(KLAUS D. GROTE, MAZ) POTSDAM Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat ein Verfahren wegen Urkundenfälschung gegen die RBB-Fernsehjournalistin Gabi Probst wegen Geringfügigkeit eingestellt. Probst hatte auf dem Brief an einen Häftling der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg/Havel als Absender ihr Pseudonym G. Rost und die ehemalige Potsdamer Adresse des RBB-Magazins “Klartext” verwendet. Das Schreiben wurde geöffnet. Begründung: Die Briefmarke war nicht abgestempelt. JVA-Leiter Hermann Wachter erstattete Strafanzeige wegen Urkundenfälschung.
Probst hatte vergangenen Monat über den Vorgang berichtet — bei der Verleihung des Pressepreises des Deutschen Anwaltstages in Dresden. “Ich wäre damit gar nicht an die Öffentlichkeit gegangen, aber ich musste eine Rede halten und habe gesagt, dass jede Medaille zwei Seiten hat”, sagt Probst. Den Preis erhielt sie für ihre Reportagen über Missstände in der JVA. Sie berichtete über prügelnde Beamte, über unterlassene Hilfeleistung und über Wächter, die Häftlinge in der JVA-Werkstatt für sich arbeiten ließen.
Vor diesem Hintergrund erschien Probst die Anzeige des Anstaltsleiters als “private Fehde”. Dass sie von der Staatsanwaltschaft auch noch aufgefordert wurde, unter Androhung eines Bußgeldes in Höhe von 600 Euro binnen einer Woche ihre sämtlichen bisherigen Adressen, Telefonnummern und Pseudonyme offen zu legen, empfand Probst als Schikane. Sie sprach von Befangenheit der Staatsanwaltschaft. Staatsanwalt Rolf Grünebaum, Sprecher von Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg, suche nach einem wunden Punkt in ihrer Biografie.
Der Fall schlug Wellen, brachte Probst Unterstützungszusagen von Kollegen und Politikern. Dass Staatsanwalt Grünebaum den Vorwurf der Urkundenfälschung als vertretbar und “nicht neben der Sache” verteidigte, machte den Fall nicht weniger skandalös. Das Angebot, das Verfahren gegen ein 300-Euro-Bußgeld einzustellen, wollte Probst nicht annehmen. “Das wäre ein Eingeständnis gewesen”, sagt sie.
Auch mit der Einstellung ist die Journalistin nicht zufrieden, weil der Anfangsverdacht der Urkundenfälschung besteht. Zugleich hat sie Strafanzeige gegen JVA-Chef Wachter wegen Verstoßes gegen das Briefgeheimnis gestellt. Briefe dürften nur nach richterlichem Beschluss geöffnet werden, sagt sie. Und bis heute sei der Verbleib des Briefes dem Häftling nicht mitgeteilt worden. Außerdem habe er seinen Job bei der Gefangenen-Zeitung verloren.
Probst steht seit Jahren mit JVA-Insassen in Kontakt, die sich über die Verhältnisse in den Justizvollzugsanstalten beklagen — oftmals anonym. Probst ist in den Gefängnissen durchaus bekannt und auch gefürchtet. Der Job als “JVA-Kummerkasten” brachte Probst unter Häftlingen bereits den Beinamen “Heilige Gabi” ein. Gerade hat sie wieder einen Besuchsantrag für die JVA Brandenburg gestellt.
Im Fall der prügelnden Wächter kritisierte Probst auch die Staatsanwaltschaft als untätig. Zudem berichtete sie über Verwicklungen von Staatsanwalt Grünebaum in die Brandenburger Trennungsgeldaffäre. Die Anklage empfand sie deshalb als Retourkutsche. Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg erkannte die Brisanz dieser Entwicklung, machte den Fall zur Chefsache und forderte einen Bericht der Staatsanwaltschaft Potsdam an. Beobachter sind sich sicher: Die Einstellung bedeutet für die Staatsanwaltschaft eine klare Niederlage.