INFORIOT Am Samstag sollte auf dem Potsdamer Luisenplatz die extrem rechte “Pogida”-Bewegung ein Comeback erleben – diesmal als „Freie Patrioten Potsdam“. Dazu kam es nicht. Den nur rund 75 Neonazis standen hunderte Antifas und Potsdamer Bürger_innen gegenüber. Die rassistischen Reden bei der Versammlung der “Potsdamer Patrioten” gingen im Lärm der Gegenproteste komplett unter.
Großspurig kündigte der Mitorganisator der rechten Kundgebung Eric Graziani Grünwald im Vorfeld 700 TeilnehmerInnen an. Zum Auftakt gegen 14 Uhr waren nur rund 40 Personen vor Ort und die Zahl wuchs erst allmählich auf die letztlich 75 Personen an. Graziani selbst kam mit ordentlich Verspätung und brachte den Pogida-Gründer Christian Müller mit. Als Moderator fungierte der Alien-Anwalt und Pegida-Aktivist Jens Lorek. Aus Potsdam selbst waren kaum TeilnehmerInnen gekommen — die große Mehrheit kam aus anderen Brandenburger Orten, aus Sachsen, Berlin und aus Sachsen-Anhalt. Außer Graziani und Lorek sprachen u.a. Stephan Böhlke von Bärgida sowie ein Redner aus Tschechien. Zu Beginn der Kundgebung war der Brandenburger NPD-Aktivist Robert Wegner mit weiteren Neonazis anwesend.
Viel Hupen und viel Buhen
Der Luisenplatz war von der Polizei komplett mit Gittern abgesperrt worden — mittendrin die “Potsdamer Patrioten”, von Außen umzingelt von mehreren hundert Gegendemonstrant_innen. Während das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ mit Luftballons und Musik mit deutlichem Abstand zur rechten Demo, das Image der Stadt pflegte, übertönten die über hundert Antifas die Redebeiträge der „Patrioten“. Neben den üblichen Anti-Merkel-Tiraden und Sprüchen gegen die „Lügenpresse“, schwadronierte Graziani in seiner Rede vom „Tag des Widerstandes und des Kampfes“. “Wir Deutschen können nicht zulassen“, dass der „Islam und die Rothschild-Institutionen die Welt dominieren“, meint Graziani, der sich selbst am Ende seiner Rede als einen „römischen, italienischen Katholiken“ bezeichnete. Ob Deutscher oder Italiener, seine Devise scheint zu sein: Hauptsache gegen die „BRD-Diktatur“ und die „US-Amy-Diktatur“. Die Kundgebung sollte nicht nur ein Zeichen des Widerstandes sein, sondern auch ein gemütliches Beisammensein werden mit Musik, Getränken und Würstchengrill. Dank der vielen Buh-Rufe, Pfiffe und hupenden Autos drangen die Jammer- und Hetzreden jedoch nicht nach Außen und die Gemütlichkeit wurde gestört.
Keine Erfolge in Potsdam
Kurz vor 17 Uhr, also geschlagene drei Stunden nach Auftakt, liefen die Neonazis eine kleine, 20-minütige Runde über die Breite Straße durch die Innenstadt zurück zum Luisenplatz. Die Polizei hielt mit teilweise rabiaten Mitteln die Gegendemonstrant_innen auf Abstand. Dann, gegen 18 Uhr war endlich Feierabend. Eine Hälfte der “Potsdamer Patrioten” wurde per Bus zum Hauptbahnhof gefahren, der Rest musste mit Polizeibegleitung zu Fuß oder mit dem PKW abreisen.
In Potsdam bekommen die „Patrioten“ weiter keinen Fuß auf den Boden. Beim letzten Pogida-Aufmarsch im Mai hatten nur rund 20 bis 30 Personen teilgenommen — die geringste Zahl, seitdem die Demonstrationsserie im Januar begonnen hatte.
Frühstücken gegen Nazis, Fußball und die Schlössernacht
Bereits am Vormittag hatten linke Aktivist_innen ein Frühstück auf dem Luisenplatz organisiert. Einige versuchten den Platz am Brunnen zu blockieren. Die Polizei erteilte den Gegendemonstrant_innen jedoch Platzverweise als die ersten rechten DemoteilnehmerInnen eintrafen. Die Brunnen-Blockierenden wurden in Gewahrsam genommen. Im Laufen des Nachmittages kam es zu weiteren Festnahmen. Alle Betroffenen wurden jedoch nach Ende der rechten Demonstration wieder freigelassen, meldete Ticker Potsdam.
Zeitgleich zur Kundgebung spielte (und verlor) der SV Babelsberg 03 im DFB-Pokal gegen den SC Freiburg in Potsdam. Rund 100 Babelsbergfans kamen nach Spielende noch zum Luisenplatz und verstärkten die Gegenkundgebung. Potsdam war an diesem Samstag voll mit Auswärtigen — den Besucher_innen der ebenfalls stattfindenden “Schlössernacht”, Fußballfans, einem Polizei-Großaufgebot und schließlich den stundenlang auf dem Luisenplatz ausharrenden Neonazis.