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Kleiner Grenzverkehr in Sachen Antisemitismus

(Infori­ot) Wir doku­men­tieren im fol­gen­den einen Text des Bran­den­burg­er Lan­desamts für Verfassungsschutz

Lang ist die Liste aus­län­der­feindlich­er, ras­sis­tis­ch­er und anti­semi­tis­ch­er Pöbeleien in Bran­den­burg. Wenn es dabei ohne Gewalt abge­ht, find­et der Einzelfall — man mag das bedauern — kaum noch gesteigerte Aufmerk­samkeit. Neue Fra­gen wirft aber ein Ereig­nis auf, wenn die Akteure sel­ber Aus­län­der sind. 

Fünf junge Män­ner zwis­chen 19 und 21 Jahren kom­men zu Fuß von Slu­bice nach Frank­furt, um dort Land­sleute zu besuchen. Auf dem Balkon ihrer Gast­ge­ber wird kräftig gezecht. Von dort beobacht­en sie, wie ein dunkel­häutiger Mann die Straße ent­lang kommt. Sie brüllen ihm nach: “Juden raus!” Später erk­lären sie vor der Polizei, dies sei der einzige Satz, den sie auf Deutsch beherrschten. 

Län­derüber­greifend­er Recht­sex­trem­is­mus? Schauen wir näher hin. 

Recht­sex­trem­is­mus auch jen­seits der Oder

In Frank­furt (Oder) waren in den ver­gan­genen Jahren immer wieder ein­mal Polen, darunter Stu­den­ten an der Viad­ri­na, von deutschen Aus­län­der­fein­den ange­grif­f­en wor­den. In jüng­ster Zeit gab es erfreulicher­weise keine solche Mel­dun­gen mehr. Nun aber wech­seln die Rollen: Polen nicht als Opfer, son­dern als Täter. 

Die Motive der Pöbler vom 3. Juli sind noch unklar. Aber was der Satz “Juden raus!” bedeutet, muss ihnen klar gewe­sen sein. 

Anti­semi­tis­che Vorurteile sind eben nicht nur in Deutsch­land, son­dern auch in Polen ver­bre­it­et. Dort entsprin­gen sie teils religiösen Fehlen­twick­lun­gen, teils ras­sis­tis­chen Ein­stel­lun­gen. Der Anti­semitismus ist eine geschichtlich hoch belastete, beson­ders krasse Form der Ablehnung von Men­schen, die als fremd emp­fun­den wer­den. Fast alle Recht­sex­trem­is­ten, wo immer sie auch leben, sind ihm ver­fall­en. Darum ist der Anti­semitismus sozusagen ein inter­na­tionales Erken­nungsze­ichen für Rechtsextremisten. 

Auch andere For­men des Recht­sex­trem­is­mus begeg­nen uns dies­seits und jen­seits der deutsch-pol­nis­chen Gren­ze. Beim Ras­sis­mus kommt es darauf an, bei welchem Denkklis­chee er anset­zt — je nach­dem ver­ste­hen sich ras­sis­tis­che Deutsche und ras­sis­tis­che Polen als Kampfge­mein­schaft oder aber als Feinde. 

Die Nation­al­sozial­is­ten von gestern und teil­weise auch die Neon­azis von heute in Deutsch­land betra­cht­en die slaw­is­chen Polen als “min­der­w­er­tige Rasse” im Ver­gle­ich zu den “hochw­er­ti­gen Ger­ma­nen”. Auch daraus leit­en sie den Anspruch ab, pol­nis­ches Land in Besitz zu nehmen. 

Wenn jedoch ein Gegen­satz zwis­chen der “weißen Rasse” und allen anderen Rassen kon­stru­iert wird, sehen sich deutsche und pol­nis­che Recht­sex­trem­is­ten auf der­sel­ben Seite. Ger­ade recht­sex­trem­istis­che Skin­heads frö­nen einem Rassekult dieser Art mit dem Schlachtruf “White Power!” 

Schon in den achtziger Jahren sucht­en ein­schlägige Skin­head­bands aus Polen und der DDR gemein­sam nach Möglichkeit­en, ihre Musik aufzunehmen und auf Ton­träger zu ban­nen. Später bracht­en es einige pol­nis­che Bands zu ein­er gewis­sen inter­na­tionalen Berühmtheit in der Szene, z. B. Konkwista 88. Deutsche Bands fan­den in Polen hinge­gen nicht so leicht Anklang. Während näm­lich pol­nis­che Bands zum Teil auf englisch vor­tra­gen, tun deutsche Recht­srock­er das ungern. 

Das Gegeneinan­der der Nationalisten

Selb­st bei Skin­heads wird das Bewusst­sein gren­züber­schre­i­t­en­der Gemein­samkeit häu­fig über­lagert von einem über­steigerten Nation­al­is­mus, für den jen­seits der Lan­des­gren­zen Fein­des­ge­bi­et begin­nt. Das sehen die tra­di­tion­s­geleit­eten Nation­al­is­ten, die sich in recht­sex­trem­istis­chen oder recht­spop­ulis­tis­chen Parteien sam­meln, schon von jeher so. 

In Deutsch­land hof­fen sie, das “Deutsche Reich in den Gren­zen von 1937” zurück­zugewin­nen. Trotz Pro­pa­gan­da und Vere­in­sar­beit haben sie mit ihren revan­chis­tis­chen Gelüsten keine Chance im demokratis­chen Deutsch­land. Die pol­nis­chen Nation­al­is­ten aber wollen glauben machen, dass Deutsch­land auf dem Sprunge sei, aber­mals pol­nis­che Gebi­ete an sich zu reißen. Auf diese Weise mobil­isieren sie anti-deutsche Ressentiments. 

Einig sind sich die Nation­al­is­ten hüben und drüben jedoch in der Ablehnung eines geein­ten Europas. Die Insti­tu­tio­nen der EU sind ihnen ver­has­st. Die pol­nis­chen Recht­sex­trem­is­ten ver­muten zudem hin­ter der €päis­chen Inte­gra­tion einen Ver­such Deutsch­lands, pol­nis­chen Grund und Boden aufzukaufen und Polen zu entrecht­en. Die überzeu­gende Mehrheit von 77,5% der Polen, die bei dem Ref­er­en­dum Anfang Juni für die Mit­glied­schaft ihres Lan­des in der EU ges­timmt hat, zeigt aber, wie isoliert diese Posi­tio­nen sind. 

Ein men­schen­ver­ach­t­en­des Klischee

Bald wird die Oder nicht mehr die EU-Außen­gren­ze sein. Dann wer­den die Verkehrs‑, Wirtschafts- und Men­schen­ströme, die zwis­chen Deutsch­land und Polen hin und her gehen, noch ein­mal mächtig anschwellen. Alle wer­den daraus Nutzen ziehen. Aber auch uner­freuliche Erschei­n­un­gen aus dem jew­eili­gen Nach­bar­land kön­nten häu­figer sicht­bar wer­den. Darum noch ein­mal: Recht­sex­trem­is­ten gibt es nicht nur bei uns in Deutschland. 

Waren die Täter vom 3. Juli “echte” Recht­sex­trem­is­ten? Wir wis­sen es noch nicht. Beun­ruhi­gen sollte uns aber, dass für sie der Satz “Juden raus!” etwas typ­isch Deutsches ist und ihnen auch noch für den eige­nen Gebrauch passend erscheint. Dass der belei­digte Pas­sant dun­kler Haut­farbe kaum ein Jude hat sein kön­nen, wussten sie ganz sicher­lich. Aber für den Recht­sex­trem­is­mus in sein­er dumpfesten, wider­sin­nig­sten Gestalt ist “Jude” das uni­ver­sale Schimpf­wort, das jeden, den man nicht mag, entwürdi­gen und ent­men­schlichen soll. Als “Juden” beschimpften auch die deutschen Täter aus Pot­zlow ihren Spielka­m­er­aden, bevor sie ihn zu Tode quälten.

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