Am 13.12.2000 beschloss der Landtag Brandenburg u.a. die Einführung der polizeilichen Videoüberwachung öffentlicher Plätze als neue Befugnis der Landespolizei. Inzwischen wurden in Erkner und Rathenow bereits die ersten Kameras geschaltet. Ab 21.Dezember 2001 soll auch der Potsdamer Hauptbahnhof videoüberwacht werden.
Begründet wird dies damit, dass der Potsdamer Hauptbahnhof ein Kriminalitätsschwerpunkt und die Videoüberwachung ein geeignetes Mittel zur präventiven Bekämpfung von Straftaten sei.
Nichts davon entspricht den Tatsachen:
Kriminalitätsschwerpunkt Potsdamer Hauptbahnhof?
Im polizeilichen Konzept zur Videoüberwachung führt die Polizei insgesamt 499 Straftaten an, die in den vergangenen zwei Jahren rund um den Bahnhof registriert wurden. Das entspricht einer Quote von 0,6835616 Straftaten pro Tag oder auf die täglich den Bahnhof nutzenden Personen berechnet von 0,0014 %.
Wenn der Potsdamer Hauptbahnhof mit dieser Quote zum Kriminalitätsschwerpunkt erklärt wird, müßte Potsdam praktisch flächendeckend videoüberwacht werden.
Der überwiegende Anteil der Straftaten am Hauptbahnhof sind keine schweren Straftaten sondern Beschädigungen und Diebstähle an Autos (213) und Fahrrädern (105). Auch die Sicherheit für Leib und Leben von Personen rechtfertigt also die Videoüberwachung nicht.
Weiterhin argumentiert die Polizei noch mit Aktionen der Kampagne gegen Wehrpflicht gegen die Einberufungen von Soldaten und der Anreise von Fußballfans zu den Spielen des SV Babelsberg 03 in der 2. Bundesliga. Allerdings gibt es seit Jahren keine Gruppenfahrten von Soldaten zu festen Einberufungsterminen mehr und also auch keine entsprechenden Protestaktionen. Fußballfans reisen meist über Berlin an und nutzen den S‑Bahnhof Babelsberg statt des Hauptbahnhofes.
Eigentlich sind diese Fakten bekannt. Trotzdem hat das Polizeipräsidium Potsdam den Hauptbahnhof ohne Rücksicht auf polizeiliche Erfahrungen und eigene Statistiken zum Kriminalitätsschwerpunkt erklärt. Nach Einführung der Videoüberwachung forderte der Innenminister die Polizeipräsidien auf, geeignete Standorte für die Videoüberwachung zu benennen. Offenbar hat der Potsdamer Polizeipräsident keinen geeigneten Ort für die Videoüberwachung gefunden und den Potsdamer Hauptbahnhof deshalb zum Kriminalitätsschwerpunkt deklariert, um den Auftrag des Innenministers erfüllen zu können.
Videoüberwachung: ein geeignetes Mittel?
Die Videoüberwachung ist als präventives Mittel zur Bekämpfung von Straftaten nicht geeignet. Möglicherweise werden einige Delikte in Randbezirke verdrängt.
Das ist abzulehnen. Die Präsenz von Straftaten in städtischen Ballungszentren erzeugt einen Druck zur Bekämpfung gesellschaftlicher Ursachen von Kriminalität. Die Möglichkeit der Verdrängung von Problemen in Randbereiche wird dazu führen, dass weniger auf langfristige Bekämpfung sozialer Ursachen von Kriminalität, als auf repressive Mittel zurückgegriffen wird.
Auch der Abschreckungseffekt der Videoüberwachung ist sehr fraglich. Selbst das Konzept der Polizei, das die Straftaten für verschiedene Zeiträume nach Innen- und Außenbereich aufschlüsselt, enthält nur einen einzigen Zeitraum, in dem im Bahnhof selbst weniger Straftaten als in den Außenbereichen festgestellt wurden. Insgesamt wurden ca. 2/3 der registrierten Straftaten in dem bereits jetzt videoüberwachten Innenbereich des Bahnhofs begangen. Dies lässt den praktischen Sinn der Videoüberwachung schon jetzt sehr fraglich erscheinen.
Selbst die Gewerkschaft der Polizei, die bislang jede Gesetzesverschärfung begrüßte, hält die Videoüberwachung für völlig ungeeignet, um Straftaten zu bekämpfen. Bereits nach wenigen Wochen Videoüberwachung in Erkner kritisierte der GdP-Landesvorsitzende Andreas Schuster, dass die Kriminalität in die Nebenstraßen verlagert wurde und die Polizisten in der Zentrale vor Monitoren sitzen und Straftaten beobachten, als sie durch Präsenz vor Ort zu verhindern.
Die Alternativen zur Videoüberwachung in Potsdam
Das polizeiliche Konzept zählt eine Reihe von Begleitmaßnahmen auf, die mit dem Start der Videoüberwachung umgesetzt werden sollen. Dazu zählen z.B. Umsetzung des Jugendschutzgesetzes, Sicherheitspartnerschaften, eine bessere Beleuchtung der Wege und Parkplätze und die Schaffung von Anschließmöglichkeiten für Fahrräder und Telefonstandorten.
Wenn die Polizei tatsächlich davon ausgeht, dass diese Maßnahmen zur Bekämpfung von Straftaten dienen können, ist es erstaunlich, dass sie erst mit der Videoüberwachung durchgeführt werden sollen. Offenbar will die Polizei erreichen, dass eventuelle Erfolge der Begleitmaßnahmen statistisch der Videoüberwachung zugerechnet werden. Das ist eine Täuschung der Öffentlichkeit.
Die Volksinitiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei schlägt zur Bekämpfung der Straftaten am Potsdamer Hauptbahnhof vor:
· Einrichtung eines bewachten PkW-Parkplatzes
· Schaffung zusätzlicher Anschließmöglichkeiten für Fahrräder an allen Bahnhofszugängen
· Herstellung einer hinreichenden Beleuchtung
· Aufstellen von Telefonzellen an allen Bahnhofszugängen
Mit diesen Maßnahmen können die häufigsten Deliktgruppen effektiv bekämpft werden, ohne dass die Grund- und Bürgerrechte unnötig ausgehöhlt werden.
Die Volksinitiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei lehnt die Videoüberwachung generell ab. Sie ist ein tiefer Eingriff in die Individualgrundrechte, der durch keine sinnvolle Zielsetzung gedeckt ist. Insbesondere dreht sie das Rechtsstaatsprinzip der Unschuldsvermutung um und stellt die Bevölkerung unter einen Generalverdacht.
Mit der Videoüberwachung verfolgt Innenminister Schönbohm nicht das Ziel, Kriminalität zu bekämpfen. Videoüberwachung ist lediglich ein Akt symbolischer Politik, der der konservativen Wählerklientel der CDU signalisieren soll, dass diese Partei hinter der Polizei steht. Nebenbei dient die Videoüberwachung noch der Bespitzelung und Verdrängung unerwünschter Personengruppen aus bestimmten Stadtbereichen und bestimmter Formen der Kriminalität in andere Stadtteile.
Volksinitiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei
Lindenstraße 53
14467 Potsdam
Tel. (0331) 280 50 83
Fax: (0331) 270 87 28
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