Neuer Verdacht: Abhörergebnisse manipuliert
(MAZ) POTSDAM Die Affäre um den mutmaßlichen V‑Mann des Landeskriminalamts (LKA),
Sven S., wird den Potsdamer Landtag beschäftigen. “Wir müssen uns noch
einmal damit befassen”, kündigte Christoph Schulze an. Der SPD-Abgeordnete
ist Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) sowie des
Innenausschusses des Landtags. Sollte sich bestätigen, dass Brandenburgs
größter Händler von Nazi-Musik als V‑Mann — wie die MAZ berichtete — oder
Informant für das LKA gearbeitet habe, “hätte das erhebliche Konsequenzen
für die, die uns falsch informiert haben”, betonte Schulze gestern gegenüber
der MAZ.
In seinem Urteil fühlte sich der SPD-Politiker offenbar schon einmal
sicherer. Nachdem er sich in einer PKK-Sitzung am 15. August 2002
“umfangreich informiert” gewähnt hatte, erklärte Schulze, Sven S. sei “kein
Informant, kein Tippgeber und kein V‑Mann des LKA” gewesen. Innenminister
Jörg Schönbohm (CDU) bekräftigte damals: “Sven S. ist nicht Informant des
LKA.” An diesem Wochenende erklärte das Innenressort dazu: “Sven S. war zu
keinem Zeitpunkt V‑Mann des LKA.”
Diskussionen um amtliche Nebentätigkeiten des Neonazis aus Borkwalde
(Potsdam-Mittelmark) sind nicht neu. Der Verdacht auf eine Zusammenarbeit
mit dem LKA Brandenburg ergab sich schon im vergangenen Jahr aus einem
Aktenvermerk des LKA Sachsen-Anhalt. Sven S. sei “als Informant für das LKA
Brandenburg geführt” worden, war dort zu lesen.
Informationen dieser Zeitung aus Sicherheitskreisen gehen darüber nun
hinaus: Das hiesige LKA habe den ehemaligen Brandenburg-Chef der verbotenen
militanten Skinhead-Gruppierung Blood & Honour vermutlich Ende 2000
angeworben. Bereits zu Beginn des Jahres 2001 habe der Top-Neonazi für die
Behörde gearbeitet und sei erfolgsabhängig entlohnt worden. “Sven S. war
V‑Mann des LKA”, heißt es in Sicherheitskreisen — verpflichteter V‑Mann, wie
betont wird, nicht nur Informant.
Sven S. hat sich dazu bisher nur einmal kurz geäußert. “Es gab nie eine
Zusammenarbeit”, sagte er der MAZ im vergangenen Jahr. Dass er seine
Hass-CDs zum LKA brachte, um sie dort auf strafbare Liedtexte überprüfen zu
lassen, erwähnte er als Form der Zusammenarbeit nicht.
Unklar bleibt auch, warum — wenn Sven S. kein V‑Mann war, wie er sagt — das
LKA ihm Schutzmaßnahmen angeboten haben soll. “Mir wurde x‑mal ein
Zeugenschutzprogramm angeboten, ich habe mich aber nie darauf eingelassen.”
Üblicherweise werden enttarnte V‑Männer in Zeugenschutzprogramme
aufgenommen. In Ermittlerkreisen wird Sven S. Verhalten so erklärt, dass er
lieber mit dem Vorwurf der Spitzelei leben wollte, als sein äußerst
lukratives Versand-Imperium für rechtsextreme Devotionalien aufzugeben. Bei
einem Leben mit neuer Identität wäre das erforderlich gewesen.
Unter zusätzlichen Druck ist das LKA am Wochenende durch den Vorwurf
mutmaßlicher Aktenmanipulation geraten. Die Behörde habe zwar am 6. Februar
2001 vier Telefonate aufgezeichnet, in denen der Verfassungsschutzspitzel
Christian K. seinen Freund und mutmaßlichen LKA-V-Mann Sven S. detailliert
vor einer Razzia des Polizeipräsidiums Potsdam warnte, berichtet der
“Focus”. In der knappen Zusammenfassung der Abhörergebnisse sei jedoch “nur
die Rede von belanglosen Gesprächen, die für das Ermittlungsverfahren gegen
Sven S. nicht relevant seien”.
Sollten diese Vorwürfe zutreffen, würde die Staatsanwaltschaft Potsdam — die
spätestens seit Dezember 2000 gegen Sven S. wegen Volksverhetzung
ermittelte — möglicherweise bis heute getäuscht. Aus den Akten der
Anklagebehörde ergeben sich keine Hinweise auf eine Manipulation, erklärte
Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg.. “Dieser Vorwurf ist für die
Staatsanwaltschaft neu.”
Kritik an Kooperation von LKA mit Neonazi
Schulze: Keine Rückendeckung geben
(MAZ) POTSDAM Die Zusammenarbeit des Landeskriminalamts (LKA) mit Brandenburgs
größtem Händler von Nazi-Musik, Sven S., stößt auf Kritik. Die Polizei dürfe
keine “politisch-juristische Rückendeckung für einen Neonazi organisieren”
und einen “Persilschein” für den Vertrieb rechtsextremer CD ausstellen,
forderte der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission, Christoph
Schulze, gestern gegenüber der MAZ. Er wäre darüber “schwer verwundert”,
sagte der SPD-Landtagsabgeordnete.
Unter Staatsanwälten herrscht ebenfalls Unverständnis über diese Form der
Zusammenarbeit. “So etwas hätte die Staatsanwaltschaft sofort unterbunden”,
heißt es in der Justiz. Das Innenministerium hat die Kooperation zwischen
dem LKA und Sven S. nicht dementiert.
Schlicht versagt
Kommentar in der MAZ
(MAZ) Der Fall des Neonazis Sven S. aus Borkwalde dokumentiert eindrucksvoll das
teilweise Versagen einer Strafverfolgungsbehörde im Kampf gegen
Rechtsextremismus. Dass Brandenburgs größter Händler von Nazimusik neu
erschienene CDs zur Überprüfung in das Landeskriminalamt (LKA) brachte,
bestreitet nicht einmal das Potsdamer Innenministerium. Für den jungen
Neonazi hatte diese Form der Zusammenarbeit große Vorteile: Mit dem
behördlichen Persilschein konnte Sven S. unbekümmert den Großteil der noch
erlaubten Hass-Musik legal verkaufen und mit diesem schwunghaften Handel ein
mittleres Vermögen anhäufen. Eine strafrechtliche Verfolgung durch den
Staatsanwalt musste er ja nicht befürchten — dank freundlicher Unterstützung
durch das LKA. Ohne diese ungewöhnliche Amtshilfe wäre vermutlich folgendes
geschehen: Neonazi Sven S. hätte deutlich mehr verbotene rechtsextreme CD in
Umlauf gebracht. Daraufhin hätte die Staatsanwaltschaft Potsdam — die gegen
den ehemaligen Brandenburg-Chef der verbotenen kriminellen Vereinigung Blood
& Honour bereits ermittelte — Sven S. wegen Volksverhetzung im großen Stil
anklagen können. Heute wäre Sven S. dann wohl nicht Brandenburgs größter
Nazimusik-Händler.
Hat er oder hat er nicht?
Wirbel um eine neue Brandenburger “V‑Mann-Affäre”
(MOZ) Potsdam (dpa) Das Brandenburger Innenministerium und die dortige
Generalstaatsanwaltschaft haben einen Zeitungsbericht über eine neue Affäre
um einen V‑Mann aus der Neonazi-Szene zurückgewiesen. Die “Märkische
Allgemeine Zeitung” (“MAZ”) hatte am Wochenende berichtet, entgegen
Äußerungen von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) habe Brandenburgs größter
Händler von Nazi-Musik, Sven S., als V‑Mann für das Landeskriminalamt (LKA)
gearbeitet, obwohl die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung gegen ihn
ermittelte.
Der Sprecher des Potsdamer Innenministeriums, Heiko Homburg, sagte am
Sonnabend auf Anfrage: “Der Mann war zu keinem Zeitpunkt V‑Mann des LKA”.
Generalstaatsanwalt Erardo Cristoforo Rautenberg erklärte, für den Verdacht
einer V‑Mann-Tätigkeit “gibt es aus den Akten der Staatsanwaltschaft Potsdam
keinerlei Erkenntnisse”.
Der Generalstaatsanwalt konnte auch einen Bericht des Magazins “Focus” nicht
bestätigen, dass in der V‑Mann-Affäre Abhörprotokolle über eine im Februar
2001 verratene Polizei-Razzia gegen die Neonazi- Szene im LKA manipuliert
worden sein sollen. “Ich kann auch nicht bestätigen, dass das LKA
Brandenburg in dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Potsdam gegen Sven S.
wegen Volksverhetzung den Inhalt von Abhörprotokollen zu dessen Schutz
manipuliert hat. Dieser Vorwurf ist für die Staatsanwalschaft neu”, sagte
Rautenberg.
Nach Recherchen der “MAZ” soll der ehemalige Brandenburg-Chef der im
September 2000 verbotenen mi
litanten Skinhead-Gruppierung Blood&Honour Ende
2000 angeworben worden sein. Sven S. habe zu Beginn des Jahres 2001 für das
LKA gearbeitet. Er sei förmlich verpflichtet und erfolgsabhängig bezahlt
worden, schreibt das Blatt. Dies sei brisant, weil Sven S. im Dezember 2002
vom Amtsgericht Brandenburg/Havel wegen Volksverhetzung zu einer Haftstrafe
von acht Monaten auf Bewährung verurteilt worden sei.
Potsdam weist V‑Mann-Vorwurf ab
(TAZ) POTSDAM dpa Brandenburgs Innenministerium und der Generalstaatsanwalt haben
einen Bericht über eine neue Affäre um einen V‑Mann aus der Neonazi-Szene
zurückgewiesen. Die Märkische Allgemeine Zeitung hatte berichtet, entgegen
Äußerungen von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) habe Brandenburgs größter
Händler von Nazi-Musik, Sven S., als V‑Mann für das LKA gearbeitet, obwohl
wegen Volksverhetzung gegen ihn ermittelt wurde. Danach soll der frühere
Brandenburg-Chef der verbotenen Skinhead-Gruppe Blood & Honour Ende 2000
angeworben worden sein. Der Sprecher des Potsdamer Innenministeriums sagte:
“Der Mann war zu keinem Zeitpunkt V‑Mann des LKA.” Generalstaatsanwalt
Rautenberg erklärte, für den Verdacht einer V‑Mann-Tätigkeit “gibt es aus
den Akten der Staatsanwaltschaft Potsdam keinerlei Erkenntnisse”. Auch einen
Focus-Bericht konnte er nicht bestätigen, wonach in der V‑Mann-Affäre
Abhörprotokolle über eine verratene Polizeirazzia gegen die Neonazi-Szene im
LKA manipuliert worden sein sollen.