Mehr als 150 Menschen gedachten gestern der Opfer, die zwischen November
1943 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 im Arbeitslager
Lieberose-Jamlitz ums Leben gekommen sind. Das Lager diente den
Nationalsozialisten als Nebenlager für das Konzentrationslager (KZ)
Sachsenhausen bei Oranienburg.
“Gespräche mit Zeitzeugen verursachen auch heute Entsetzen und Unverständnis
für die Macht der Barbaren” , sagte Lieberoses Bürgermeisterin Kerstin
Michelchen während ihrer Gedenkrede. Bis zu 10 000 Juden aus ganz Europa
wurden in Jamlitz gefangen gehalten und gezwungen, beim Aufbau des
Truppenübungsplatzes Kurmark zu helfen. Mehr als die Hälfte von ihnen starb
an Erschöpfung, Unterernährung oder wurde ermordet.
Zu dieser Gedenkfeier anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung der
Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück hatten sich viele
Überlebende des Lagers, zum Teil aus den USA, Israel und Frankreich, auf den
Weg nach Brandenburg gemacht. Einer, der die Qualen in den Jahren 1944 und
1945 überlebt hat, ist der heute 80-jährige Moshe Fishbein. Aus seiner
Familie überlebten den Holocaust nur seine Schwester und er selbst. “Für die
Nazis waren wir nur irgendwelche Kreaturen” , sagte er sichtlich bewegt. Ein
Teil seiner Erlebnisse ist im Museum nahe der Gedenkstätte in Lieberose für
die Nachwelt festgehalten.
“Bis heute ist dieses Lager ein Begriff für Tod, Verderben und tausend
geschändete Seelen” , so Kerstin Michelchen. Kein Inhaftierten habe nach
diesem Inferno an sein früheres Leben anknüpfen können. “Einen Körper kann
man heilen, eine Seele nicht” , betonte Lieberoses Bürgermeisterin.
So sind die Wunden in der Seele von Gabriel Rodan bis heute nicht verheilt.
Als 14-Jähriger wurde er aus Ungarn zunächst ins Vernichtungslager Auschwitz
und anschließend nach Jamlitz deportiert. Bei seinen Schilderungen stehen
nicht nur anderen Zeitzeugen die Tränen in den Augen: “Selbst rohen Reis
haben wir gegessen, um überhaupt etwas zu haben” , sagt Rodan. Als ihm
dieser Satz über die Lippen kommt, stockt auch vielen Jugendlichen im Haus
der Vereine der Atem. Neben Schülern der Gesamtschule Goyatz waren auch zwei
zehnte Klassen der Müntzer-Realschüler aus Lübben nach Lieberose gekommen.
Sie bekamen die einmalige Chance, mit Zeitzeugen ins Gespräch zu kommen, um
sich selbst ein Bild von einem Menschen zu machen, der den grausamen Alltag
im Außenlager Jamlitz über sich ergehen lassen musste.