Vor kurzem äußerte sich Polizeipräsidiumssprecher Rudi Sonntag im Zusammenhang mit einer geplanten NPD-Veranstaltung in der Weise, dass dann, wenn sich linke Demonstranten planmäßig mit Spruchbändern in Potsdam versammeln, diese nicht mehr den Schutz einer anmeldefreien Spontandemonstration genössen. In der Tat geht die Polizei in Potsdam schon seit Jahren von der grundsätzlich falschen Annahme aus, dass Versammlungen genehmigt werden müssten und allein wegen fehlender “Anmeldung” verhindert werden dürften. Denjenigen, die sich noch an die nicht angemeldeten Demonstrationen der Wende erinnern, leuchtet ohne weiteres ein, wie altmodisch diese Auffassung ist.
Herr Sonntag sei jedenfalls auf das Grundgesetz aufmerksam gemacht, in dem es in Art. 8 unmissverständlich heißt: “Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.” Wenn im Versammlungsgesetz gleichwohl eine “Anmeldung” erwähnt wird, ist diese als eine bloße Pflicht zur Mitteilung, die z.B. Verkehrsmaßnahmen u.ä. ermöglichen soll, zu verstehen. Die Verletzung dieser Obliegenheit stellt jedoch keinen Verbotsgrund dar!
Auch dass sich die Polizei offensichtlich in der Rolle einer Zensurbehörde sieht, ist nicht hinnehmbar. Schon die letzten NPD-Gegendemonstration am 14.09.02 waren von der Polizei dermaßen behindert worden, dass weder die geplanten Zeiten noch die ursprünglichen Routen erkennbar blieben. Eine dadurch provozierte Spontandemonstration wurde von der Polizei observiert und eingekesselt, obwohl keinerlei Verbotsgründe (wie z.B. Gewalt von Seiten der Demonstrationsteilnehmer) vorlagen. Das Vorgehen der Polizei hatte vor Gericht zwar keinen Bestand; allerdings konnte die juristische Entscheidung erst verspätet getroffen werden, weil die Auflagen der Polizei äußerst kurzfristig zugestellt worden waren.
Die geringe Motivation, der Potsdamer Polizei die Durchführung einer Demo mitzuteilen, ist im übrigen dem Umstand geschuldet, dass Veranstalter des Öfteren mit Strafanzeigen überzogen wurden. Solche Anzeigen stützten sich zumeist darauf, dass angeblich Auflagen nicht eingehalten wurden. Zwar stellten sich solche Vorwürfe später als haltlos heraus; aber die Botschaft, dass Demo-Veranstalter der besonderen polizeilichen Beobachtung unterfallen, ist angekommen. Und dass sich Demonstranten in Potsdam ständig durchsuchen, filmen und einkesseln lassen müssen, ist sicher auch nicht im Sinne der Deeskalation und einer freien Meinungsäußerung. Ich fordere die Polizei auf, zumindest ihre Auflagen bei Zeiten bekannt zu geben, um so dem Verdacht zu begegnen, dass eine rechtzeitige gerichtliche Überprüfung systematisch unterbunden werden soll. Die Polizei hat Grundrechte zu schützen und nicht zu behindern.
i.A. Rote Hilfe e.V. OG Potsdam
Hans Schulz