Die Volksinitiative zur Überwindung des Sachleistungsprinzips in Brandenburg
sieht die Aufhebung der Runderlasse zum Asylbewerberleistungsgesetz durch die
Landesregierung nur unter großem Vorbehalt als Teilerfolg.
Ziel der Volksinitiative ist die landesweite Zahlung von Bargeld an Menschen,
die in Brandenburg Asyl suchen. Dazu wurden bereits landesweit Unterschriften
durch viele engagierte Einzelpersonen und Organisationen seit Oktober 2002
gesammelt.
Immerhin sieben der Landkreise und kreisfreien Städte haben sich bereits gegen
das Sachleistungsprinzip ausgesprochen. Oft wurden die Entscheidungen mit der
diskriminierenden Wirkung der Sachleistungen für die Flüchtlinge und hohen
Mehrkosten des Gutscheinsystems für die Kreise begründet.
Die Landesregierung delegiert im wesentlichen die Entscheidung gegen
Diskriminierung vorzugehen, an die Landkreise und entzieht sich somit der
Verantwortung für ein Engagement gegen strukturellen Rassismus.
“Damit ist der Kern der Kritik allerdings nicht beseitigt: Das
Asylbewerberleistungsgesetz behandelt Asylsuchende als Menschen zweiter Klasse.
Die Benachteiligung gegenüber Sozialhilfeempfänger/innen macht ein
menschenwürdiges Leben in Brandenburg unmöglich”, so Stefanie Martin von der
Volksinitiative. Das Prinzip der Diskriminierung bleibe damit elementarer
Bestandteil brandenburgischer Flüchtlingspolitik.
In einem Brief vom Sozialministerium wird den Landkreisen und kreisfreien
Städten sogar suggeriert, eine Bargeldzahlung innerhalb der ersten drei Jahre
sei nicht möglich. Tatsächlich ist aber nur während des Aufenthalts in der
Zentralen Aufnahmestelle in Eisenhüttenstadt ausdrücklich die Versorgung durch
Sachleistungen vorgeschrieben. Danach steht es den Landkreisen frei, nach den
Gegebenheiten vor Ort selbst zu entscheiden, ob sie Bargeld oder Sachleistungen
gewähren. Bei Flüchtlingen, die länger als 3 Jahre in der Bundesrepublik leben,
ist die Gewährung von Bargeld sogar der gesetzliche Regelfall. Ein Blick auf
andere Bundesländer (z.B. Sachsen-Anhalt, Bremen) zeigt, dass die Auszahlung
von Bargeld von Anfang an sehr wohl praktiziert wird.
Die Landesregierung hat die Entscheidungskompetenz an Dritte übertragen. “Sie
überlässt ein Vorgehen gegen Diskriminierung und die Verbreitung rassistischer
Denkmuster damit dem Ermessen einzelner Landkreise. Das ehrenamtliche
Engagement der Träger/innen der Volksinitiative wird damit nicht belohnt”,
zeigt sich Stefanie Martin enttäuscht. “In der Konsequenz heißt dies, dass
weitere Überzeugungsarbeit in den einzelnen Kreisen viel Kraft und Zeit kosten
wird.”
Eine Aufrechterhaltung des Sachleistungsprinzips aus Gründen der Abschreckung
ist nur ein Vorwand. Die Asylanträge sind Deutschland seit Jahren rückläufig,
der Ausländeranteil an der Bevölkerung liegt in Brandenburg unter 2%. Das Leben
von Ausländer/innen in Brandenburg kann nicht als reizvoll beschrieben werden:
Die Gefahr rassistischer Übergriffe bleibt alltäglich, die Isolation und
Ausgrenzung wird für Flüchtlinge durch eine unzureichende Unterbringung,
schlechte medizinische Versorgung, faktisches Arbeitsverbot und die
Residenzpflicht tagtäglich forciert.
“Es ist bedauerlich, dass die Landesregierung, den zahlreichen
zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Ausgrenzung und Rassismus nicht mit
couragiertem Beispiel vorangeht”, heißt es von Seiten der Volksinitiative.