Redebeitrag der Soligruppe Frankfurt (Oder) zur Knastkundgebung am 20.11. in Duben
Seid gegrüßt.
Als wir das letze Mal hier an dieser Stelle standen, am 20.August diesen
Jahres, befanden wir uns auf der Rückreise von den Gegenaktivitäten zum
Hess-Marsch in Berlin. Auf der Fahrt nach Dresden hatten sich unsere
beiden Busse entschlossen Julia und der JVA einen kurzen
Überraschungsbesuch abzustatten. Nicht nur, um ihr Mut durch die Mauer zu
schicken und zu zeigen, dass sie nicht allein steht. Sondern auch um unter
den mitreisenden Antifas auf ihre Situation aufmerksam zu machen und den
Blick dafür zu schärfen, wie wichtig und aktuell die Auseinandersetzung
mit Knastarbeit in den Gruppen ist. Denn spätestens Potsdam zeigt uns
jetzt ganz deutlich wie schnell es gehen kann, wenn zuständige
RichterInnen und StaatsanwältInnen nur gewillt sind.
Auch in Frankfurt (Oder) behandelten wir das Thema staatliche Repression
lange Zeit eher auf dem Abstellgleis. Spätestens mit dem Versuch des
Brandenburger LKA, seit einigen Monaten ein 129a-Verfahren gegen
AntifaschistInnen unserer Stadt zu eröffnen wurden aber auch wir von der
Notwendigkeit einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem skandalösen
Treiben der Behörden eingeholt.
Seit ca. 2 Jahren sieht sich die antifaschistische Linke unserer Stadt
einem hohen Repressionsdruck ausgesetzt der jetzt mit dem erfolgreichen
Anwerben eines/r InformantIn und dem Ziel, ein 129a-Verfahren einzuleiten,
seinen vorläufigen Höhepunkt fand.
Offenbar ist die in den letzten Jahren wieder selbstbewusster agierende
Szene Frankfurts den Behörden ein Dorn im Auge. Eine lokale Kampagne
engagierte sich gegen den Verkauf neonazistischer Literatur,
antirassistische Gruppen organisieren Aktionen gegen Abschiebungen und das
menschenverachtende Gutscheinsystem für Flüchtlinge. Andere stören
erfolgreich Werberveranstaltungen der Bundeswehr sowie ein Gelöbnis in
Frankfurt Oder. Die Dominanz von Nazis in der Öffentlichkeit wird nicht
mehr hingenommen und ihr vielfältige Aktionen entgegengesetzt. Zudem
sehen sich Behörden und Nazis mit einer Vielzahl direkter Aktionen
konfrontiert. So landeten vor der Tür des Pressesprechers der Stadt, der
die Bundeswehr-Ausstellung „Das Heer“ begrüßt hatte, Fäkalien.
Zeitungsläden die neofaschistische Publikationen vertrieben wurden
entglast, zwei REWE-Filialen widerfuhr selbiges Aufgrund von Abschiebungen
die ihr Tochterunternehmen LTU im Auftrag der Bundesrepublik durchführt.
Die örtliche Ausländerbehörde musste nach einem Angriff zwangspausieren
und NPD-Kader traten den Heimweg nach einer Saalveranstaltung ohne ihre
Autos an, während ihr Wirt sich neue Scheiben zulegen musste.
Als zur Räumung eines besetzten Hauses im Sommer diesen Jahres u.a. das
schwerbewaffnete Brandenburger SEK anrollt um 10 Jugendliche in Gewahrsam
zu nehmen wurde die Linie der Behörden klar: größtmöglicher
Repressionsdruck und Einschüchterung als Mittel gegen eine an
Selbstbewusstsein gewinnende Szene. Allein gegen eine Person wurden
bisher ohne konkrete Hinweise ca. 30 Ermittlungsverfahren eingeleitet, die
Wohnung widerrechtlich durchsucht und gewaltsam und ebenso widerrechtlich
DNA abgenommen. Anderen wird versucht DNA wegen einem Eingriff in den
Straßenverkehr abzunehmen, obwohl den Behörden nichtmal Vergleichsmaterial
vorliegt. Die Ermittlungswut scheint keine Grenzen zu kennen, so dass der
Staatsschutz seinen Zuständigkeitsbereich auch schon mal auf
Ermittlungsverfahren wegen Ladendiebstahl ausweitet, wenn das Klientel
passt, und die Rechtsanwältin, die bei der Räumung des besetzten Hauses
anwesend war, mit Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruch,
Sachbeschädigung, Entziehung elektrischer Energie und Diebstahl von Wasser
in besonders schwerem Fall überzieht. Parallel dazu werden vermeintlich
Szenezugehörige und deren Angehörige mit Bergen von Vorladungen überzogen.
All dies brachte die Ermittler zunächst keinen Schritt weiter. Ganz im
Gegenteil. Eine Abmahnung nach der anderen wegen rechtswidrigem Vorgehen
flatterte ihnen ins Haus und der Großteil der Verfahren musste nach
Intervention einer Rechtsanwältin eingestellt werden weil es keinerlei
Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung gab. Auf den immensen Anwaltskosten
blieben die Beschuldigten jedoch sitzen. Als dann im Brandenburger
Landtagswahlkampf das Wahlkampfmobil des Brandenburger
Wirtschaftsministers vor seinem Haus in Frankfurt in Flammen aufging
übernimmt das LKA die Ermittlungen. Aufgrund unbelegbarer Vermutungen
ermittelt die Behörde jetzt gegen mindestens fünf Antifaschisten wegen
Brandstiftung, ohne es jedoch für nötig zu erachten diese darüber zu
informieren. Stattdessen werden Freunde, Verwandte und ehemalige
Kontaktpersonen befragt und die Beschuldigten mit hohem Aufwand observiert
und so unter Druck gesetzt. Obwohl die Konstruktion des LKA auf
Vermutungen basiert wurde die Bundesanwaltschaft hinzugezogen um ein
129a-Verfahren gegen die Beschuldigten zu eröffnen, lehnte dies zunächst
jedoch ab. Seit dem landen die Akten jedoch ständig auf dem Tisch der BAW
um bei Gelegenheit doch noch zuzuschlagen.
Im Zuge der Akteneinsicht, kam außerdem zu Tage, dass das LKA einen
InformatInn in der linken Szene Frankfurts hatte bzw. bis heute unterhält.
Dies zeigt einmal mehr, dass die Behörden keinen wirklichen Plan haben und
auf biegen und brechen die Legitimation für die Anwendung des Paragraph
129a suchen. Denn bisher scheinen ihre Ermittlungen nicht viel herzugeben.
Nicht anderes ist zu erklären das sich die BeamtInnen über zahlreiche
rechtstaatlichen Prinzipien hinwegsetzten, um die AntifaschistInnen in
Franfurt unter Druck zu setzten und deren Arbeit zu deligitimieren. Eine
Unschuldsvermutung scheinen sie nicht zu kennen.
Frankfurt ist jedoch leider kein Einzelfall. Insbesondere im Osten der
Bundesrepublik wird derzeit eifrig gegen Antifas und Linke ermittelt.
Hingewiesen sei hier insbesondere auf die Durchsuchungen linker Projekte
in Berlin, die Verhaftung Christians durch Zivilfahnder das Berliner LKA
in Dresden nach einem angeblichen Flaschenwurf und die anhaltenden
Ermittlungen der BAW gegen Personen aus dem »Autonomen Zusammenschlusses
Magdeburg«, bei denen die Staatsanwaltschaft jetzt wieder eine
Verurteilung nach Paragraf 129a fordert. Der bisher erfolgreiche Versuch,
Potsdamer AntifaschistInnen nach einer Auseinandersetzung mit Nazis einen
Mordversuch anzuhängen und Julia nach wie vor im Knast festzuhalten, setzt
dem ganzen noch die Krone auf.
Um ihr Kalkül scheitern zu lassen, die Linke in all diesen Fällen mit
hohen Anwalts- und Gerichtskosten mundtod zu machen und mit überzogenen
Vorwürfen zu isolieren, braucht es eine klare Antwort die nicht allein
Aufgabe des Umfeldes der Betroffenen sein kann.
Solidarität ist immer noch eine der stärksten Waffen gegen staatliche
Repression. Lasst uns in diesem Sinne gemeinsam kämpfen. Denn zusammen
gehört uns die Zukunft.