Die Tradition des Gedenkens in dieser Form besteht nun schon seit einigen Jahren: Auch am vergangenen Freitag, die Befreiung des KZ Auschwitz jährte sich zum 67. Mal, versammelten sich Potsdamer Antifaschist_innen am Mahnmal der Opfer des Faschismus zum würdigen Gedenken.
Etwa 70 Menschen hörten die Rede eines Genossen vom VVN-BdA, der anmahnte, dass eine aktive und wirksame Gedenkpolitik nur im Herzen der Stadt und nur mit wirklichem Engagement stattfinden kann. Nach dem Vortragen eines Gedichtes von Paul Celan, einer Minute des Innehaltens und dem Niederlegen von Blumen und Kerzen wurde das Gedenken am sowjetischen Ehrenfriedhof fortgesetzt. Auch die dort gehaltene Rede der [a] antifaschistischen linken potsdam forderte ein, aus der Vergangenheit Schlüsse zu ziehen, sich heute aktiv gegen reaktionäre Entwicklungen einzusetzen und ein Wegschauen und Hinnehmen kein weiteres Mal zu
akzeptieren.
Text der Rede der [A] Antifaschistischen Linken Potsdam
Wir haben uns heute, nach mittlerweile langer linker Potsdamer Tradition, zusammengefunden um an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 67 Jahren zu erinnern.
Damals erreichte die Rote Armee das größte Vernichtungslager der deutschen Konzentrationslager, die wie ein Netz überall im deutschen Einflussbereich nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ab 1933 errichtet wurden.
In ihnen wurden Millionen Menschen zur Arbeit gezwungen, gequält, gefoltert, viele getötet. Auch in Auschwitz waren bei der Ankunft der Befreier_innen gerade noch um die 7000 Menschen am Leben, von denen viele in den folgenden Tagen, Wochen und Monaten durch Entkräftung und Krankheit starben.
Doch diese Menschen legten Zeugnis über den Massenmord in Auschwitz ab. Zeugnis über die ca. 1,5 Millionen Toten, die in Auschwitz vor allem vergast, aber auch erschlagen, verhungert oder an Krankheit gestorben sind. Ebenso wurde bekannt, dass an Erwachsenen und Kindern unmenschliche und sinnlose medizinische Experimente durchgeführt wurde, die den Betroffenen maßlose Qualen, oftmals aber sogar den Tod brachten. Trotz allem formierte sich auch hier Widerstand.
Die scheinbare Ausweglosigkeit brachte Solidarität unter den Gefangenen hervor, aber auch spontanen Aufstände oder Fluchtversuche.
Auschwitz — der wirkliche gewordene Alptraum des Hasses. Hass vor allem auf Menschen, die als Jüd_innen klassifiziert wurden. Der in Deutschland sich seit langer Zeit entwickelte Antisemitismus machte es möglich, dass so viele Menschenleben in Lagern wie Auschwitz, Majdanek, Buchenwald, Sobibor, Belzec, Treblinka aber auch in den Wälder Osteuropas vernichtet wurden. Dies geschah nicht nur durch überzeugte Nationalsozialist_innen, auch viele Bürger_innen sowohl in Deutschland, als auch Unterstützer_innen in den besetzten Ländern halfen beim Massenmord: als Polizeibeamt_innen, die Menschen festnahmen, schlugen und erschossen, als Mitarbeiter _innen der Reichsbahn, welche die Massentransporte in die Lager organisierten, als Nachbar_innen von Feinden des NS-Regime, die denunzierten, als Anwohner_innen einer Straße, die wegschauten oder applaudierten als die Transporte an ihnen vorbei führten, als Angehörige der deutschen Wehrmacht oder mit ihr verbündeten Armeen, die das Fortführen des Mordens militärisch ermöglichten, sich an Erschießungen beteiligten oder Aktionen der Vernichtung absicherten. Die Schuld betraf eine ganze Generation. Und sie betrifft uns heute. Als Verantwortung.
Nie wieder darf geschehen, was damals passierte.
Gerade 2011 wurde uns vor Augen geführt welch einen langen Weg wir noch vor uns haben.
Eine nazistische Mordgruppe tötet über Jahre ungestört in Deutschland und verhöhnt seine Opfer aufs Unmenschlichste.- Und das alles unter den Augen der Repressionsorgane.
Während in Dresden bei antifaschistischen Demonstrationen Tausende von der Staatsmacht überwacht, verprügelt und gejagt wurden, scheint es so, dass Nazis mit staatlichen Geldern und trotz 182 Toten seit 1990 hofiert werden. Dies muss uns wieder daran erinnern, dass in Deutschland Antifaschismus keine Uniform trägt und nicht beim Verfassungsschutz arbeitet. Nur die Menschen, die Faschismus als Meinung ablehnen und diesem mit allen Mitteln entgegentreten, Menschen, die die Gefahren einer faschistischen Gesellschaft auch als eine Gefahr aus der so genannten „Mitte der Gesellschaft“ erkennen und den Extremismusbegriff ablehnen, weil dieser Antifaschismus kriminalisiert und mit Faschismus gleichsetzt, können Nazis in Deutschland dauerhaft bekämpfen.
Gerade in Ungarn können wir sehen wie eine konservative Regierung im Bündnis mit neuen Nazis an die Macht kam. Diese kann selbst als Mitglied der EU einfachste demokratische Zugeständnisse an seine Bürger_innen abschaffen ohne, dass ein Aufschrei durch andere Staaten ging.
Pogrome gegen Roma und Sinti, die insbesondere auch in Osteuropa stattfinden sowie steigende Mordraten an so genannten „Ausländern“ und linken Oppositionellen in vielen osteuropäischen Staaten, ja nicht einmal die Ehrung von Angehörigen der Waffen-SS in Estland, führt zu irgendeiner Reaktion der bürgerlichen Demokrat_innen.
Daher lasst uns heute nicht nur an die Betroffenen des Unrechts, die Opfer der Gewalt durch die Nationalsozialist_innen, die Soldat_innen der alliierten Armeen und an die vielen Menschen denken, Widerstand leisteten.
Lasst uns auch gemeinsam kämpfen gegen die nazistische Bedrohung, gegen jede Verklärung oder Verharmlosung des Geschehenen. Lasst uns einstehen für eine neue, bessere Gesellschaft ohne Krieg und Faschismus.