POTSDAM Im Potsdamer Neonazi-Prozess soll nach dem Willen der Verteidiger keiner der
zwölf jungen Angeklagten ins Gefängnis. Am Montag beantragte die
Verteidigung vor Brandenburgs Oberlandesgericht in den letzten drei
Plädoyers Freisprüche.
Einige der anderen Angeklagten hatten zuvor zugegeben, sich an Anschlägen
auf Geschäfte und Imbisse von Ausländern beteiligt zu haben. Alle
Beschuldigten wiesen aber den Vorwurf zurück, eine terroristische
Vereinigung gebildet zu haben.
Die Angeklagten waren zur Tatzeit zwischen 14 und 18 Jahre alt. Sie sollen
aus Fremdenhass zwischen August 2003 und Mai 2004 zehn Anschläge auf Imbisse
und Geschäfte von Ausländern im Havelland verübt haben. Dazu gründeten sie
laut Anklage die rechtsgerichtete Kameradschaft “Freikorps”. Verletzt wurde
bei den Anschlägen niemand; der Sachschaden betrug rund 800 000 Euro.
Erstmals klagt die Generalstaatsanwaltschaft des Landes eine Gruppe Neonazis
als terroristische Vereinigung an.
Die drei Verteidiger betonten am Montag übereinstimmend, dass ihre Mandanten
keine Terroristen seien. Darüber hinaus hätten sie keine Straftaten
begangen. In ihren Schlussworten entschuldigten sich mehrere Angeklagte
erneut bei den Opfern. Einer der Hauptbeschuldigten versicherte: “Ich schäme
mich sehr.” Vor einer Woche hatte der Anwalt des Hauptangeklagten eine
Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten für die Anschläge
beantragt. Vier andere Anwälte plädierten für Bewährungsstrafen von zehn
Monaten bis maximal zwei Jahre. Außerdem wurden drei Freisprüche sowie in
einem Fall gemeinnützige Arbeit gefordert.
Die Anklage hatte für den mutmaßlichen Rädelsführer viereinhalb Jahre Haft
verlangt. Der 20-Jährige sitzt seit Ende Juli 2004 in Untersuchungshaft. Für
zwei weitere wurden Jugendhaftstrafen von zwei Jahren und vier Monaten und
zweieinhalb Jahren beantragt. Bei den restlichen neun plädierte die Anklage
auf Bewährungsstrafen zwischen einem halben und zwei Jahren plus
gemeinnützige Arbeit. Alle Strafen sollen nach Jugendstrafrecht verhängt
werden.
Ein Schuldspruch nach Paragraph 129 a) — Bildung terroristischer
Vereinigungen — würde das Strafmaß erhöhen. Darum ist dieser Punkt der
Anklage besonders umstritten. Oberstaatsanwalt Eugen Larres hatte
eingeräumt: “Das Freikorps ist nicht El Kaida.” Dennoch sei der Tatbestand
erfüllt. Die Kameradschaft sei keine Idee, “die aus dem Suff heraus”
entstand.
Einige Angeklagten hatten ausgesagt, die Kameradschaft sei Sommer 2003 auf
einem Feld bei Pausin gegründet worden. Der Hauptangeklagte sei zum
Anführer, andere zum Schriftführer oder Kassierer ernannt worden. Die
Urteile werden voraussichtlich am 7. März verkündet.