(fs, MAZ) INNENSTADT Wegen versuchten Mordes an einem 17-Jährigen aus der rechtsextremen Szene hat das Amtsgericht Potsdam auf Antrag der Staatsanwaltschaft vier Haftbefehle gegen zwei junge Männer und zwei junge Frauen aus der linken Szene erlassen. Dies teilte der Sprecher der Anklagebehörde, Jörg Wagner, der MAZ gestern auf Nachfrage mit. Das wegen rechtsextremer Propagandadelikte polizeibekannte Opfer wurde nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung entlassen. Die Gewalttat steht möglicherweise im Zusammenhang mit dem Überfall von Neonazis auf den linken Jugendclub “Chamäleon” in der Hermann-Elflein-Straße in der Silversternacht 2002 sowie dem Prozess gegen drei angeklagte Rechtsextreme, der vor einer Woche mit zwei Schuldsprüchen zu Ende ging. Schon während des Prozesses kam es zu Auseinandersetzungen zwischen links- und rechtsextremen Jugendlichen.
Der Überfall auf den jungen Mann ereignete sich Sonntag früh gegen 1.20 Uhr vor dem Café Heider am Nauener Tor. Zumindest fünf vermummte Täter fielen plötzlich über den 17-jährigen her, schlugen ihm einen Gegenstand auf den Kopf und prügelten auch dann noch auf das Opfer ein, als es längst am Boden lag. Der Gewaltexzess wurde erst durch das Einschreiten von Gästen und Bedienungspersonal des beliebten Cafés gestoppt. Bis zum Eintreffen der Polizei wurden vier Täter festgehalten, zumindest einer konnte sich jedoch noch unerkannt davonstehlen.
Von den vier Tätern sitzen derzeit zwei in Untersuchungshaft. Nach Informationen der MAZ soll sich darunter auch eine erwachsene Frau befinden, die Mitarbeiterin des “Chamäleon” sein soll. Zwei Täter — eine Jugendliche sowie ein junger Mann — sind gegen strikte Auflagen wieder auf freien Fuß gesetzt worden.
Die Ermittlungsbehörden schließen einen Racheakt nicht aus. In der Silvesternacht 2002 hatten zehn bis 15 Neonazis die Fensterscheiben des Jugendclubs “Chamäleon” eingeschlagen und mit Feuerwerkskörpern auf das Gebäude gezielt, in dem sich zu dem Zeitpunkt fünf Jugendliche aufhielten. Der Fußboden geriet dabei in Brandt, der jedoch gelöscht werden konnte. Vor dem Jugendclub skandierten die Neonazis zudem rechtsextreme Parolen. Bei seinem Urteilsspruch vor einer Woche stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld der beiden rechtsextremen Angeklagten Danny L. und Michael G. fest und kritisierte “eine besonders gefährliche Vorgehensweise” bei der Tat. Danny L. wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, Michael G. zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und fünf Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach Auskunft des Innenministeriums ist landesweit eine Zunahme gewalttätiger Konflikte zwischen links- und rechtsextremen Jugendlichen zu beobachten. Ein Brennpunkt sei Potsdam, hieß es. Mit Blick auf den Überfall am Sonntag sprach Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) von einem “sehr ernsten Vorgang”. Gewalt könne und dürfe in einer demokratischen Gesellschaft kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, erklärte Schönbohm und kündigte an, dass die Polizei “gegen jede Form der Gewalt konsequent einschreiten” werde.