(M. Lukaschewitsch) Kyritz — In Potsdam gehen tausende von Schülern gegen den Irak-Krieg auf die
Straße, in Eisenhüttenstadt haben sich Mütter auf den Weg zur US-Botschaft
nach Berlin gemacht, und selbst im Städtchen Angermünde protestierten
gestern rund 500 Jugendliche — doch die Wiege der Brandenburger
Friedensbewegung liegt im äußersten Nordwesten des Landes, in Kyritz. Einer
9000-Einwohner-Stadt an der Landesgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern. Kyritz
nennt sich jetzt “Stadt des Friedens”, die erste in Brandenburg.
Die Stadtverordneten haben sich einstimmig hinter eine entsprechende
Friedensresolution gestellt, die bereits in 100 amerikanischen Städten von
den dortigen Stadtvätern verabschiedet worden ist. “City for Peace” — Kyritz
steht nun in einer Reihe mit Rom, London, Brüssel und Wien. “Wir wollen in
dem Netzwerk der internationalen Friedensbewegung dabei sein”, sagte Thomas
Settgast, Vorsitzender der Kyritzer Stadtverordnetenversammlung und
SPD-Fraktionsmitglied.
Der Wunsch nach Frieden in der Krisenregion am Golf eint die Menschen der
Stadt, wie wohl seit der Wende im Jahr 1989 nicht mehr. “So viel Menschen
sind seitdem nicht mehr auf der Straße gewesen.” Bis zu 500 versammeln sich
seit Anfang Dezember jeden Montag auf dem Marktplatz. “Sie organisieren sich
selbst”, staunt Jürgen Freyer, der für die CDU-Fraktion im Kyritzer
Stadtparlament sitzt. “Wir sind da spontan hingegangen”, sagt Rentner
Hans-Joachim Holzapfel. Ans Revers eine weiße Friedensschleife geheftet,
macht er sich jeden Montag auf den Weg. Was ihn besonders freut: keine
platten Parolen, kein lautstarkes Scharfmachen: “Der Protest verläuft ganz
still und andächtig”, hat auch Settgast beobachtet. Er gehe quer durch die
Bevölkerung, Jung steht neben Alt, Mütter und Väter mit Kindern. Sie
versammeln sich im Schatten der Kirche St. Marien. Im gesamten Landkreis
läuten dann die Glocken für eine Viertelstunde. Sie alle lehnen Gewalt als
Mittel zur Konfliktlösung ab. “So einfach ist das und scheinbar doch so
schwer für manche Staatslenker”, sagt Rentner Holzapfel, der noch den
Bombenhagel auf Dresden im Zweiten Weltkrieg als 11-Jähriger mitbekommen
hat. Und noch etwas Besonderes: In Kyritz gibt es keine schrille
Antikriegspropaganda, gewaltbereite Friedensaktivisten. “Eine Friedensdemo
mit Knüppel in der Hand ist wohl fehl am Platze”, sagt Settgast.