INFORIOT — Am heutigen Dienstag nahmen 40 Personen an einer Kundgebung gegen Rassismus in Kremmen (Oberhavel) teil. Zu der Kundgebung auf dem Marktplatz hatte das Bündnis „Fight Rascism Now“ aufgerufen. Es nahmen vorwiegend aus Berlin angereiste Antifaschist_innen, und Flüchtlinge teil, die sich per Bus vom Flüchtlingscamp am Oranienplatz in Kreuzberg zur Kundgebung aufgemacht hatten. Hintergrund der Kundgebung war ein rassistischer Übergriff auf drei polnische Erntehelfer des Spargelhofs im Ortsteil Staffelde am Montagabend vor einer Woche.
Von „Bürgerwehr“ …
Was war passiert? Am Abend des 13. Mai ereignete sich ein Einbruchsversuch durch Unbekannte in ein Einfamilienhaus in der Neuruppiner Straße in Staffelde. Die Besitzerin rief die Polizei, die jedoch keine Täter_innen ausfindig machen konnte, wie die PNN berichtete. Die fehlenden Fahndungsergebnisse veranlassten daraufhin einige Einwohner_innen sich zur „Bürgerwehr“ zusammenzuschließen. Die selbsternannten „Hilfssheriffs“ machten als potenzielle Täter drei polnische Erntehelfer aus, hielten sie fest, jagten und schlugen sie, zerrten sie ins Auto und fesselten sie mit Kabelbindern an Europaletten auf dem Grundstück. Einer der Betroffenen konnte fliehen und informierte einen Vorarbeiter. Die beiden anderen Betroffenen mussten anschließend ambulant im Krankenhaus Oranienburg behandelt werden. Den deutschen Täter_innen droht nun ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung, heißt es in der MAZ.
…und „Selbstjustiz“
Der Vorfall erregte Aufmerksamkeit über die Lokalmedien hinaus. Selbst die Polizei schloss eine rassistische Stigmatisierung nicht aus. Einigkeit über den rassistischen Hintergrund des Vorfalls herrscht in Kremmen jedoch nicht. So bestritten Lokalpolitiker auf der Kundgebung den Hintergrund der Tat und lieferten sich Wortgefechte mit den Organisator_innen. Sie reduzierten die Tat auf einen Vorfall zwischen betrunkenen Bauern und Arbeitern und bezeichneten die Tat als ein Missverständnis. Ein Bürger stellte sich neben die Kundgebung mit einem Schild auf der er Mitgefühl für die Arbeiter ausdrückte, jedoch gleichzeitig, dass er Einbrecher verachte.
Innenminister Dietmar Woidke entschuldigte sich einige Tage zuvor, wenn auch nicht bei den Betroffenen persönlich, dass es Unschuldige traf und warnte vor „Selbstjustiz“ als Vorstoß gegen den Rechtsstaat. Auch der Kremmener Bürgermeister Klaus-Jürgen Sasse und Detlef Reckin, Vorsitzender des Stadtverordnetenversammlung, entschuldigten sich für den Vorfall und die Stigmatisierung polnischer Mitbürger_innen in der Stadt.
Das Bündnis „Fight Rascism Now“ kritisiert die aktuelle Debatte: „Mit Polizeistatistiken, die suggerieren, dass Einbrüche in Berlin und Brandenburg generell auf das Konto “polnischer Banden” gehen würden, wird das rassistische Stereotyp auch in der aktuellen Berichterstattung reproduziert“, hieß es.
„Bürgerwehr“ in Brandenburg
Passend zur aktuellen Debatte um vermeintliche Grenzkriminalität wurden Forderungen in den Medien nach mehr Sicherheitsgewährleistung durch die Polizei laut. Tatsächlich wird in diesen Zusammenhang das Konzept “Bürgerwehr” durch die Polizei indirekt unterstützt. Durch Handzettel ruft die Brandenburger Polizei auf Verdächtiges zu melden. Laut Polizeipräsidium Potsdam existieren in Brandenburg 76 „sogenannte Sicherheitspartnerschaften“, an denen sich derzeit 480 Bürger_innen beteiligen. In einigen Fällen agieren jedoch Bürgerwehren zumindest ansatzweise autonom und verfügen über Anknüpfungspunkte ins organisierte extrem rechte Milieu. So hat die NPD in Schöneiche versucht, eine Bürgerwehr gegen sogenannte “kriminelle Ausländer” zu stellen.
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