Oranienburg — “Es wird ohne Anruf geschossen!” Vor 60 Jahren hatte Johann
Hansl, heute 78 Jahre alt, mit dem Maschinengewehr auf den Wachtürmen des
Oranienburger Nazi-KZ-Dreiecks Häftlinge im Visier. Doch erst jetzt hat ihn
seine Vergangenheit eingeholt. Das Office of Special Investigation (OSI) im
amerikanischen Justizministerium hat den gebürtigen Kroaten am 24. Juli
festgesetzt und wird ihm wohl die US-Staatsbürgerschaft aberkennen, die er
sich nach Ermittlungen des OSI-Chefs Eli M. Rosenbaum 1955 erschlichen hat.
Seit 1979 sucht ein OSI-Kommando nach Naziverbrechern, die sich in den USA
festgesetzt haben. Und man ist fündig geworden. 170 Verdächtige gerieten
bisher ins Visier der Fahnder. 71 von ihnen wurden als Nazis enttarnt und 57
von ihnen ausgewiesen. Die Liste reicht von Michael Negele (81), der
Waffen-SS-Mann in Sachsenhausen war und sich 1955 in St. Louis die
US-Staatsbürgerschaft erschlich, bis hin zum SS-Rottenführer Jakob Miling
(78), der in Sachsenhausen und Groß-Rosen (Polen) KZ-Aufseher war. Er wurde
1972 in Cleveland US-Staatsbürger.
John (früher Johann) Hansl ist der jüngste Fall. Der seit 40 Jahren in Des
Moines (Iowa) lebende Mann hatte 1955 bei seiner Einreise aus Salzburg in
die USA seine SS-Laufbahn verschwiegen und nur die Zugehörigkeit zur
Wehrmacht angegeben. Horst Seferens, Stiftungssprecher in Oranienburg,
bestätigt die OSI-Ermittlungen: “Wir haben die Stammkarte von Hansl
gefunden. Daraus geht hervor, dass er im Februar 1943 als Deutschstämmiger
aus Kroatien zur Waffen-SS (Totenkopf) nach Oranienburg kam. Er gehörte bis
Oktober 1943 zur Wachmannschaft.” Danach sei er zum KZ Trawnicki in Polen
versetzt worden. Zum Kriegsende geriet er als Angehöriger einer SS-Einheit
an der Westfront in französische Gefangenschaft.
Hansls amerikanischer Anwalt Jim Benzoni sieht dessen Rolle indes als
“Bewacher am Lagerzaun und kleines Licht”. Auf die Frage, ob sein Klient je
von der Waffe Gebrauch gemacht habe, folgte die Antwort, dass das ja sein
Job bei der SS gewesen sei. Die Staatsbürgerschaft werde man ihm aberkennen
können. Doch bei der Absicht, John Hansl aus den USA abzuschieben, werde es
schon prekär.
Bei der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten wird Hansl eindeutig
eingeordnet: Er sei militärisch und ideologisch in einem SS-Totenkopfverband
ausgebildet worden. In den Lagern, die er bewachte, wurden Häftlinge durch
Arbeit, Folter und Erschießen getötet. Habe sich ein Häftling am
elektrischen Absperrzaun bewegt, sei ohne Warnung geschossen worden.