Bericht von der Kundgebung am 6. Mai 2006 in Wollin/Brandenburg bei K. Gropler, ehemaliger SS-Angehöriger und Teilnehmer am Massaker im August 1944 in Sant Anna/Italien
(Gegen den Schlussstrich auf Indymedia, Bilder hier) Im Rahmen des bundesweiten Aktionstages zu den Massakern in Sant Anna durch die 16. Panzergrenadierdivision, bei dem sieben ehemalige Angehörige dieses SS-Verbandes an ihren Wohnorten besucht wurden, mobilisierte die Initiative gegen den Schlussstrichn sowie die VVN-Berlin zu einer Kundgebung ins brandenburgische Wollin. Hier lebt Karl Gropler, Jahrgang 1923, der vom Militärgericht in La Spezia gemeinsam mit neun anderen ehemaligen SS-Angehörigen im Juni 2005 zu lebenslanger Haft wegen seiner Beteiligung an dem Massaker verurteilt wurde.
An der Kundgebung am 6. Mai 2006nahmen circa 50 Personen teil. Beim vereinbarten Treffpunkt an der Abfahrt von der Autobahn, waren bereits drei PKWs mit Faschos, die sich jedoch schnell nach Wollin verpissten, es sich aber nicht nehmen ließen, demonstrativ die Leute abzufilmen.
Bei der Einfahrt in den Ort fiel als erstes ein Transparent ins Auge: “Wollin begrüßt seine Gäste”. Ob sie uns damit meinten? Bereits im Vorfeld war in der regionalen Presse erstaunlich ausführlich und sympathisierend über die Hintergründe der Mobilisierung informiert worden. Mehrere Journalisten hatten sich die Mühe gemacht, in den Ort zu fahren und Leute direkt zu den Vorwürfen gegen Gropler zu interviewen.
Ebenfalls anwesend waren sechs Wannen Bullen, die sich zu Beginn der Hauptstrasse aufgebaut hatten, in der Gropler wohnt. Sie machten anfangs ziemlich Stimmung, indem sie betonten, dass “die Bevölkerung” ziemlich schlecht auf uns zu sprechen sei, da die ganze Angelegenheit “von außen so hochgeschaukelt” worden sei. Sie könnten daher nicht für unsere Sicherheit garantieren, wenn wir uns außerhalb der genehmigten Route bewegen würden.
Die 50 Leute stellten sich dann mit dem Lautsprecherwagen auf. Die Leittransparente lauteten: “Opfer entschädigen, NS-Täter bestrafen” sowie: “Sofortige Anklageerhebung gegen SS-Täter wegen Sant Annna”.
Die Faschos waren ebenfalls zur Stelle und skandierten Naziverbrechen verharmlosende Parolen. Damit war schnell Schluss.
Die Bullen machten dann die Zufahrt zur Hauptstrasse ziemlich dicht, so dass nur noch wenig Hin und Her zwischen Kundgebungsbesucher/inne/n und Dorfbevölkerung zu verzeichnen war. Dennoch gingen mehrere der Demonstrantinnen auf die doch zahlreicher als erwartet auf der Straße Stehenden zu und verteilten Flugblätter. Erstaunlich viele nahmen diese Flugblätter entgegen und hörten sich die Redebeiträge an. Natürlich gab es aber auch viele Kommentare wie: Jetzt lasst doch den alten Mann in Ruhe oder, Jetzt muss doch mal langsam gut sein mit diesen Sachen.
Dann bewegte sich die Demonstration bis zur Hausnummer 11 in der Hauptstrasse und damit in Sichtweite des Hauses von Karl Gropler, der dort in Nummer 16 wohnt. Dort gab es Redebeiträge zum historischen Hintergrund von Sant Anna, zur justiziellen Aufarbeitung von NS-Verbrechen, es gab Original-Zitate von Überlebende, die aus dem Film “Todesengel” (2002) geschnitten waren sowie eine Grußadresse von dem Überlebenden Enio Mancini.
Dazwischen wurde italienische Partisanenmusik abgespielt.
Außerdem wurde eine kleine Ausstellung zwischen Bäumen aufgehängt, auf der die wichtigsten Fakten zu dem Massaker in Sant Anna nachgelesen werden konnten. Und auch hier blieben Bewohner/innen stehen, um sie sich anzusehen.
Nach eineinhalb Stunden war die Kundgebung zuende. Sie wurde mit der Ankündigung beendet, so oft wiederzukommen, bis Gropler im Zug nach Italien sitzt, um seine Haft anzutreten oder ein Verfahren hier eröffnet werde.
Vor Ort waren einige Journalisten, unter anderem der rbb, der abends einen Fernsehbeitrag aussendete, und auch ein holländischer Journalist.
Die Presse im Vorfeld wie im Nachhinein und auch die Stimmung vor Ort zeigen deutlich, dass wir unser erstes Ziel erreicht haben, das Schweigen in Wollin zu durchbrechen und im Rahmen des Aktionstages Öffentlichkeit über das Massaker wie über noch lebende Täter herzustellen. Eine gute Erfahrung, an die wir jetzt anknüpfen können.