22. Januar 2014 · Quelle: Recht auf Stadt [Potsdam]

Landtag Eröffnung in Potsdam

Es gab einmal eine Zeit, da emanzipierten sich in Teilen der Welt städtische Bürger von den althergebrachten Gewalten und kündigten Priestern und Fürsten die Gefolgschaft auf.

Wo diese nicht weichen wollten,köpfte man Könige und schleifte die Sym­bole ihrer Herrschaft.Seines eige­nen Glück­es Schmied zu sein, war das Ver­sprechen, dass die her­an brechende bürg­er­liche Gesellschaft bere­i­thielt, mithin das Ver­sprechen auf Glück über­haupt. In Preussen-Deutsch­land geschah der gle­ichen nicht. Als sich hier die Acker­bürg­er zu Fab­rikher­ren mauserten, sahen sie sich mit den zu Pro­leten wer­den­den Ple­be­jern kon­fron­tiert, die auch ein Stück vom Kuchen ab haben woll­ten. Die Bürg­er knif­f­en und ver­ri­eten die Frei­heit. Im Gegen­zug kartätscht­en die Fürsten bei Bedarf die auf­säs­si­gen Pro­leten und die paar Bürg­er die noch an die Frei­heit glaubten zusam­men. Ein Sym­bol dieser nicht ange­focht­e­nen Macht der Monar­chen, die bestand, bis sie aus eigene rMorschheit zusam­menkrachte, war das Pots­damer Stadtschloss. Die DDR schließlich ver­suchte den aus­ge­bliebe­nen Befreiungss­chritt nachzu­holen und schliff Stadtschloss und Garnisonkirche.

Die heutige Gesellschaft nun gibt sich täglich alle Mühe, uns zu demon­stri­eren, dass es in der Welt der Kap­i­talver­w­er­tung kein Glück mehr zu gewin­nen gibt. Das Beste was den Men­schen passieren kann ist,dass der stets dro­hende Absturz andere trifft, die Hartzies, die Griechen etc. Aber auch das Ver­sprechen ein­er neuen, besseren, das Glück für alle garantieren­den Gesellschaft, in dessen Namen das Stadtschloss einst gesprengt wurde, existiert nicht mehr, hat sich in mar­o­den Fab­riken und lan­gen Warteschlangen, in Jugendw­erkhöfen und Knästen unsterblich blamiert.

Ohne Hoff­nung auf Besserung quälen wir uns täglich durch ein unsin­niges Leben. In ein­er Welt, in der die Mit­tel vorhan­den sind, allen Bewohn­ern dieses Plan­eten ein Leben in Würde und die Möglichkeit,glücklich zu wer­den zu bieten, dienen diese Mit­tel nur dazu Elend, Aus­beu­tung, Dummheit und Igno­ranz zu verewigen. Ertra­gen kann man das ganze nur im Suff oder im Wahn. Dieser Wahn lebt sich meist friedlich aus. Hun­dert­tausend­fach fliehen erwach­sene Men­schen aus der Real­ität, trinken Met auf Mit­te­lal­ter­jahrmärk­ten, verklei­den sich als Hob­bits und Elfen oder fiebern mit der Wan­der­hure um die Liebe, die sie selb­st nicht mehr find­en kön­nen. Das ist der Eskapis­mus der­jeni­gen, die dem Ter­ror von Lohnar­beit und Hartz4 in eine Welt ent­fliehen, in der sie hof­fen mehr zu sein als ein stets erset­zbar­er Behäl­ter der Ware Arbeit­skraft, in der sie noch der Prinz sein kön­nen, der die Prinzessin vor dem Drachen ret­tet (oder umgekehrt).

Demge­genüber ste­ht der Wahn der­jeni­gen, die glauben, hier zu bes­tim­men wie die Dinge laufen, in ihren Soft­wareschmieden, Talk­shows und als Führer poli­tis­ch­er Appa­rate. Ins­ge­heim ist auch ihnen klar, dass sie nur Charak­ter­masken sind, dass nicht sie bes­tim­men wie der Laden läuft, son­dern dass auch sie nur um den Preis des stets möglichen Absturzes (bei dem sie allerd­ings i.d.R. weich­er fall­en als die anschlussver­wen­dete Schleck­er-Verkäuferin) den stum­men Zwang der Ver­hält­nisse exeku­tieren. Vor einem Zeug­nis ihres Wahns ste­hen wir hier. Vor dem in Beton gegosse­nen, endgülti­gen Abschied von der Idee der Demokratie als ein­er Herrschaft selb­st­be­wusster Bürg­er, die ihre Inter­essenkon­flik­te reg­uliert aus­tra­gen und dem Sym­bol der Hoff­nung auf den güti­gen, harten, aber gerecht­en Sou­verän, der den Zwang der Ver­hält­nisse zer­reißt, in dessen Entschei­dun­gen die Macht wieder zu sich kommt. Dafür ste­ht die Bittschriften­linde, die vor dem Schloss wieder ste­hen soll, und an der in Zukun­ft die zu Unter­ta­nen regredieren­den Bürg­er wieder ihre Peti­tio­nen anheften werden.

Aber: feu­dale Ver­hält­nisse lassen sich nicht wieder­her­stellen, die ersehnte Rück­kehr in die gute alte Zeit ist der Schritt nach vor nein die Bar­barei. Diese Bar­barei scheint schon auf in den Ver­nich­tungsphan­tasien, die in beige gewan­dete Rent­ner, gebotoxte Bou­tiqe­be­treiberin­nen, Schaus­piel­er­darsteller, Barock­fa- und-fetis­chis­ten und was sich son­st noch in dieser Stadt für Bürg­er­tum hält jenen, die den Wahn nicht mit­machen wollen ins Gesicht brüllen, wenn sie ihre Kinder­stube fahren lassen und mit Regen­schir­men und Fäusten auf die Kri­tik­erIn­nen losgehen.

Der Wiederabriss des Stadtschloss­es ändert an den Ver­hält­nis­sen unter denen wir leben nichts. Nichts­destotrotz wer­den wir es abreißen,wenn wir sie geän­dert haben.

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