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Keine Fußfessel für Schönbohm

(MAZ, Robert Rudolf) INNENSTADT Bis in das Büro Jörg Schön­bohms, wo sie den Innen­min­is­ter fes­seln woll­ten, sind sie nicht gelangt. Durch die offen ste­hende Ein­gangstür erre­icht­en die elf protestieren­den Mit­glieder und Sym­pa­thiesan­ten von Jungdemokraten/Junge Linke Bran­den­burg immer­hin den Flur des Min­is­ters. Sie demon­stri­erten gestern mit der Aktion gegen die vom Min­is­teri­um bestätigte Prax­is, Insassen “der Abschiebe­haf­tanstalt Eisen­hüt­ten­stadt durch Fes­selung ruhig zu stellen.” Schön­bohm war außer Haus. 

Auf einem Trans­par­ent forderten die jun­gen Leute die Abschaf­fung der “Beruhi­gungszelle”. Um den Hals hat­ten sie sich Schilder gehängt, auf denen die Dauer der Fix­ierung notiert war. Einige waren mit auf dem Rück­en gebun­de­nen Hän­den erschienen. 

Das Land hat­te auf eine Anfrage des PDS-Abge­ord­neten Ste­fan Sar­rach erk­lärt, dass zwis­chen März 2001 bis Jan­u­ar 2004 19 Häftlinge mit Hand‑, Fußfes­sel und Bauchgurt in der Anstalt in Eisen­hüt­ten­stadt fix­iert wor­den seien, durch­schnit­tlich vier Stun­den lang. In einem Fall sei eine Fes­selung über mehrere Tage fast 42 Stun­den notwendig gewe­sen, so das Innen­min­is­teri­um. In den so genan­nten Ruhig­stel­lungsraum wür­den Häftlinge gebracht, wenn sie andere Insassen oder Per­son­al angrif­f­en, ran­dalierten oder ver­sucht­en, sich umzubrin­gen. Vertreter des Min­is­teri­ums beton­ten den Aus­nah­mecharak­ter der Maß­nahme, Ein­griffe in die Men­schen­rechte lägen nicht vor (MAZ berichtete). 

Der Sprech­er der Protes­tak­tion Ste­fan Gerb­ing nan­nte es hinge­gen nicht hin­nehm­bar, dass Häftlinge in ein­er solchen Form behan­delt wer­den. In ein­er Pres­se­in­for­ma­tion erk­lärten die Protestier­er, das einzige Verge­hen von Men­schen in Abschiebe­haft sei ein abgelehn­ter Asy­lantrag oder der uner­laubte Aufen­thalt ohne gültige Papiere. Dafür hät­ten diese Men­schen auch in Haft Anspruch auf eine men­schen­würdi­ge Behand­lung. Robert Claus vom Anti­ras­sis­tis­chen Bünd­nis forderte in sein­er Rede die Ent­las­sung der Häftlinge aus der Anstalt in Eisen­hüt­ten­stadt. Dass diese unter dem hohen psy­chis­chen Druck und “fast ohne Kon­takt nach außen” zuweilen die Ner­ven ver­lieren kön­nten, sei nor­mal, so Claus. Viele dieser Häftlinge warteten auf eine mehr als unsichere Zukunft. 

Die Protes­tak­tion im Innen­min­is­teri­um wurde nach etwa zehn Minuten von Polizeibeamten aufgelöst. 

Asyl ablehnen, anbinden, abschieben

Im Innen­min­is­teri­um protestierten Junge Linke wegen der Zustände in Eisenhüttenstadt

(ND, Andreas Fritsche) Ins­ge­samt 41 Stun­den und 40 Minuten sind Aus­län­der in der Abschiebehaft
Eisen­hüt­ten­stadt von März 2001 bis Jan­u­ar 2004 gefes­selt wor­den. Das geht aus
ein­er kleinen Anfrage des PDS-Land­tagsab­ge­ord­neten Ste­fan Sar­rach vom 16. März
hervor.
Gegen diese Zustände protestierten gestern die JungdemokratInnen/Junge Linke im
Pots­damer Innen­min­is­teri­um. Auf Trans­par­enten forderten die Aktivis­ten die
Abschaf­fung der so genan­nten Beruhi­gungszellen in Eisen­hüt­ten­stadt. Die Polizei
notierte sich die Per­son­alien der Demon­stran­ten und erteilte Platzverweis.
Jet­zt wird wegen Ver­dachts auf Haus­friedens­bruch und Ver­stoßes gegen das
Ver­samm­lungsrecht ermittelt. 

Zwei »Ruhig­stel­lungsräume« gibt es im seit August 1999 genutzten Neubau der
Abschiebe­haft. Das ergibt sich aus der Antwort von Innen­min­is­ter Jörg Schönbohm
(CDU) auf Sar­rachs Anfrage. Für einen der Räume plante das Landesbauamt
Frank­furt (Oder) met­al­lene Bügelschlöss­er. Wegen Ver­let­zungs­ge­fahr sei dieses
Sys­tem durch Gurt­fes­seln aus­ge­tauscht worden.

29 Stun­den und 25 Minuten ist ein 1968 geboren­er Mann am 16. und 17. März 2001
an den Füßen gefes­selt gewe­sen. Eine 1979 geborene Frau lag am 11. und 12.
Okto­ber 2003 acht Stun­den und fünf Minuten kom­plett an Hän­den, Füßen und Bauch
gefesselt.
Als Grund für solche Maß­nah­men nen­nt der Innen­min­is­ter Angriffe aufs Personal
oder auf andere Insassen, Sachbeschädi­gun­gen, Selb­stver­let­zun­gen bzw.
Selb­st­mord­ver­suche und die »vorsät­zliche Ver­schmutzung der Zellen mit Unrat und
Exkre­menten«. Im Abschiebek­nast wer­den Men­schen in psy­chis­chen Notsituationen
nicht behan­delt, son­dern mit extremen Mit­teln ruhig gestellt, moniert Olaf
Löh­mer vom Flüchtlingsrat Brandenburg. 

Außer­dem ver­weist Löh­mer darauf, dass Schwan­gere »niemals« in eine Abschiebehaft
gehören. Schön­bohm berichtete von acht bekan­nt gewor­de­nen Schwangerschaften
seit 2000. Der Flüchtlingsrat erin­nert daran, dass 2003 eine schwangere
Viet­namesin »ihr Kind während der Haft ver­loren hat und wenige Tage später
abgeschoben wurde«.
Der CDU-Abge­ord­nete Sven Petke lässt sich von der Kri­tik nicht beeindrucken.
»Wir brauchen sowohl das Mit­tel der Abschiebe­haft als auch des körperlichen
Zwangs, um das Aus­län­derge­setz umzusetzen.« 

»Die Abschiebe­haft gehört abgeschafft«

Asyl- und flüchtlingspoli­tis­che Sprecherin der PDS-Frak­tion über Besuch vor Ort 

Die Lehrerin für Rus­sisch und Geschichte sitzt seit 1999 im Landtag.

ND: Flüchtlingsrat Bran­den­burg kri­tisiert die Zustände in der
Abschiebe­haf­tanstalt Eisen­hüt­ten­stadt. Sie haben die Anstalt im März besucht.
Was geht da vor sich? 

Wolff-Molor­ci­uc: Ich war mit meinem Par­la­mentskol­le­gen Ste­fan Sar­rach dort. Die
Beschäftigten macht­en den Ein­druck, selb­st zu wis­sen, in welch schlimmer
Sit­u­a­tion sich die Häftlinge befind­en. Eine unzuläs­sige Hand­lung gegenüber den
Insassen der Anstalt kon­nten wir an diesem Tag nicht beobacht­en. Unser Besuch
war angemeldet. Die ganze Anlage mit Stachel­draht drum herum wirkt natürlich
bedrückend. 

Haben Sie die so genan­nte Beruhi­gungszelle besichtigt? 

Ja. Es liegt eine Mat­te auf der Erde, Arme und Beine wer­den vom Körper
weggestreckt gefes­selt. Auch unbe­nutzt schock­iert der Anblick dieser Zelle. Zur
Vertei­di­gung des Per­son­als darf man immer­hin sagen, dass es den Beschäftigten
offen­bar nicht angenehm ist, da jeman­den zu fix­ieren. Es wurde gesagt, das
diene der Sicher­heit der Häftlinge. 

Was hal­ten Sie von der Abschiebehaft? 

Men­schen kom­men hier in eine Sit­u­a­tion, in die sie nur kom­men, weil sie
Aus­län­der sind. Das ver­stößt gegen den Gle­ich­heits­grund­satz des Grundgesetzes.
Die Abschiebe­haft gehört abgeschafft.

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