POTSDAM/BERLIN Das am Mittwoch bekannt gegebene Schreiben von
Innenminister
Jörg Schönbohm (CDU) an die Polizeipräsidenten zur rechtlichen Bewertung des
Kirchenasyls hat die Fronten zwischen der Landesregierung und der
evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg erneut verhärtet. “Der
Innenminister hat lediglich die Rechtslage beleuchtet, und die stimmt
so”,
betonte gestern der stellvertretende Regierungssprecher, Manfred Füger.
Auch
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) habe das Kirchenasyl nie als
eigenständiges Rechtsgut akzeptiert, sondern stets betont, dass es
rechtsfreie Räume nicht geben dürfe. Selbst nach einem
Schlichtungsgespräch
mit Landesbischof Wolfgang Huber und Innenminister Schönbohm vor einer
Woche
hatte Platzeck lediglich die Absicht geäußert: “Wir haben nicht vor,
Kirchen
zu stürmen.” Eine grundsätzliche Unantastbarkeit des Kirchenasyls hatte
Platzeck damit nicht ausgedrückt. Nach dem Schönbohm-Brief präzisierte
die
evangelische Kirche ebenfalls ihre Haltung zum Kirchenasyl. Sprecher
Reinhard Lampe stellte gegenüber der MAZ klar, dass Gemeinden, die Asyl
gewähren, die Rückendeckung der Kirchenführung haben. Der Bischof hatte
sich
vor einer Woche noch deutlich zurückhaltender geäußert. “Gemeinden
werden
nur dann Kirchenasyl gewähren, wenn sie in einem intensiven
Beratungsgespräch mit unserem Ausländerbeauftragten gestanden haben”,
so
Lampe. Das bedeutet, dass die Landeskirchenleitung grundsätzlich jene
Gemeinden unterstützt, die Asyl gewähren. Konkret gilt das sowohl für
das
vor einer Woche ausgesetzte Kirchenasyl in Schwante (Oberhavel) wie für
einen aktuellen Fall in Brandenburg/Havel. Dort hat eine
ausreisepflichtige
Familie aus dem Bürgerkriegsland Kongo Asyl bei der St.
Gotthardt-Kirchengemeinde gefunden. In den Fall des ausreisepflichtigen
Vietnamesen Xuan Khang Ha aus Schwante kommt offenbar Bewegung. Die
Stellungnahme der UN-Menschenrechtsorganisation UNHCR liegt inzwischen
vor.
Die Expertise kommt nach Informationen der MAZ zu dem Ergebnis, dass
eine
politische Verfolgung des allein erziehenden Vaters in Vietnam nicht
mit
Sicherheit auszuschließen sei. Vergrößert haben könnte sich die
Bedrohungslage für Ha durch das große Medienecho auf den Streit um sein
Kirchenasyl. Möglicherweise wurde erst dadurch eine Situation
geschaffen,
die den Staat Vietnam provoziert hat. Beobachter schließen deshalb
nicht
aus, dass die vietnamesische Regierung an Ha ein Exempel statuieren
könnte.
Ausschlaggebend für die Reaktion könnte das Ausmaß der Kritik sein, die
Ha
an Menschenrechtsverletzungen in Vietnam öffentlich geübt hat.
Zugespitzt
hat sich auch der Streit zwischen dem Schwanter Pfarrer Johannes Kölbel
und
dem Innenminister. Kölbel hat den von Schönbohm verklausuliert
formulierten
Vorwurf der Lüge gestern zurückgewiesen. Polizisten hätten nicht nur
Gemeinderäume durchsucht, wie Schönbohm erklärte, sondern auch
Privatzimmer,
betonte Kölbel — so das Schlafzimmer, in dem seine Frau mit einer
schweren
Bronchitis im Bett lag.
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