Für Sonntag den 12. Mai riefen die Partei DIE LINKE, die Linksjugend.SOLID und die Antifa Westbrandenburg zu einer Demonstration in Lehnin auf. Grund hierfür war der Aufzug von rund 20 bis 30 teilweise vermummter (Neo)nazis am Abend des 08. Mai, dem Tag der Befreiung.
(Neo)nazistischer Spontanaufmarsch am 8. Mai
Sie zogen gegen 23 Uhr von der Bahnhofsstraße kommend über den Marktplatz in die Emstaler Straße und dann zum Markgrafenplatz. Dort beendeten sie ihren unangemeldeten Aufzug. An der Spitze des Aufmarsches hielten zwei Demonstrationsteilnehmer_innen ein Transparent mit der Aufschrift „Licht und Schatten – Gedanken einer neuen Zeit“. Des Weiteren führten sie Fackeln bei sich, warfen Böller und hinterließen zahlreiche Flyer mit unterschiedlichen Aufschriften, so u. a. „Gedanken einer neuen Zeit“ und „Die Demokraten beerdigen das deutsche Volk“. Auf dem Parkplatz einer Bank und eines Supermarktes in der Emstaler Straße und auf dem Markgrafenplatz (Busbahnhof) schmierten sie zahlreiche Graffitis mit dem Verweis auf ihre Internetseite („lichtschatten.info“) und die (neo)nazistische Parole „Frei Sozial & National“. Nach dieser Blitzaktion, welche nur wenige Minuten dauerte, verschwanden die Demonstrationsteilnehmer_innen unerkannt (1).
Obwohl zahlreiche Lehniner Anwohner_innen die Polizei umgehend informierten brauchten sie nach Augenzeug_innen circa zwei Stunden bis zu ihrem eintreffen und konnte lediglich die liegengebliebenen Flyer und die Graffitis dokumentieren. Mittlerweile sind die Ermittlungen jedoch so weit fortgeschritten, dass die Polizei davon ausgeht, dass die Demonstrationsteilnehmer_innen aus Potsdam, Töplitz und Werder (Havel) stammen sollen, Festnahmen gab es bisher jedoch keine (2).
Auf der Internetpräsenz der (Neo)nazis fanden sich wenige Tage nach dem illegalen Aufzug Bilder der Aktion und ein dazugehöriger Text. In diesem verleugnen sie die Verbrechen ihrer geistigen Vorväter und diskreditierten die Befreier vom Hitlerfaschismus.
Die Aufmachung und der Inhalt der (neo)nazistischen Internetpräsenz sowie das Vorgehen der (Neo)nazis lassen eindeutig Parallelen zum im Frühjahr 2012 verbotenen Netzwerk „Widerstand Südbrandenburg“, welches auch unter dem gängigeren Namen „Spreelichter“ bekannt ist, erkennen. Dort hieß eine Parole „Die Demokraten bringen uns den Volkstod“, bei „lichschatten.info“ lautet sie „ Die Demokraten beerdigen das deutsche Volk“. Des Weiteren zeichneten sich die „Spreelichter“ auch durch unangemeldete Aufmärsche in verschiedenen Städten aus. Diese wurden nachträglich durch Videoaufnahmen und Fotos im Internet glorifiziert. Es muss davon ausgegangen werden, dass es in Zukunft weitere solche Demonstrationen in Potsdam-Mittelmark, den angrenzenden Landkreisen und kreisfreien Städten geben wird. Dass das Treiben der (Neo)nazis jedoch nicht unbeantwortet bleibt zeigten zahlreiche Lehniner_innen am Sonntag den 12. Mai.
Antifaschistische Kundgebung …
Insgesamt 60 bis 70 Personen nahmen an einer Kundgebung mit anschließender Demonstration in Lehnin teil. Als erstes hielt der Göhlsdorfer Landtagsabgeordnete Andreas Bernig einen Redebeitrag, in dem er erklärte, dass „Lehnin nicht braun, sondern bunt ist“ und man den Rechten zeigen wolle, „dass wir ihnen nicht unsere Straßen und Plätze überlassen.“ Des Weiteren verwies er darauf, dass „der 8. Mai als Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges eine Niederlage für die Rechten sei, aber für alle Demokraten und friedliebenden
Menschen ein Tag der Befreiung ist“. Anschließend folgte der Redebeitrag der Antifa Westbrandenburg. In diesem wurde ebenfalls auf die Bedeutung des 08. Mai eingegangen und auch auf die anderen (neo)nazistischen Veranstaltungen an diesem Tag aufmerksam gemacht. So zum Beispiel in Berlin-Karlshorst, Königs Wusterhausen und Demmin (Mecklenburg-Vorpommern). Des Weiteren verwies der Redner auf den am 07. November 1992 von drei (Neo)nazis ermordeten Rolf Schulze hin. Die brutale Tat spielte sich am nahe gelegen Kolpinsee ab, einem bekannten (neo)nazistischen Treffpunkt der 90er Jahre (3).
… und Demonstration am 12. Mai
Nach Beendigung des zweiten Redebeitrags setzten sich die Kundgebungsteilnehmer_innen in Bewegung und zogen durch Lehnin. An der Spitze des Demonstrationszuges wurde ein Transparent mit der Aufschrift „Niemand ist Vergessen – Rolf Schulze am 07.11.92 von Neonazis in Lehnin ermordet“ getragen und antifaschistische Parolen gerufen. Des Weiteren verteilten Personen am Rande des Aufzuges Flyer an Passant_innen. Nachdem die Demonstration wieder an ihrem Ausgangsort angelangt war, wurde sie aufgelöst und die Teilnehmer_innen machten sich auf den Weg nach Hause. Einige Antifaschist_innen machten sich noch mit abwaschbarer Sprühkreide daran, die noch nicht entfernten (neo)nazistischen Parolen symbolisch zu entfernen. Hierbei kam es noch zu einem Wortgefecht mit lokalen Polizist_innen und dem Leiter des Ordnungsamtes. Diesem wurde klar gemacht, dass es nicht hinnehmbar ist, dass diese Parolen noch immer im Zentrum von Lehnin vorzufinden sind. Der Leiter des Ordnungsamtes versprach daraufhin, sich gleich am Montag darum zu kümmern. Anschließend wurden noch einige (neo)nazistische Flyer eingesammelt, welche ebenfalls noch an der Marschroute der (Neo)nazis zu finden waren.
Zusammenfassend kann die Kundgebung als auch die Demonstration als ein klarer Erfolg gewertet werden, denn zu den Demonstrationsteilnehmer_innen gehörten mehrheitlichen Bürger_innen aus Lehnin und den umgebenden Dörfern. Auch die Aussage von Andreas Bernig MdL, dass „jede angemeldete Demonstration schon im Vorfeld die demokratische Öffentlichkeit auf den Plan gerufen und ein Aufzug dann stark eingeschränkt oder verhindert hätte“, macht deutlich, dass (Neo)nazis in Lehnin kein leichtes Spiel haben.
Fotos:
http://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157633479497234/
http://www.flickr.com/photos/neysommerfeld/sets/72157633479708436/
Textquellen:
(1) http://rbb-online.de/nachrichten/politik/2013_05/Nazis_erschrecken_Buerger_mit_Blitz_Demo_in_Lehnin.html , 09.05.2013
(2) http://www.pnn.de/pm/750381/, 11.05.2013
(3) http://pressearchivwestbrandenburg.wordpress.com/todesopfer/rolf-schulze/