(BM, M. Lukaschewitsch) Potsdam — Am ersten Tag des Prozesses wegen versuchten Mordes an einem
kenianischen Asylbewerber in Brandenburg/Havel hat der Angeklagte — zur
Tatzeit Oberfeldwebel bei der Bundeswehr — angegeben, daß er sich “an nichts
mehr erinnern” könne. Thorsten Z. (26) sagte vor dem Landgericht Potsdam, er
sei zur Tatzeit “extrem alkoholisiert” gewesen.
Z. soll den 30jährigen Kenianer Oskar Mw. am frühen Morgen des 18. Juli 2004
an einer Haltestelle unweit einer Diskothek mit einer abgebrochenen
Bierflasche neben die Halsschlagader gestochen haben. “Er wollte mich
töten”, sagte gestern das Opfer.
Das sieht auch Staatsanwalt Peter Petersen so: “Der Angeklagte nahm den Tod
des Mannes in Kauf.”
Mitangeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung ist der Maurer Andreas R.
Der 30jährige gab zu, dem Asylbewerber “eine kräftige Ohrfeige” verpaßt zu
haben. Er habe sich provoziert gefühlt von Oskar Mw., als alle gemeinsam am
frühen Morgen die Diskothek verließen; der habe ihn “ausgelacht”. Mw. und
ein weiterer Afrikaner gingen weiter bis zu der etwa 50 Meter entfernten
Bushaltestelle. Dort fielen die beiden Angeklagten über ihn her, schilderte
das Opfer gestern den Überfall.
Einen zweiten, vermutlich tödlichen Stich in den Hals des Schwerverletzten
verhinderten zwei couragierte Frauen, die auf der anderen Straßenseite auf
den Bus gewartet hatten. Als Thorsten Z. erneut auf das stark blutende Opfer
einstechen wollte, drängten sie ihn zurück.
Beide Angeklagten stritten eine fremdenfeindliche Gesinnung ab. Vor dem
Angriff schrieen sie jedoch: “Geh zurück in dein Land, du Schlampe.”
Bundeswehrsoldat wegen versuchten Mordes vor Gericht
26-Jähriger soll einen Asylbewerber niedergestochen haben
(Berliner Zeitung, Jens Blankennagel) POTSDAM. Am Dienstag hat im Landgericht Potsdam der Prozess gegen den
26-jährigen Oberfeldwebel Torsten Z. begonnen. Die Anklage wirft ihm und
seinem Kumpan Andreas R. vor, zwei kenianische Asylbewerber am 18. Juli in
Brandenburg/Havel angegriffen zu haben. Das Motiv: Ausländerfeindlichkeit.
Die Anklage spricht von versuchtem Mord. Torsten Z. soll den 28-jährigen
Kenianer Oscar M. mit einer abgebrochenen Flasche in den Hals gestochen
haben. Staatsanwalt Peter Petersen sagte, die Wunde war sechs Zentimeter
lang, drei Zentimeter tief und “potenziell lebensgefährlich”. Torsten Z.
ließ erst von seinem Opfer ab, als zwei Frauen eingriffen, von denen eine
Soldatin war. Sie schrie Torsten Z. an: “Hör auf. Er ist schon verletzt.”
Torsten Z. sagte zum Vorwurf des versuchten Mordes: “Ich weiß nichts mehr.”
Er sei in der Diskothek “Piephahn” gewesen, habe erheblich Alkohol
getrunken, könne sich aber nur an einen Tumult vor der Tür erinnern und
daran, eine Glasscherbe aufgehoben zu haben. Laut Anklage wollten die
Kenianer am Morgen die Disko verlassen und wurden an der Tür beschimpft. Sie
liefen dann zur Bushaltestelle. Die Angeklagten sollen sinngemäß gerufen
haben: “Euch geht es wohl zu gut.” Dann erfolgte der lebensbedrohliche
Angriff.
Andreas R., wegen Körperverletzung und Beleidigung angeklagt, legte ein
Teilgeständnis ab. Er gab zu, das Opfer geschlagen zu haben. Von dem Stich
mit der Flasche hat er angeblich nichts mitbekommen. Er habe sich vor der
Disko von dem Gesichtsausdruck des Kenianers provoziert gefühlt. Zudem
räumte er Ressentiments gegen Ausländer ein. Sie würden gut gekleidet sein
und könnten sich mit Geld vom Sozialamt mehrere Telefonkarten kaufen. Ihm
seien kurz vor der Tat die Tränen gekommen, als er an seine eigene
Sozialhilfezeit gedacht habe.
“Dieser Vorfall zeigt den ganz alltäglichen Rassismus”, sagte Olga Schell
vom Verein Opferperspektive, der die Angegriffenen betreut. Das
Disziplinarverfahren der Bundeswehr gegen Torsten Z., der derzeit in
Untersuchungshaft sitzt, ruht bis zum Urteil am 8. Februar. “Eine Entlassung
erfolgt, wenn er zu mehr als einem Jahr Haft verurteilt wird”, sagte ein
Sprecher der Bundeswehr.
“Du sollst sterben”
Gericht verhandelt überraschenden Angriff eines Soldaten auf Kenianer
(MAZ, Frank Schauka) POTSDAM Nichts hatte am Wochenende des 17./18. Juli 2004 darauf hingedeutet,
dass der 26-jährige Familienvater und Vorzeige-Zeitsoldat Torsten Z. nach
einem Diskobesuch in Brandenburg/Havel kurz nach fünf Uhr eine Bierflasche
zerschlagen und die rasierklingenscharfen Scherben dem 30 Jahre alten
Kenianer Oscar M., der auf die Frühstraßenbahn wartete, in den Hals rammen
würde. Wegen dieses mutmaßlichen Mordversuchs, der nach Auffassung der
Staatsanwaltschaft Potsdam fremdenfeindlich motiviert war, muss sich der
gelernte Elektroniker gemeinsam mit dem 30-jährigen Mitangeklagten Andreas
R. seit gestern vor der 1. Großen Strafkammer des Potsdamer Landgerichts
unter Vorsitz von Frank Tiemann verantworten.
Knapp und eloquent referierte der Angeklagte Z. seinen schulisch-beruflichen
Lebensweg, anschließend die Familienverhältnisse: Realschulabschluss, Lehre
als Energieelektroniker, Bundeswehrsoldat, erst als Wehrpflichtiger, danach
als Zeitsoldat, für vier, schließlich für zwölf Jahre, Auslandseinsätze im
Kosovo und in Afghanistan. Die Mutter arbeitet als Krankenschwester in
Brandenburg/Havel, der Vater war Maurer, bevor er zum Elektroniker
umschulte. Torsten Z. wurde nie straffällig, eine rechtsextreme Gesinnung
wird ihm nicht nachgesagt. Er ist verheiratet, lebt mit Frau und Tochter
seit zwei Jahren im selbsterrichteten Haus — zumindest an den Wochenenden.
Während des Dienstes bewohnt der Oberfeldwebel eine Kasernenstube bei
Bremen.
Am Samstag, dem 17. Juli, hätte ein entspanntes Wochenende beginnen können.
Am frühen Abend machte Torsten Z. es sich nach eigener Darstellung mit
seiner Frau auf der Terrasse bequem. Für den Abend stellte er sich vier
Flaschen Bier kühl. Unerwartet rief jedoch ein Freund an, um den jungen
Soldaten zu einem Umtrunk einzuladen. Z.s Frau hatte nichts einzuwenden, wie
er sich erinnerte, und aus Freude darüber genehmigte er sich das erste Bier.
Als sich die beiden Bekannten gegen 22.30 Uhr trafen, war kein Bier mehr in
Z.s Kühlschrank.
Nach Mitternacht ließen sie sich mit dem Taxi in die Diskothek “Piephahn”
chauffieren. Was dort und später geschah, wird unterschiedlich geschildert.
Fest steht jedoch offenbar, dass sich Torsten Z. und der Mitangeklagte
Andreas R. zufällig im “Piephahn” begegneten. Wie R. sich erinnerte, tranken
sie etwa zwei Liter Bier miteinander. Torsten Z. kann sich daran offenbar
ebensowenig erinnern wie an eine erste Begegnung mit dem späteren Opfer
Oscar M.
Der Kenianer wiederholte gestern vor Gericht, was er schon der Polizei
berichtet hatte: Zwei junge Männer — ein unbekannter Mann und später Torsten
Z. — hätten ihn in der Diskothek gefragt, ob er ihnen Marihuana verkaufe. Er
sei kein Dealer, sie sollten sich von ihm entfernen, habe er geantwortet, so
der Mann aus Kenia. Danach war Ruhe.
Erst als die Diskothek gegen fünf Uhr schloss, begegneten sich Torsten Z.,
Andreas R., Oscar M. und dessen Landsmann Jeff I. erneut auf der Treppe ins
Freie. Es war vermutlich der Familienvater Andreas R., der die Kenianer -
mit denen er zuvor nichts zu tun gehabt hatte — anpöbelte. R., der damals
arbeitslos war und Probleme mit seiner Freundin hatte, suchte möglicherweise
Streit, in dem er die Schwarzafrikaner beleidigt haben soll. Das “freche
Grinsen” der Kenianer habe ihn weiter “aufgebaut”, meinte R.
Um die Lage zu entschärfen, baten offenbar zwei junge Disko-Besucherinnen
Oscar M. und seinen Bekannten, den Ort zu verlassen. Sie gingen zur
Straßenbahnhaltestelle, wohin ihnen zunächst Andreas R. nacheilte.
Plötzlich — nieman
d kennt bisher den Grund — soll auch Torsten Z.
wutentbrannt zur Haltestelle gerannt sein. Dort zerschlug er die Flasche,
wie der Kenianer sagte, und stach sie ihm in den Hals. “Du sollst sterben”,
habe Z. gesagt. Zwei junge Frauen, die herbeieilten, stellten sich den
Angreifern in den Weg und verhinderten möglicherweise noch Schlimmeres. Der
Prozess wird fortgesetzt.
Lückenhaftes Gedächtnis
Prozessauftakt: Oberfeldwebel will sich nicht an Scherbenattacke erinnern
(MAZ, Ulrich Wangemann) Die Handschellen passen nicht zu dem Angeklagten. Torsten Z. blickt
geradeaus in die Kameras, hebt keine Hand, um sein Gesicht zu verdecken. Der
Oberfeldwebel der Bundeswehr hat Frau und Kind in Neu-Schmerke, hat ein Haus
gebaut und seine Vorgesetzten loben ihn als “einen unserer besten Soldaten”.
Sein polizeiliches Führungszeugnis ist makellos.
Seit gestern muss sich der gebürtige Brandenburger vor dem Landgericht
Potsdam wegen versuchten Mordes an einem Asylbewerber verantworten. Mit
einer Glasscherbe soll er am 18. Juli 2004 nach einer Sauftour den 30 Jahre
alten Kenianer Oscar M. in den Hals gestochen haben. Der drei Zentimeter
tiefe, sechs Zentimeter lange Schnitt ging Millimeter an der Halsschlagader
vorbei. Zwei mutige Nachtschwärmerinnen stellten sich damals schützend vor
den Verletzten.
Zum Prozessauftakt legte Z.s wegen Körperverletzung mitangeklagte
Trinkkumpan Andreas R. ein Geständnis ab. Er gab zu, vor der Diskothek
Piephahn aus fremdenfeindlichen Gründen den Streit vom Zaun gebrochen zu
haben — ein solches Motiv wirkt strafverschärfend. “Euch geht es doch gar
nicht schlecht bei uns”, will er zu Oscar M. gesagt haben. Der Angesprochene
habe “frech gegrinst”, daraufhin habe er den Kenianer zu Boden geschlagen.
Vom lebensgefährlichen Stich will der 30-jährige Familienvater aber nichts
gesehen haben.
Gedächtnislücken an den wichtigen Stellen machte der Hauptverdächtige
geltend. Er habe zwar eine Glasscherbe vom Boden aufgehoben, wisse aber
nichts von einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Afrikaner. Plötzlich
habe eine junge Frau vor ihm gestanden und gesagt: “Hör auf, das bist doch
nicht du, er ist doch verletzt!” Dass er sich später von der Schwester
seines Begleiters die von der Scherbe verletzte Hand verbinden ließ und
dabei eine Zigarette rauchte, hatte der formal noch nicht aus dem Heer
ausgeschlossene Angeklagte allerdings klar vor Augen.
Eine gänzlich andere, wenn auch von kleineren Widersprüchen durchsetzte
Version erzählte das Opfer. Der Oberfeldwebel habe noch in der Disko einen
Bekannten mit zehn Euro zu ihm geschickt, um ihm “Gras” abzukaufen. Dieses
Ansinnen habe er mit den Worten, er sei nur zum Spaß im Piephahn und kein
Dealer, abgelehnt.
Nach der Sperrstunde hätten Torsten Z. und Andreas R. ihn vor dem Tanzlokal
abgepasst. Der Soldat habe ihm einen “schönen Sonntag” gewünscht. Als der
Afrikaner den Gruß erwiderte, habe Andreas R. ihn aggressiv gefragt, was er
mit seinem Kumpel zu reden habe. Er nannte den Asylbewerber “Schlampe” und
riet ihm, zurück in sein Land zu gehen. Bald nach dem ersten Schlag des
Maurers habe der Soldat eine Flasche aus der Tasche gezogen, diese
zertrümmert und ihm in den Hals gerammt. “Du sollst sterben”, habe Torsten
Z. dabei geschrien. Der Prozess wird am 20. Januar fortgesetzt.
Prozess um Mordversuch an Afrikaner
Unteroffizier bestreitet, zugestochen zu haben
(Tagesspiegel) Potsdam — Der Afrikaner blickt starr auf den Richter. “Ich stand auf, er
stach zu und ich fiel wieder hin”, sagt Oscar M. in einem Ton, als würde er
sich weit weg wünschen. Doch der Asylbewerber aus Kenia sitzt im Potsdamer
Landgericht, ganz in der Nähe seiner mutmaßlichen Peiniger — einem großen,
arbeitslosen Maurer und einem kleinen Oberfeldwebel. Oscar M. nickt nur kurz
in die Richtung des Unteroffiziers Torsten Z., als der Richter fragt,
welcher der beiden Angeklagten zugestochen habe. Und erinnert sich an den
Spruch “du musst sterben”.
Das wäre beinahe auch passiert in der Nacht zum 18. Juli 2004 an einer
Bushaltestelle in Brandenburg/Havel: Oscar M. erlitt bei dem Angriff mit
einer abgebrochenen Bierflasche eine tiefe Schnittwunde am Hals, knapp
oberhalb der Schlagader.
Der Staatsanwalt warf gestern zu Prozessbeginn dem 26-jährigen Oberfeldwebel
Torsten Z. vor, er habe “aus fremdenfeindlich motivierter Wut” einen
Mordversuch begangen. Der 30 Jahre alte Mitangeklagte Andreas R. soll den
Kenianer als “Schlampe” beleidigt und zu Boden geschlagen haben. Laut
Anklage hat R. auch dem Kenianer dessen Handy aus der Hand getreten, als
dieser nach dem Stich in den Hals die Polizei rufen wollte. Dass Oscar M.
die Nacht überlebte, verdankt er offenbar zwei Frauen, die Z. von weiteren
Stichen zurückgehalten haben sollen. Der Unteroffizier, der am Einsatz der
Bundeswehr im Kosovo und in Afghanistan teilgenommen hat, will sich an das
Tatgeschehen nicht erinnern können. Mit kaltem Blick und formelhaften Sätzen
sagt Z. dem Gericht, “meines Empfindens nach” habe er eine herumliegende
Glasscherbe aufgehoben und sich dann an der Hand eine Schnittverletzung
zugezogen. Andreas R. gibt nur zu, dem Afrikaner eine Ohrfeige versetzt zu
haben.