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Keine Rückübertragung

POTSDAM. Seit Jahren ist unklar, wem der gesamte nord­west­liche Teil der Gemeinde Klein­mach­now eigentlich gehört. Am Don­ner­stag urteilte nun das Ver­wal­tungs­gericht Pots­dam, dass die unmit­tel­baren Erben der ein­sti­gen Grund­stück­skäufer ihre Immo­bilien behal­ten dür­fen. Die Richter beze­ich­neten näm­lich die eigentlichen Grund­stück­skäufe während der NS-Zeit als “nicht sit­ten­widrig”. Im konkreten Fall ging es um das Rei­hen­haus An der Stamm­bahn 139 gle­ich hin­ter der Berlin­er Stadt­gren­ze. Das Urteil dürfte aber nach Angaben des Bun­desver­mö­gen­samtes für etwa 600 Grund­stücke in Klein­mach­now gel­ten. Der unter­legene Kläger Chris­t­ian Mey­er, von der Jew­ish Claims Con­fer­ence (JCC) legit­imiert, kündigte indes eine Klage vor dem Bun­desver­wal­tungs­gericht an. “Wenn nötig gehe ich durch alle Instanzen, bis zum Europäis­chen Gericht­shof für Men­schen­rechte”, sagte Mey­er der Berlin­er Zeitung.

Der Gerichtsstre­it ist heute der größte ver­mö­gen­srechtliche Fall in Deutsch­land. Denn die Grund­stücke mit ihren spitzgiebe­li­gen Häusern gehörten einst ein­er Sied­lungs­ge­sellschaft, an der der jüdis­che Unternehmer Adolf Som­mer­feld zu 80 Prozent beteiligt war. Som­mer­feld flüchtete nach einem Über­fall auf sein Haus im April 1933 vor den Nazis ins Aus­land. Sein Unternehmen wurde von dem SS-Mann Wal­ter Schwier­ing über­nom­men, also “arisiert”. Erst nach der “Arisierung” aber wurde der Großteil der Grund­stücke verkauft, meist jedoch zu den üblichen Kon­di­tio­nen. Nach der Wende erhoben zunächst JCC und die Som­mer­feld-Erben in den USA Rück­über­tra­gungsansprüche. Als die Rechtsstre­it­igkeit­en daraufhin ausufer­ten, übertru­gen Erben und JCC Mitte der 90er-Jahre ihre Ansprüche an den Berlin­er Immo­bilienun­ternehmer Mey­er. Der frühere West-Berlin­er Marx­is­mus-Forsch­er ist selb­st kein Jude und auch nicht mit Som­mer­feld ver­wandt. Seit 1997 klagt Mey­er auf Rück­über­tra­gung, bot den heuti­gen Grund­stück­seign­ern aber gle­ichzeit­ig außerg­erichtliche Eini­gun­gen an: Nach seinen Angaben haben sich bish­er etwa 100 Klein­mach­now­er mit ihm “geeinigt” — sie über­wiesen ihm einen fün­f­stel­li­gen Betrag.

Richter Wil­fried Hamm ver­wies nun in der Urteils­be­grün­dung darauf, dass bei den nicht sit­ten­widri­gen Immo­biliengeschäften nach 1933 “kein Ker­nanspruch auf Wiedergut­machung” beste­he. Hier­bei berief er sich auf einen Pas­sus, der erst 1997 auf Bestreben Bran­den­burgs ins Bun­desver­mö­gens­ge­setz aufgenomme­nen wor­den war — auch Lex Klein­mach­now genan­nt. Dem­nach ste­hen diejeni­gen Erwer­ber und deren Erben unter Schutz, die — wie im Fall Som­mer­feld — ihre Immo­biliengeschäfte mit Sied­lungs­ge­sellschaften abgeschlossen haben. Zwar deutete Richter Hamm auch im konkreten Klein­mach­now­er Fall ver­fas­sungsrechtliche Bedenken an, ander­er­seits aber sei das nun mal gel­tende Rechtslage.

Doch der Stre­it­fall Som­mer­feld-Sied­lung ist noch kom­plex­er, ins­ge­samt sind noch 800 Fälle vor Gericht anhängig. In ein­er zweit­en Ver­hand­lung am Don­ner­stag urteil­ten die Richter, dass die Gemeinde Klein­mach­now als Eigen­tümerin von min­destens fünf ein­sti­gen Som­mer­feld-Grund­stück­en diesen Siedler­schutz nicht genießt. Der Verkauf­ser­lös des Ein­fam­i­lien­grund­stücks Fran­zosen­ficht­en 15 geht somit an Mey­er, nicht an die Gemeinde. Und noch einen drit­ten Som­mer­feld-Fall entsch­ieden die Richter: Die zwei Grund­stücke Stein­weg 39 hat­te der SS-Mann Schwier­ing, der das Unternehmen arisiert hat­te, für sich selb­st gekauft. Zu äußerst gün­sti­gen, unüblichen Kon­di­tio­nen. Die Richter stell­ten fest, dass in diesem Fall die Schutzbes­tim­mung nicht greifen kann, weil das Geschäft nicht redlich war.

Die Richter rech­nen damit, dass die Rechtsstre­it­igkeit­en erst in einem Jahr abschließend gek­lärt sein wer­den. “Und dann müssen wir die einzel­nen Fälle erst den ver­schiede­nen Fall­grup­pen zuord­nen”, sagte Gerichtssprech­er Jes Möller.

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