(MAZ) FÜRSTENWALDE Auf dem Wappenschild mit dem Brandenburger Adler an der Fürstenwalder Spreebrücke prangt ein hässlicher Fleck. “Da war mal ein Spucki dran”, erklärt Dieter Wasielewski mit fachmännischem Blick. Der Mitarbeiter der Fürstenwalder Stadtverwaltung kennt sich aus mit den handtellergroßen Papierzetteln, deren Rückseiten gummiert sind. Ein kurzes Anfeuchten genügt und der bunte “Spucki” klebt an der dafür vorgesehenen Fläche.
Und zwar so hartnäckig, dass er nur mit Mühe wieder abzukratzen ist. Zurück bleiben nach dem Entfernen oftmals Klebereste und Papierfetzen — wie am Brandenburger Adler. Wo andere Städte über Graffiti-Schmierereien klagen, hat die Oder-Spree-Stadt ein Spucki-Problem. Im Zentrum finden sich die Papieraufkleber überall, an Laternenpfählen, Säulen und Häuserdurchgängen, auf Papierkörben oder Sitzbänken und vor allem an Verkehrsschildern. Und spätestens da werden sie zur Gefahr für die Verkehrssicherheit. “Manchmal prangen auf einem Schild gleich mehrere dieser Aufkleber, so dass die eigentliche Funktion der Verkehrshinweise gar nicht mehr erkennbar ist”, erklärt Christoph Malcher von der kommunalen Abteilung Verkehr und Bußgeld.
Häufig werden auch Zusatzzeichen beispielsweise bei zeitlich beschränkten Parkverboten überklebt. Bekommt der Autofahrer, der sein Fahrzeug dort abgestellt hat, ein Knöllchen, ist der Rechtsfall unklar. “Der Betroffene kann ja spätestens vor Gericht behaupten, er hätte die Parkbeschränkung gar nicht erkannt “, erläutert Malcher. Deswegen sei die Kommune verpflichtet, die Spuckis zu entfernen. Zweimal monatlich zieht Wasielewski mit zwei Helfern auf Ein-Euro-Basis los, um die lästigen Aufkleber — immerhin schon 300 pro Monat — abzukratzen. Und das ist eine Wissenschaft für sich. “Wir haben es zunächst mit Verdünnung und Waschbenzin versucht, doch diese Art von Lösungsmitteln ist zu scharf.”
Denn die reflektierende Folie auf den Verkehrsschildern, die Autofahrern in der Nacht zur Orientierung dient, darf nicht beschädigt werden. Brennspiritus zeigt die beste Wirkung, haben die Spucki-Bekämpfer erkannt. Damit muss man die hartnäckigen Klebezettel, die von der Sonne oft förmlich auf die Fläche gebrannt sind, richtig einweichen, um dann mit einem herkömmlichen Plastik-Eiskratzer vorsichtig zu schaben. Bis zu zehn Minuten braucht Wasielewski zum Entfernen eines einzigen Spuckis. “Zusammen schaffen wir pro Tag etwa 75.” Und auch dann ist der Aufkleber manchmal nicht komplett verschwunden, bleiben Klebereste haften. Doch wichtig sei, dass der Slogan auf dem Spucki nicht mehr zu lesen ist.
Wasielewski muss sich bei seiner Arbeit auch eine Menge Kommentare von Passanten gefallen lassen. Frei nach dem Motto: Ja, macht schon mal Platz für die nächsten Aufkleber. Ein Allheilmittel ist das Spucki-Entfernen ohnehin nicht. Nach mehrmaliger Werkelei mit Brennspiritus und Schaber hat das Verkehrsschild so gelitten, dass es ausgetauscht werden muss. Inklusive Montage kostet das die Stadt pro Stück 70 bis 80 Euro. Die gehäufte Fürstenwalder Spucki-Plage nahm im Herbst vergangenen Jahres ihren Anfang, hat Malcher registriert. Erklären kann er sich die plötzliche Flut der hartnäckigen Klebezettel nicht. Auch zu den Tätern gibt es nur vage Hinweise, erst ein Jugendlicher wurde erwischt.
“Auffällig ist, dass die meisten Spuckis im Bereich von Schulen oder Ausbildungsstätten zu finden sind — also in den Straßen vom Bahnhof ins Stadtzentrum sowie in Fürstenwalde Nord.” Für Jugendliche als Täter spricht auch der größtenteils politische Inhalt der Papieraufkleber: Rechte und linke Parolen querbeet. “Wo ein rechter Spucki hängt, sind kurze Zeit später auch Pendants mit linkem Inhalt zu finden und umgekehrt”, beschreibt Malcher. Oftmals würden sich die Täter auch einen Sport daraus machen, die Sticker der anderen Gruppierungen systematisch zu überkleben.
Nachschub erhalten die Freizeitkleber wohl aus dem Internet — dort gibt es etliche Seiten, auf denen Spuckis gleich blöckeweise zu 100 oder 250 Stück angeboten werden. “Die Aufkleber sollten fester werden und nicht so schnell abzukratzen sein”, bittet da etwa ein Kunde im Chatroom. In der Ferienzeit herrschte in Fürstenwalde eine gewisse Zettel-Flaute. Für die nächsten Wochen aber sieht Spucki-Bekämpfer Wasielewski schon harte Zeiten für seinen Trupp kommen. “Vor den Bundestagswahlen tauchen erfahrungsgemäß auch noch Aufkleber von etablierten Parteien auf. Die Dinger werden bei Wahlkampfveranstaltungen ja in Massen verteilt.”