(ND, 20.11., Andreas Fritsche) Es handelt sich nur noch um Tage. Bald ist »Best oft Deutsch« landesweit zu hören. Gespielt wird fast ausschließlich deutschsprachige Musik. Insgesamt neun Frequenzen teilte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg dem neuen Radiosender zu. Jetzt entstehe neben BB-Radio der zweite private Rundfunk Brandenburgs, sagt Thomas Thimme. Er ist Geschäftsführer des Berliner Radiosenders Hundert,6, und »Best of Deutsch« ist dessen 100-prozentige Tochter.
Schon seit dem 8. März geht von Oranienburg aus auf UKW 91,8 ein lokales Testprogramm über den Äther. Live gesendet wird täglich elf Stunden für die Region vom Norden Berlins bis hin nach Eberswalde und Bad Freienwalde. Weitere Regionen werden künftig zum Beispiel von Fürstenwalde, Neuruppin, Perleberg und Seelow aus abgedeckt. Eine Station in den Rauener Bergen sollte eigentlich schon am Dienstag in Betrieb gehen. »Aber die Telekom bastelt noch«, begründet Thimme die Verzögerung.
»Best of Deutsch« sei modern und nicht unter der Rubrik Schlager zu fassen, heißt es. Vorstellen darf man sich darunter eine Mischung aus Neuerscheinungen von Silbermond, 2‑Raum-Wohnung, Ayman, Herbert Grönemeyer oder Oli P. und alte Titel von Drafi Deutscher oder Marianne Rosenberg. Rammstein darf noch hoffen, Karel Gott bekommt hier keine Chance. Neben Melodien gibt es den Plänen zufolge jeweils lokale Nachrichten.
Journalisten und Politiker überhäufen Geschäftsführer Thimme derzeit mit Anfragen. Immerhin stößt das neue Format mitten hinein in die Diskussion um eine Quotenregelung für deutsche Musik. Erst kürzlich besuchte der bayerische Staatskanzleichef Erwin Huber (CSU) die Redaktion.
Thimme möchte sich und sein Projekt aber nicht vereinnahmen lassen. Er hat aus der Gesichte von Hundert,6 gelernt. 1987 von dem Filmemacher Ulrich Schamoni gegründet, geriet das Privatradio immer mehr ins Trudeln, nachdem die Kirch-Gruppe es 1996 aufgekauft hatte. Nach der Umstellung zum Inforadio verlor man zwischenzeitlich viele Hörer, nicht zuletzt, weil Georg Gafron den Sender unverhohlen auf CDU-nah trimmte. Angeblich war die konservative Grundausrichtung seinerzeit sogar in den Arbeitsverträgen der Beschäftigten fixiert, wofür es allerdings keine Bestätigung gibt.
»Politisch gefärbte Berichterstattung, das ist nicht mein Bier«, meint Thimme. Als er im April 2002 den Geschäftsführerposten übernahm, durfte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) »auch wieder zum Interview kommen«.
»George Bush singt nicht«
Der Ex-Scherben-Schlagzeuger Wolfgang Seidel über die Deutschquote
ND (Ralf Fischer): In Brandenburg sendet »Best of Deutsch«. Was halten sie davon?
Seidel: Warum nicht? Wenn dann endlich das Lamento von Heinz Rudolf Kunze oder Inga Humpe und ihrer Initiative »Musiker in eigener Sache« aufhört, sie würden mit ihrer Musik im deutschen Radio unterrepräsentiert sein. Es gibt schließlich auch auf Hip Hop spezialisierte Sender, wo übrigens deutsche Produktionen ganz gut im Rennen liegen. Und es gibt in Berlin ein Jazz-Radio. Aber genau an der Stelle zeigt sich, dass die Sache einen Haken hat. Hip Hop oder Jazz sind Genre-Begriffe, wo der Hörer weiß, was ihn erwartet. Was aber ist deutsche Musik? Heino und die Goldenen Zitronen singen deutsch– und da endet dann auch schon die mit diesem Wort beschworene Gemeinsamkeit. Ein deutsches E‑Dur hat noch keiner gefunden. Deutsche Texte sind kein Qualitätsmerkmal. Es gibt nicht nur die als Teufel an die Wand gemalte »angloamerikanische Meterware«. So was gibt es auch aus heimischer Fertigung. Und gerade unter den lautstärksten Quotenbefürwortern befinden sich etliche, deren Werke in punkto Plattheit locker mit jeder US-Meterware mithalten können.
Sie sind bis 1972 Schlagzeuger der Band »Ton, Steine und Scherben« gewesen. Frontmann Rio Reiser sang deutsche Texte.
Die »Scherben« sangen deutsch, um von ihrem Publikum besser verstanden zu werden. Das war aber ein Beitrag zu einer internationalen Bewegung, als deren Teil man sich sah, keine Abgrenzung davon. Dass sich Kultur wieder national in Abgrenzung zu einem schnell als wesensfremd und feindlich erklärtem Außen definiert, ist für mich ein Rückschritt. Der Zerfall Jugoslawiens ist da ein Beispiel. Die jugoslawische Popkultur hatte sich seit den 60ern international orientiert. Parallel zum staatlichen Zerfall entdeckte sie ihre serbische oder kroatische Identität, die angeblich verteidigt werden muss.
Die »Best of Deutsch«-Macher behaupten, vor allem in Ostdeutschland sei das Interesse an deutschsprachiger Musik stark.
Die Befürworter der Radio-Quote operieren ständig mit Zahlen, die ich nicht ungeprüft glauben mag. In der Anhörung im Bundestag behauptete Inga Humpe zum Beispiel, ihre und ihrer deutschsprachigen Kollegen Musik würde nur 1,5 Prozent des Programms der über 600 deutschen Radiosender ausmachen. Es gibt aber nur etwas über 300 Sender in Deutschland und gerade in jener Woche waren 8 Plätze der Top Ten von deutschen Produktionen besetzt– die meisten davon mit deutschen Texten. Von da her ist mein Misstrauen in alle Zahlen, die da genannt werden, sehr hoch.
Woher kommt die Forderung nach einer Quote?
Den »Musikern in eigener Sache« und den Befürwortern ihres Vorstoßes in der Politik geht es bei der Quote um eine Absatzgarantie für ihre Liedchen und nicht um den Kampf gegen den angeblichen US-amerikanischen Kulturimperialismus. Wenn sie durchkommen, treffen sie damit nicht Präsident George Bush– der singt bekanntlich nicht. Sie treffen dann den schwarzen Rapper aus Harlem, für den die Musik eine der wenigen Ausbruchschancen ist.