Von Andreas Fritsche
In Königs Wusterhausen soll die Karl-Liebknecht-Straße nicht mehr so heißen. Der Grund: Es gibt in Zeesen noch eine und das sorgt bei Postboten und Kurieren für Verwirrung, seit Zeesen vor ein paar Jahren eingemeindet wurde. Auch in rund 50 ähnlichen Fällen ist die Umbenennung von Straßen vorgesehen. Über den alten Namen Karl-Liebknecht-Straße gibt es deswegen noch keinen Streit. Der fängt erst an, wenn es um den neuen Namen geht.
Der Heimatverein hat Eichenallee vorgeschlagen. So hieß die Straße früher und es stehen auch noch Eichen dort. Heute befasst sich der Hauptausschuss mit dem Thema. Nächste Woche entscheidet die Stadtverordnetenversammlung. Es läuft alles auf eine Eichenallee zu. Die Anwohner möchten es so, wenn sie den bisherigen Namen nicht behalten dürfen.
»Wenn die Einwohner es wollen, dann sollen sie es haben«, sagt Linksfraktionschef Jörg Meinicke-Kleint. Aber er findet es nach wie vor nicht gut. Schließlich gibt es einen besseren Vorschlag: Johannes-Stelling-Straße. Der Regionalforscher Fred Bruder regte bereits vor Jahren an, eine Straße nach dem SPD-Reichstagsabgeordneten zu benennen, der von den Faschisten ermordet wurde. Als die Debatte um die Karl-Liebknecht-Straße lief, erinnerte sich Meinicke-Kleint an diese Idee. »Damit könnte man ein Zeichen gegen Rechts setzen«, findet er.
Stelling war nicht nur die ganze Weimarer Republik lang Reichstagsabgeordneter, sondern zeitweise Innenminister und später Ministerpräsident in Mecklenburg-Schwerin sowie Reichsbannerchef in Berlin und Brandenburg. Am 9. Februar 1932 redete Stelling bei einer Versammlung im Bahnhofshotel von Königs Wusterhausen. Dort wurde die regionale Eiserne Front gegen die Nazis gegründet. Bruder kennt keinen anderen Politiker von so hohem Rang, der sich in Königs Wusterhausen öffentlich äußerte. Zwar kam Ernst Thälmann 1933 nach Ziegenhals, aber da arbeitete die KPD schon unter illegalen Bedingungen.
Mit einer Johannes-Stelling-Straße würde man wie vorher mit der Karl-Liebknecht-Straße einen Mann ehren, der wegen seines politischen Engagements von Rechten ermordet wurde. Doch diese Argumente nützen offenbar nichts. Meinicke-Kleint rechnet damit, dass fast alle Stadtverordneten für Eichenallee votieren, um sich in der Gegend nicht unbeliebt zu machen. Im Herbst ist Kommunalwahl. Die Linksfraktion konnte sich nicht einigen. Da seien einige der Meinung gewesen, mit Straßennamen könne man keinen Klassenkampf machen, erzählt Meinicke-Kleint. Er selbst will sich wahrscheinlich enthalten.
Die SPD-Stadtverordnete Hannelore Gabriel trat für den Vorschlag ein, den ermordeten Genossen Stelling zu ehren. Sie sah sich jedoch im Stadtentwicklungsausschuss in der Minderheit. Ganz könne man eine »massive Unterschriftenliste« der Anwohner nicht wegdrücken, gibt sie zu bedenken. Eine Stellingstraße könne es gleichwohl noch geben. In Königs Wusterhausen sei der Bau neuer Siedlungsgebiete mit neuen Straßen vorgesehen. Da könne die Idee noch zum Zuge kommen, schlägt Gabriel vor.
Johannes Stelling wurde 1877 in Hamburg geboren. Er zählt zu den Opfern der Köpenicker Blutwoche. In der Nacht vom 21. zum 22. Juni verschleppten ihn Faschisten aus seiner Wohnung in der Dahlwitzer Straße 36, zunächst ins SA-Lokal »Seidler« in der Siedlung Uhlenhorst, dann ins Köpenicker Amtsgerichtsgefängnis. Stelling wurde misshandelt und ermordet, seine Leiche in einen Sack eingenäht und in die Dahme geworfen. Die Dahlwitzer Straße heißt ihm zu Ehren seit 1947 Stellingdamm.