KÜSTRIN-KIETZ. Viele deutsche Besucher der Küstriner Festungstage trauten am vergangenen Wochenende ihren Augen nicht: Bei den offiziellen Feierlichkeiten an der Oder traten auch mehrere Männer in Wehrmachts- und SS-Uniformen auf. Sie hatten zeitgenössische Fahrzeuge und Motorräder dabei. Und sie warben für einen Besuch der nahen Bunkeranlagen, die die Nationalsozialisten in den 30er-Jahren als Ostwall an Oder und Warthe erbaut hatten — im heutigen Polen. Besucher berichteten, dass sich auffällig viele deutsche Jugendliche für das Angebot der polnischen Militaria-Freaks interessierten und in den alten Militärfahrzeugen mitfuhren.
Das Fest fand in der einstigen Altstadt von Küstrin statt — einer im Zweiten Weltkrieg zerstörten preußischen Festungsanlage gleich hinter dem Grenzübergang in Polen. Die Festungstage werden von der polnischen Stadt Kostzryn organisiert. Die Verantwortlichen dort finden, dass Männer in SS-Uniformen durchaus zu solchen Festen auftreten dürfen — neben den üblichen Ritterspielern und Menschen, die sich als preußische Kanoniere ausstaffiert hatten.
“Die Männer in SS-Uniform sind einfach geschichtlich interessiert”, sagte Ryszard Skalba, Marketingchef von Kostrzyn, am Montag der Berliner Zeitung. Er könne daran nichts Verwerfliches finden. “Aber in Deutschland ist man ja seit 50 Jahren in politischer Korrektheit geschult”, so Skalba. Diese Leute wollten vor allem Werbung für ihre Bunkertouren machen, sie hätten sogar Kontakte zur polnischen Armee. “Sie sehen vielleicht aus wie Nazis, aber sie denken ganz anders.”
Ryszard Skalba kündigte an, dass seine Stadt zu den Festungstagen 2006 die brutale Schlacht um Küstrin vom Frühjahr 1945 nachstellen will. “Wir sind derzeit noch in den Planungen”, sagte er. Selbst ältere Menschen, die den Krieg noch erlebt haben, seien dafür offen. Küstrin wurde gegen Kriegsende zur Festung erklärt und unter dem Befehl von Heinz Reinefarth, Generalmajor der Waffen-SS, gegen die Rote Armee verteidigt. Reinefarth hatte 1944 den Warschauer Aufstand blutig niedergeschlagen.
Deutsche Lokalpolitiker wollten die seltsamen Vorgänge bei den Festungstagen nicht kommentieren: “Das ist allein Sache der Polen”, sagte Bernd Korb, Bürgermeister der Gemeinde Küstriner Vorland.