Mahlower Jugendliche fahren zu Noël Martin
Nach Anschlag gelähmter Brite will Jugendliche vom Extremismus heilen
ddp Mahlow — Reisen bildet, sagt man. Es soll Jugendlichen jetzt auch helfen, Rechtsextremismus und Gewalt die Stirn zu bieten. Diese Hoffnung hegen zumindest der farbige britische Bauarbeiter Noël Martin und das Landes-Bildungsministerium. Martin war im Juni 1996 in Mahlow von zwei fremdenfeindlichen Jugendlichen lebensgefährlich verletzt worden und ist seitdem querschnittsgelähmt.
Am Donnerstag brechen erstmals zwölf Jugendliche aus den Gemeinden Mahlow, Blankenfelde und Rangsdorf in die englische Millionenmetropole Birmingham auf — um Erfahrungen mit Menschen anderer Hautfarbe zu machen und gemeinsam mit einheimischen Jugendlichen das Leben der afro-karibischen Gemeinschaft kennen zu lernen. Sie besuchen Noël Martin und wollen den von ihm angeregten Jugendaustausch in Verbindung mit dem «Noël-und-Jacqueline-Martin-Fonds» in Gang setzen. Die jungen Reisenden sind gewissermaßen Testpersonen. Anders als vom Gastgeber gewünscht sind keine rechtsradikalen Jugendlichen mit von der Partie.
Es wäre jedoch eine «schöne Sache», wenn bei künftigen Fahrten auch rechtsgerichtete Jugendliche direkt angesprochen würden, sagt Martins deutscher Freund und Tour-Mitorganisator, Kai Petersen, mit Blick auf den geplanten zweiten Tripp im Verlauf des Jahres. Damit möglichst vielen Jugendlichen klar wird, dass das Zusammenleben von Angehörigen verschiedener Kulturen klappt. Dies sei erst einmal nur der «Schnupperkurs», betont Petersen. Nach seinen Angaben treffen die Brandenburger englische Jugendliche und gehen auch in deren Familien.
Brandenburgs Bildungsstaatssekretär Frank Szymanski unterstreicht, man wird sich dem Wunsch Martins, auch rechte Brandenburger Jugendliche nach Birmingham zu holen, «nicht verschließen». Dazu eignen sich nach Szymanskis Auffassung Schulpartnerschaften besonders gut. Um den Grundstein dafür zu legen, stehen Gespräche der Brandenburger Delegation, zu der noch Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) stößt, mit dem Birminghamer Stadtoberhaupt auf dem Programm.
Zum Start des Jugendaustauschs dominieren «normale Jugendliche», wenngleich «nicht nur Musterknaben» darunter seien, betont Dörthe Shead, Sozialarbeiterin im Mahlower Jugendclub. Wichtig sei, dass die Reiseteilnehmer ihre Eindrücke an andere Jugendliche in ihren Orten weitergeben, um die Akzeptanz für Ausländer in der Region weiter zu verbessern.
Das hat sich die 16-jährige Gesamtschülerin Ulrike Heese aus Blankenfelde vorgenommen. Sie will nach der Rückkehr Mitschüler informieren und zudem den Kontakt mit rechtsradikalen Bekannten suchen. «Doch es werden sich wohl nur ein paar Jugendliche dafür interessieren», dämpft sie zu große Erwartungen. Sie will wissen, wie Martin mit seiner schweren Behinderung in Birmingham lebt und welchen Freundeskreis er hat.