Die 10. Klasse der Oberschule Letschin besuchte mit ihren Betreuern Martina Fröhlich (Lehrerin) und Jana Behrend (Schulsozialarbeiterin) das ehemalige deutsche Konzentrationslager Auschwitz, im heute polnischen Oswiecim
gelegen, und die alte Königs- und zugleich Hauptstadt Polens, die Touristenmetropole Kraków (Krakau). Die Organisation der Fahrt lag in den Händen des Jugendzentrums FRIZZ, der Seelower Kindervereinigung. Uwe Hädicke, deren Vorsitzender, begleitete die Gruppe. „Seit mehreren Jahren
haben bieten wir uns den Schulen als Partner für die die inhaltliche und organisatorische Durchführung solcher Bildungsfahrten für Jugendliche und junge Erwachsene an. Dass diese Offerte großer Nachfrage besonders bei den
Schulen in der Region erfährt, freut uns“, so der Vereinschef. Das Deutsch-Polnische Jugendwerk, die Aktion Sühnezeichen- Friedensdienste, der Landkreis Märkisch-Oderland, der Lokale Aktionsplan MOL, der
Schulförderverein sowie der Landtagsabgeordnete Wolfgang Heinze (Die Linke) und die Eltern der Schüler ermöglichten diese Projektfahrt.
In Krakau selbst führte die Gruppe Erkundungen zu Spuren jüdischen Lebens
durch. Lebten hier vor dem 2. Weltkrieg mehr als 70.000 Juden, waren es nach
1945 nur wenige Hundert, die den Gaskammern entkommen konnten und
überlebten. Im Galizischen Museum Krakaus erfuhr die Gruppe unter anderem,
was die Ghettoisierung Tausender Juden in der Zeit des 2. Weltkrieges
bedeutete, aber vor allem auch, welche Vielfalt und kultureller Reichtum
aufgrund dieser Verbrechen verloren ging.
Ab Anfang 1940 wurden die Ghettos gegen die Außenwelt abgeriegelt, ab 1941
waren sie auch das Ziel von Deportationen aus Deutschland. Zu den Ghettos in
Krakau, Warschau und in vielen anderen Orten auf polnischem Boden kamen ab
Juni 1941 mit dem Überfall auf die Sowjetunion die Ghettos in Ostpolen,
Litauen, Estland und Lettland, Weißrussland und in der Ukraine hinzu. Die
Ghettos bildeten eine Etappe in der Geschichte des Holocaust, sie waren bei
allem Leid und Elend, bei allen Tragödien, die sich dort abspielten, jedoch
noch nicht die Hauptschauplätze des Völkermordes. Sie waren in den Jahren
1940 bis 1943 Wartesäle zur Vernichtung, Vorhöfe der Hölle,
Zwischenstationen für die Lager, in die die Menschen dann zum Zweck ihrer
Ermordung deportiert wurden. Durch interessante Erzählungen einer Referentin
des Museums wurde das Wissen der Schüler über Geschichte, Leben, Verfolgung
und heutiges Leben der Juden erweitert. In Vorbereitungsveranstaltungen
wurden die Schüler an die Thematik herangeführt. Auch durch den Film
„Schindlers Liste“ war ein Ausschnitt der Geschehnisse im Krakau zu Zeiten
der Naziherrschaft den Schülern bekannt, so dass die Führungen an diesem
Wissen ansetzen konnten. Am Gedenkstein an der ehemaligen Erschießungswand
des ehemaligen KZ legte die Letschiner Gruppe Blumen für die Opfer dieser
Massenvernichtung nieder. Allein im KZ Auschwitz bezahlten mehr als 1,5
Millionen Menschen, zumeist Juden, die Politik des Rassenwahns mit ihrem
Leben.
Auch 63 Jahre nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus und dem schlimmsten
Kapitel deutscher Geschichte mahnte Jurek Bochenski, er brachte als
Museumsführer im ehemaligen KZ Auschwitz der Gruppe an zwei Tagen die
Maschinerie des Todes im Stammlager Auschwitz und in Auschwitz-Birkenau
nahe, dass es nie wieder solche Verbrechen an Menschen geben dürfe. „Redet
mit Euren Familien, Freunden und später einmal mit euren Kindern über das,
was ihr hier erfahren und vermittelt bekommen habt, dass sich dieses Leid
niemals mehr wiederholen wird“. Die Schüler erfuhren viel über die
Organisation des Grauens im größten Vernichtungslager, das nahezu akribische
Planen und Umsetzen der Tötungsideologie. „Die Beispiele der
Einzelschicksale wie die von Edek und Mala, die uns in einem Vortrag
geschildert wurden, machten uns sehr traurig“, so Schülerin Ariane Opolski.
Zur Vorbereitung dieser fünftägigen Gedenkstättenfahrt informierten sich die
Jugendlichen in den zurückliegenden Wochen in der Gedenkstätte „Seelower
Höhen“ und im „Museum Martyrologii“ Slonsk über die Geschehnisse in ihrer
Heimatregion im 2. Weltkrieg. Das Slonsker Museum erinnert an das Zuchthaus
und eines der ersten deutschen Konzentrationslager im damaligen Sonnenburg.
Zu den bekanntesten deutschen Häftlingen gehörten der
Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky, der Dichter Erich Mühsam und
der Jurist Erich Litten. 1942 erhielt das KZ ein spezielles Profil: Hier
wurden nun Widerstandskämpfer aus den besetzten Gebieten inhaftiert, die
durch den „NN-Erlass“ bei „Nacht- und Nebel“ aus ihrer Heimat verschleppt
und nach Sonnenburg deportiert wurden. Im Januar 1945, kurz vor der
Befreiung des Lagers durch die Rote Armee, ermordete ein Sonderkommando der
SS 819 der Insassen in einer Nacht binnen zwei Stunden. Nur vier von den
Häftlingen überlebten das Massaker.
Die polnische Wahrnehmung und Bewertung der Geschichte war in diesem Jahr
erstmalig für die Schülergruppe dahingehend möglich geworden, dass der
Kustor des Museums Martyrologii aus Slonsk, Blazej Kaczmarek (61), die
Letschiner Gruppe nach Krakau und Auschwitz begleitete.
Neben dem Besuch der Gedenkstätten lernten die Schüler auch den historischen
Stadtkern Krakaus kennen: das Königsschloss, den Wawel und die berühmten
Tuchhallen. Beeindruckt waren die Schüler auch von den
Weltkulturerbe-Schätzen, die sie beim Besuch der berühmten Salzbergwerke in
Wiliczka entdeckten.