Die heutige Produktivität und das, was der Kapitalismus daraus mache, schreie nach einer sozialistischen Perspektive, meinte Lutz Boede (WASG), der jüngste unter den Teilnehmern einer Podiumsdiskussion am Dienstag im Potsdamer Alten Rathaus. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg hatte zum dritten Termin einer Veranstaltungsreihe eingeladen, mit der sie den Vereinigungsprozeß von WASG und Linkspartei.PDS begleitet. Thema diesmal: »Der Charakter des bürgerlichen Staates und des Sozialstaates«. Neben Boede beteiligten sich Brigitte Müller, Landesvorsitzende der DKP Brandenburg, und Linkspartei-PDS-Vorsitzender Lothar Bisky an der Diskussion. Das Interesse war groß, die 80 vorhandenen Stühle reichten nicht für alle Besucher.
Die Debatte war weitgespannt, führte aber letztlich wie bei den vorangegangenen Diskussionen der Reihe zu dem Punkt, den Boede ansprach: Welchen Sinn haben diese oder jene Basteleien an sozialpolitischen Regelungen, wenn das System die Katastrophe ist? Besonders akzentuiert hatte Brigitte Müller erklärt: Die Sozialpolitik Bismarcks war nach seinen eigenen Worten vor allem ein Instrument, die Arbeiter »kriegswillig« zu machen. Die Bundesrepublik sei unter Zwängen wie dem Gegenüber in Gestalt des realen Sozialismus »sozial geworden«. Der Sozialstaat sei ein Kampfbegriff, der einen »netten Kapitalismus« vorspiegele. Nun forme der »Finanzadel« die Gesellschaft nach seinem Bilde, d. h. der Staatszweck sei Krieg.
Er wäre ja froh, wenn »wir wenigstens etwas an der Umverteilung ändern könnten«, hatte Lothar Bisky bereits Lutz Boede entgegengehalten. Konkret bemühe sich die Linksfraktion im Bundestag, die Rücknahme von Hartz IV zu erreichen, und wenn das nicht gehe, entscheidende Punkte zu ändern. Der Sozialstaat sei in großer Gefahr und die Linke gezwungen, ihn zu verteidigen. Was die Agenda 2010 nehme, könne anders umverteilt werden. Es gehe um vernünftige Besteuerung und darum, neoliberale Legenden zu widerlegen, etwa die vom Billiglohn als Allheilmittel oder die vom »schlanken Staat«. Bisky erklärte, er halte an seiner Bezeichnung für die SPD als »CDU light« fest und sehe derzeit auf Bundesebene keine Chance für eine Zusammenarbeit.
Lutz Boede wandte sich dagegen, einfach nur klassische Erwerbsarbeit für alle zu fordern oder generell die Rückkehr zum einst Vorhandenen. Er wolle nicht mehr so arbeiten wie seine Großeltern, weil das nicht nötig sei. Hinzu komme: Warum wurde der bundesdeutsche Sozialstaat fast widerstandslos abgewickelt? Ohne sozialistische Perspektive könne die Linke keine Antworten auf heute geben.
Konsens der in Potsdam Beteiligten blieb: Zunächst geht es darum, der Linken Stabilität zu verleihen.
* Die nächste Veranstaltung der Reihe findet am Dienstag, dem 18. April, um 18 Uhr im Alten Rathaus von Potsdam statt. Thema: Parlament und linke Parteien