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Leihstimmen” für die DVU: Keine Partei will es gewesen sein

(BM) Pots­dam — Im Pots­damer Land­tag erfährt die DVU durch den Stre­it der
demokratis­chen Parteien über den Umgang mit ihr eine für sie unverhoffte
Aufw­er­tung: Kaum jubelt die Deutsche Volk­sunion in der neuesten Aus­gabe der
“Nation­al-Frei­heitlichen Frak­tions-Nachricht­en”, ihre Frak­tion­schefin Liane
Hes­sel­barth sei vom Land­tag am 28. Okto­ber sog­ar von fünf Abgeordneten
außer­halb der DVU-Frak­tion in die G‑10-Kom­mis­sion (zuständig für die
Genehmi­gung von Tele­fon­ab­hörung) gewählt wor­den, schieben sich CDU und PDS
den Schwarzen Peter zu. 

CDU-Frak­tion­schef Thomas Lunacek ver­mutet hin­ter den fünf Mehr-Stim­men für
die DVU ein tak­tis­ches Ver­hal­ten der PDS, um Sand ins Getriebe der Koalition
zu streuen. Der Berlin­er Mor­gen­post sagte er: “Ich bin davon überzeugt, daß
kein­er aus der Rei­he der Union die DVU-Vertreterin gewählt hat.” 

Die PDS reagierte empört. Ihr par­la­men­tarisch­er Geschäfts­führer Heinz Vietze
nan­nte die Unter­stel­lung “aber­witzig”. Überdies hät­ten bei der offe­nen Wahl
Hes­sel­barths ins Prä­sid­i­um sehr wohl einige CDU-Abge­ord­nete ihre Hand
gehoben. “Es ist kein Geheim­nis, daß manche in der CDU der DVU nahestehen”,
sagte Viet­ze. Er warf SPD und CDU vor, die PDS wie im Wahlkampf mit der
recht­sex­tremen Partei gle­ichzustellen: “Damit bere­it­et man der DVU nur den
Boden.” 

Auch die SPD hält es für völ­lig aus­geschlossen, daß die Stim­men für die DVU
aus ihren Rei­hen kamen. Frak­tion­schef Gün­ter Baaske warnte gestern davor,
die DVU weit­er hochzus­pie­len. Die SPD-Spitze in Bran­den­burg gehe von einem
Verse­hen bei der Abstim­mung aus. 

Ver­gle­iche mit Sach­sen und der Wahl des dor­ti­gen Min­is­ter­präsi­den­ten seien
völ­lig unpassend. Georg Mil­bradts Gegenkan­di­dat von der NPD hat­te zwei
Stim­men mehr erhal­ten, als die NPD Sitze hat. 

Die nicht im Pots­damer Par­la­ment vertrete­nen Grü­nen sehen in dem skandalösen
Wahlergeb­nis hinge­gen einen Man­gel an poli­tis­ch­er Kul­tur. Während für
Sach­sen als möglich­es Motiv noch eine bewußte Beschädi­gung Milbradts
ver­mutet wer­den kon­nte, gibt es für das Ver­hal­ten Bran­den­burg­er Abgeordneter
nach Ansicht von Lan­deschef Joachim Gessinger nur einen einzi­gen plausiblen
Grund: deren poli­tis­che Überzeugung. 

Beim The­ma DVU wer­den die Parteien nervös

CDU-Frak­tion­schef nimmt Äußerun­gen zurück / PDS-Frak­tion­schefin ermah­nt Parteifreund

POTSDAM. Der Wiedere­inzug der recht­sradikalen DVU in den Pots­damer Landtag
sorgt bei den etablierten Parteien für bemerkenswerte Verän­derun­gen: Denn
bei der jüng­sten Land­tagswahl haben 20 Prozent der männlichen Erst­wäh­ler für
die DVU ges­timmt. Der neue CDU-Frak­tion­schef Thomas Lunacek hat­te unter
diesem Ein­druck vor drei Tagen das Konzept der mul­ti­kul­turellen Gesellschaft
für gescheit­ert erk­lärt und dies auch damit begrün­det, dass Jugendliche aus
dem Umland in Berlin­er S‑Bahnen ver­prügelt würden. 

Am Don­ner­stag nun nahm Lunacek die Äußerung zurück. “Ich habe das so nicht
sagen wollen”, sagte Lunacek der Berlin­er Zeitung. Fakt aber sei, dass “das
Konzept der mul­ti­kul­turellen Gesellschaft zur Entste­hung von
Par­al­lelge­sellschaften” in Berlin beige­tra­gen habe. Und brandenburgische
Jugendliche hät­ten ihm mehrfach berichtet, dass sie sich in der Berliner
S‑Bahn bedro­ht gefühlt hät­ten. “Viele dieser Jugendlichen haben nun mal
Vor­be­halte gegenüber anderen Kul­turen und Nation­al­itäten”, sagte Lunacek.
“Damit müssen wir offen umge­hen, und wir müssen ander­er­seits für mehr
Inte­gra­tion sor­gen.” Lunacek bekräftigte, dass sich die CDU stärk­er um
The­men wie Heimat und Nation­al­be­wusst­sein küm­mern wollte. Auch
CDU-Parte­ichef Jörg Schön­bohm über­rascht in der Rechtsextremismus-Debatte.
Erst­mals in seinem poli­tis­chen Leben hat Schön­bohm eine Kundge­bung gegen
Recht­sex­trem­is­ten ini­ti­iert: Am Volk­strauertag 2005 sollen CDU und SPD
gemein­sam in Halbe eine Demon­stra­tion gegen die alljährlich dort
stat­tfind­en­den Neon­azi-Aufmärsche organ­isieren, sagte Schön­bohm. Die
Sol­daten­gräber von Halbe dürften nicht zum “Wall­fahrt­sort für Neonazis”
wer­den. Bish­er hat­te sich Schön­bohm stets geweigert, an solchen Kundgebungen
teilzunehmen. Eine Berlin­er Großdemon­stra­tion gegen Recht­sex­treme und
Anti­semitismus am 9. Novem­ber 2000 hat­te er noch als “Kerzen­prozes­sion”
abge­tan und war der Ver­anstal­tung, an der fast alle deutschen
Spitzen­poli­tik­er teilgenom­men hat­ten, fern geblieben. 

SPD-Geschäfts­führer Klaus Ness wies nun darauf hin, dass Schön­bohm entgegen
seinem weit ver­bre­it­eten Image “bish­er keine Inte­gra­tionsleis­tung nach
rechts” voll­bracht habe. Das sei ein heik­ler Bere­ich. PDS-Fraktionschefin
Dag­mar Enkel­mann hinge­gen warnte Lunacek: “Es ist aben­teuer­lich und
ver­harm­losend, wenn die CDU nun die The­men der DVU beset­zen will.” Die CDU
müsse sich fra­gen lassen, ob sie über­haupt noch die offene Gesellschaft
wolle. Die CDU ihrer­seits ver­weist darauf, dass es Heimat­stolz und
Nation­al­be­wusst­sein bere­its vor Grün­dung der DVU gegeben habe. 

Inner­halb der PDS wiederum gibt es Wirbel um Äußerun­gen des Abgeordneten
Frank Ham­mer. Er wieder­holte am Don­ner­stag, dass er die DVU bish­er “als
bürg­er­liche oder klein­bürg­er­liche Partei” wahrgenom­men habe, die nur
gele­gentlich Aus­flüge in den Rechts-extrem­is­mus unternehme. Erst seit dem
Bünd­nis mit der NDP gilt die DVU auch für ihn als recht­sex­trem. Noch aber
sei die Partei “ohne Verbindung zu mil­i­tan­ten recht­en Grup­pen”. Man müsse
“die Auf­fas­sun­gen dieser tragikomis­chen Fig­uren inhaltlich ad absurdum”
führen. Ham­mer weit­er: “Ich habe jahre­lang als Sozialar­beit­er gear­beit­et und
kenne das Milieu der Mitläufer.” Dazu zäh­le er einzelne DVU-Abgeordnete.
PDS-Innen­poli­tik­er Hans-Jür­gen Schar­fen­berg sagte, diese Ein­schätzung sei
“eine Einzelmei­n­ung”. Auch Frak­tion­schefin Enkel­mann zeigte sich irritiert:
“Wir sind der Mei­n­ung, dass die DVU eine recht­sex­trem­istis­che Partei ist.”
Das sollte Ham­mer wissen. 

Die SPD-Frak­tion bemüht sich indes um einen betont schrof­fen Umgang mit der
DVU: Frak­tion­schef Gün­ter Baaske und Lan­des­geschäfts­führer Ness bezeichnen
die Parteigänger des Ver­legers Frey als “Nazis” und “Faschis­ten”. Und die
DVU zeigt die bei­den SPD-Poli­tik­er wegen übler Nachrede an.

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