet werden. Mit derartigen Äußerungen liefern diese
Politiker den Rechten hervorragende Ansatzpunkte zur Argumentation und
Rechtfertigung von Straftaten. Dabei ist es schon fragwürdig, ob gerade in
Brandenburg mit einem Ausländeranteil von 1,8% “die Grenze der Belastbarkeit
durch Zuwanderung” überschritten ist.
Mensch kann klar erkennen, dass auch vom staatlichen Rassismus eine große
indirekte Gefahr ausgeht. Daher gilt es, dem staatlichen Rassismus
entschieden entgegenzutreten!
In diesem Sinne:
Rechten Strukturen den Marsch blasen!
Staatlicher Rassismus in die Müllverbrennungsanlage!
Kein Alltag mit Nazis!