(Neues Deutschland) Hyacienth Nguh Tebie stammt aus Kamerun und lebt im Asylbewerberheim in Bahnsdorf. Tebie kam 2003 nach Deutschland und beantragte Asyl. Er belegte einen Deutschkurs und schloss diesen nach 960 Stunden mit »sehr gut« ab. Die Ausländerbehörde im Landkreis Oberspreewald-Lausitz weiß, dass Tebie »akzentfrei« Deutsch spricht und sich außerdem politisch engagiert. Er macht mit bei der Flüchtlingsinitiative Brandenburg, einer Selbsthilfegruppe von Asylbewerbern.
Letzteres passt der Behörde nicht in den Kram, meint der Flüchtlingsrat Brandenburg. Tebie soll 85 Euro Bußgeld zahlen, weil er im vergangenen Jahr an einer Anti-Kolonial-Konferenz in Berlin teilnahm. Die Ausländerbehörde erkannte ihn auf einem Foto im Internet und erfuhr so, dass der Kameruner sich nicht an die Residenzpflicht gehalten hatte. Residenzpflicht bedeutet, Asylbewerber dürfen ihr Bundesland, manchmal nicht einmal ihren Landkreis, verlassen. Tebie will das Bußgeld nicht zahlen. Er klagte. Donnerstag gibt es den Prozess am Amtsgericht Senftenberg.
Verdächtig erscheint Judith Gleitze vom Flüchtlingsrat, dass die Ausländerbehörde die Fotos von der Konferenz in Berlin erst im Frühjahr 2005 entdeckte – unmittelbar nachdem sich Tebie an einer Flüchtlings-Aktion in Bahnsdorf beteiligte. »Die Ausländerbehörde Oberspreewald-Lausitz schikaniert Flüchtlinge«, steht über der Pressemitteilung, die der Flüchtlingsrat am Montag verbreitete. Es handele sich um einen erneuten Versuch, einem politisch engagierten Mann einen Maulkorb zu verpassen. Schon im Juni habe Tebie nach einer Fahrkartenkontrolle im Zug Probleme bekommen, weil ihm der Aufenthalt in Deutschand angeblich nicht mehr gestattet gewesen sei. Tebie habe aber ein gültiges Papier bei sich gehabt.
Nachdem Tebies Asylantrag abgelehnt wurde und ein Gericht die Klage dagegen zurückwies, hätte der Mann ausreisen oder sofort eine Duldung beantragen müssen – die auf ein späteres Datum befristete Aufenthaltsgestattung hin oder her, argumentiert Michael Laurisch, Leiter der Ausländerbehörde. Tebie habe sich zum Zeitpunkt der Fahrkartenkontrolle schon zwei Monate lang ohne gütige Papiere in Deutschland aufgehalten und dies auch gewusst.
Um die Erlaubnis, zur Anti-Kolonial-Konferenz nach Berlin fahren zu dürfen, habe sich der Afrikaner gar nicht bemüht. Für eine solche politische Veranstaltung wäre die Erlaubnis aber erteilt worden, so Laurisch. Die Vorstellung, man habe Tebie wegen seiner politischen Aktivitäten auf dem Kiecker, sei »abwegig«. Allerdings räumt der Behördenchef ein, dass Flüchtlingen, die »renitent« sind, Reisefreiheit auch schon mal vom Land auf den Landkreis gestutzt wird.
»Aus unserer Sicht ist an den Vorwürfen nichts dran«, wiegelt Kreissprecher Hans-Jörg Milinski ab. Vorwerfen müsste man der Kreisverwaltung umgekehrt, wenn sie nicht auf die gesetzliche Residenzpflicht gepocht hätte. Wegen Verstößen dagegen gab es in Oberspreewald-Lausitz im Jahr 2004 rund 400 Bußgeldverfahren.