Vor überzogenen Erwartungen an die KZ-Gedenkstätten beim Bekämpfen des Rechtsextremismus hat der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, gewarnt. Er kritisierte, diese Erinnerungsorte seien in
Westdeutschland oft als “Kellerkinder” behandelt worden.
ORANIENBURG, Das Entstehen eines rechtsextremen
Weltbildes durch “viele Jahre der Sozialisation in Familien, durch Gleichaltrige und Schulen” könne nicht kurzfristig “mit zweistündigen Gedenkstätten-Besuchen wettgemacht werden”, sagte Morsch am Montag in Oranienburg in einem epd-Gespräch zum zehnjährigen Bestehen der
Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Jeder andere Anspruch sei “vermessen”.
Hauptaufgabe der Bildungsarbeit der KZ-Gedenkstätten sei vielmehr die “Bestärkung eines weltoffenen und toleranten Milieus, das sich zu den Menschenrechten bekennt”, sagte Morsch. Die Demokratie der Weimarer Republik sei nicht nur an ihren Feinden gescheitert, sondern auch an den
Befürwortern, die sie nicht energisch genug verteidigt hätten.
Die Gedenkstätten seien als “internationale Friedhöfe” auch ein Ort der Widerlegung von Zweifeln an NS-Verbrechen, die durch revisionistische Publikationen verbreitet würden. Langfristig könne die Arbeit der Gedenkstätten der Ausbreitung eines rechtsextremen Milieus entgegenwirken,
sagte Morsch. Zur Bildungsarbeit mit Jugendlichen aus dem rechten Milieu müssten jedoch neue Methoden entwickelt werden. Die Bewertung eines derzeit laufenden einjährigen Projekts, in dem Jugendliche ohne Ausbildung in den
Gedenkstätten arbeiten und pädagogisch betreut werden, sei noch nicht abgeschlossen.
Nach wie vor sei auch die Betreuung überlebender Opfer eine “ganz große humanitäre Aufgabe” der Stiftung. Jährlich besuchen den Angaben zufolge mehr als 100 Überlebende die Gedenkstätten. An der Gedenkfeier zum 50.Jahrestag der Befreiung hatten 1995 mehr als 3000 Überlebende teilgenommen.
Wegweisend für westdeutsche KZ-Gedenkstätten sei die Organisationsform als Stiftung, die größere Unabhängigkeit von politischen Einflüssen garantiere, sagte Morsch. Gedenkstätten seien in Westdeutschland in der Vergangenheit
oft als “Kellerkinder” behandelt worden. Sie dienten zwar als pädagogische Orte für Schülerbesuche, hätten aber keine modernen Ausstellungskonzepte angeboten.