Auch Jahre später ist das Gefühl von Potzlow weiterhin in der Uckermark präsent. Das Schicksal von Marinus löste in der rechtsextremen Szene nicht etwa einen selbstkritischen
Reflektionsprozess aus. Im Gegenteil — Potzlow taugt für sie als Metapher für die selbst zugeschriebene Überlegenheit, als Drohungsszenario, zur Untermauerung des eigenen Vormachtsanspruchs. 2006 etwa wurde ein
junger Punk von Rechten terrorisiert. Er wurde beschimpft als “Punk-Fotze” und als “dreckiger Jude”. Und ihm wurde entgegen gerufen: “Wenn du noch mal in Warnitz auftauchst, machen wir dasselbe wie mit Marinus!”
Dabei ist der organisierte Rechtsextremismus in der Uckermark an der Oberfläche erstaunlicherweise relativ schwach. Am Auffälligsten ist eine Kleingruppe namens “Nationale Aktivisten Uckermark/Prenzlau”, die sich recht rege auf Neonazi-Demonstrationen präsentiert und im Internet von ihren Akivitäten berichtet. Auch die NPD bemüht sich um den Aufbau von Strukturen. Im subkulturellen Bereich gibt es unter anderem eine neonazistische Black Metal Band. Doch das Problem ist — wie damals — weniger die Stärke rechtsextremer Agitation sondern es liegt in den Einstellungsmustern bei Teilen der Bevölkerung. Das reicht von der
Zustimmung zu rechten Parolen zur Bereitschaft, bei rechten Parteien an Wahltagen das Kreuzchen zu setzen; bis hin zur Befürwortung von diffus völkischen und faschistischen Ideen. Darin eingeschlossen ist das Potenial, diese Ideologie gewalttätig in die Tat umzusetzen oder auch eigene Gewalt mit rechtsextremer Ideologie vor sich selbst zu
legitimieren. Es ist das weiter wahrnehmbare Machtgebahren rechter Jugendcliquen in der Uckermark, das an Potzlow erinnert. Nach dem Trinkgelage auf dem
Dorffest kommt es zu Gewalt und wie selbstverständlich ruft der Aggressor “Sieg Heil, ihr Idioten” und zeigt den Hitlergruß.
Ein Ausländerbeauftragter in Schwedt, der gerade mal ein Vierteljahrhundert in Deutschland lebt? Selbst nach Potzlow — so resistent ist auch und gerade der dumpfeste Rechtsextremismus — gibt es für so jemanden
Anfeindungen und Schläge zu befürchten.