(Neues Deutschland) »Wie gelingt es einer Frau, der scheinbar alle Voraussetzungen dafür fehlen, die höchste Stufe zu erklimmen…«, fragt der Potsdamer Journalist Matthias Krauß. Gemeint ist CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel, über die Krauß ein Buch geschrieben hat, das ausdrücklich keine Biografie ist.
Gestern trafen die druckfrischen Exemplare beim Verleger Ronny Schneider im sachsen-anhaltischen Anderbeck ein, morgen ist Buchpremiere im Potsdamer Club »Pub à la Pub« mit Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) und Beate Tyron vom Fernsehsender RBB. Das nun ausgerechnet ein Journalist über Merkel publiziert, dessen eigentliches Feld seit anderthalb Jahrzehnten der Brandenburger Landtag ist, aus dem er für »Neues Deutschland« und andere Zeitungen berichtet, dies mag verwundern. Doch Krauß störte es, dass bei den Büchern über die CDU-Vorsitzende die spezielle Ost-Sicht fehle. »Dieses A‑Dur kann ich liefern«, meint der Mann, der wie Merkel im Märkischen aufgewachsen ist.
Schließlich war Merkels Mutter Herlind Kasner acht Wochen nach der Geburt der Tochter aus Hamburg in den brandenburgischen Ort Quitzow übergesiedelt, wo der Vater eine Pfarrstelle übernommen hatte. 1957 zog die Familie nach Templin, wo Angela 1973 das Abitur ablegte. Dienstags zur Christenlehre und mittwochs zum Pioniernachmittag, so habe er es einst auch selbst getan, berichtet Krauß.
Doch die Jugend in Brandenburg zählte 1991 nichts. Damals wollte Merkel CDU-Landesvorsitzende werden und unterlag in der Abstimmung dem West-Import Ulf Fink, erinnert der Buchautor. Später räumte Merkel Konkurrenten aus dem Westen reihenweise aus dem Weg. Damit siegten »Dialektik über Bescheidwisserei«, Messe der Meister von Morgen über Jugend forscht, »Kratz-Klopapier über Hakle-Feucht« und »Ponny Pedro über Flipper«.
Das Buch ist mit einem gehörigen Schuss Humor und ohne Gehässigkeit geschrieben. Beides ist wohtuend. Krauß nimmt Merkel gegen westdeutsche Vorurteile in Schutz und er stellt sich vor, wie schön es doch sein könnte, wenn eine marxistisch geschulte Kanzlerin in Deutschland das Ruder übernimmt und eine »längst überfällige deutsche Perestroika« einleitet.
Doch dann kommt er zu dem Schluss, dass sich auch mit Merkel nichts ändern würde und die Unterschichten weiter zum Verzicht aufgefordert wären. Nach dieser Methode ist ein ums andere Kapitel gestrickt. Erst erhält die Kandidatin etwas Lob, aber am Ende fällt die Kritik umso vernichtender aus. Zum Beispiel rühmt Krauß den tatsächlich aus eigener Kraft erreichten Aufstieg der Pfarrerstochter nicht ohne den Hinweis, die Weltgeschichte zeige, dass es oft nicht die Genialen, sondern meist nur die Mittelmäßigen seien, die an der Spitze stehen.
Matthias Krauß: »Das Mädchen für alles. Angela Merkel – ein Annäherungsversuch«, Anderbeck-Verlag, 196 Seiten, illustriert, 12,90 Euro, Buchpremiere: morgen, 16 Uhr, im Club »Pub à la Pub« in der Breite Straße 1, Potsdam