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Verteidiger will Milde für eine «brutale, bestialische Tat»

berlin­er morgenpost:

Vertei­di­ger will Milde für eine «bru­tale, bes­tialis­che Tat»

Plä­doy­ers im Prozess um zu Tode gequäl­ten Obdachlosen — Staat­san­waltschaft fordert hohe Strafen für die Angeklagten 

Pots­dam — Eine «bru­tale und bes­tialis­che Tat, die hart bestraft wer­den muss», nen­nt es Recht­san­walt Horst Hol­ger Winz­er — und fordert den­noch Milde für seinen Man­dan­ten Ron­ny R. Der junge Mann ist zusam­men mit vier Kumpa­nen angeklagt, im August 2001 den Dahle­witzer Obdachlosen Dieter Manzke buch­stäblich zu Tode gequält zu haben. 

Milde fordert der Vertei­di­ger deshalb, weil Manzke vielle­icht gar nicht getötet wer­den sollte. Milde also für Schläge und Tritte mit Stahlkap­pen­schuhen, für die unzäh­li­gen Knochen­brüche — allein 16 Rip­pen­brüche hat­te die Gerichtsmedi­ziner­in fest­gestellt — , und Milde für Schädel­bruch, die zertrüm­merte Nase, ein gebroch­enes Schlüs­sel­bein sowie Blu­tun­gen in Rück­en und Hirn des Opfers. 

Statt des Tötungsvor­satzes, entschei­dend für eine Verurteilung wegen Mordes, sei im Ver­lauf des «Suf­fi aufk­latschen», so der Jar­gon, ein «grup­pen­dy­namis­ch­er Prozess» in Gang gekom­men. Für Manzke mit tödlichen Fol­gen. Er erstick­te schließlich auf­grund inner­er Ver­let­zun­gen am eige­nen Blut. 

Drei der fünf Vertei­di­ger plädierten gestern im Prozess um den Tod des Dahle­witzer Obdachlosen vor dem Pots­damer Landgericht. Allen dreien ist klar, dass ihre Man­dan­ten, die während des Ver­fahrens umfassende Geständ­nisse ablegten, kaum um eine Strafe herumkom­men wer­den. Deshalb verzichteten die Anwälte darauf, ein Straf­maß zu nen­nen und ver­sucht­en, möglichst viel von der Schuld ihrer Man­dan­ten herun­terzure­den und deren Reue zu belegen. 

So ist Ron­ny R. nach den Worten seines Anwalts inzwis­chen bibel­treu gewor­den. Demon­stra­tiv betrat der junge Mann denn auch den Gerichtssaal mit der Heili­gen Schrift in der Hand. Oder Ralf W. Sein Vertei­di­ger Ronald Garken attestiert ihm Entwick­lungs­de­fizite und einen Intel­li­gen­zquo­tien­ten am unteren Rande der Lernfähigkeit. 

Für Dirk R., der als der Kopf der Gruppe und treibende Kraft der Tat gilt, weiß sein Anwalt ins Feld zu führen, dass seine Per­sön­lichkeit gestört sei, und sein Geständ­nis, das als «Zeug­nis sein­er täti­gen Reue» ver­standen wer­den müsse. 

Fast reg­los und mit gesenk­ten Köpfen sitzen die jun­gen Män­ner auf hin­tere­inan­der aufgestell­ten Stühlen und vernehmen das wenige Ent­las­tende, was ihre Anwälte vorzubrin­gen haben. 

Ent­las­ten­des hat­te Staat­san­walt Peter Petersen in seinem Plä­doy­er kaum fest­stellen kön­nen. Rädels­führer Dirk R. soll für 13 Jahre hin­ter Git­ter. Er gilt nach einem psy­chi­a­trischen Gutacht­en für ver­min­dert schuld­fähig. Ein 22-jähriger Angeklagter soll lebenslänglich in Haft. Für die drei übri­gen Angeklagten hat­te der Ankläger Jugend­strafen zwis­chen fünf und acht Jahren ver­langt. Die Plä­doy­ers wer­den Mon­tag fort­ge­set­zt. Das Urteil soll am 10. April fallen.

berlin­er zeitung:

“Es war kein Mord”

Aus Sicht der Vertei­di­ger haben die Angeklagten ihr obdachlos­es Opfer “unbe­ab­sichtigt” getötet

POTSDAM. Fast kön­nten die Prozess­beobachter Mitleid bekom­men mit den fünf jun­gen Män­nern, die in ein­er Rei­he hin­tere­inan­der im Saal 015 des Landgerichts Pots­dam sitzen. Zusam­menge­sunkene Oberkör­p­er, schamhaft gesenk­te Köpfe, die sich am Mittwoch nicht ein einziges Mal in der mehr als ein­stündi­gen Ver­hand­lung heben. Die fünf sprechen nicht ein­mal mit ihren Anwäl­ten. Sie schweigen wie reuige Sün­der. Doch sie sind angeklagt des Mordes an dem alko­holkranken Obdachlosen Dieter Manzke aus Dahle­witz (Tel­tow-Fläming).
Manzke hat­te sich in der Nacht zum 9. August 2001 mal wieder in ein­er frem­den Datsche schlafen gelegt. Das wurde ihm zum Ver­häng­nis, denn die fünf jun­gen Män­ner aus der Gegend — alle im Alter von 17 bis 22 Jahren — stat­teten ihm einen “Besuch” ab. Motiv: Der Mann habe dort nichts zu suchen gehabt, deshalb sollte er ver­trieben wer­den. Eine halbe Stunde lang mal­trätierten sie den schmächti­gen Alten mit Trit­ten, Schlä­gen und Zigaret­tenkip­pen. Sie sprangen dem hil­flosen Mann auf dem Bauch herum. Als sich der schw­er Ver­let­zte nicht mehr regte, schleiften sie ihn in ein Gebüsch und ließen ihn ein­fach liegen. Manzke erstick­te an seinem eige­nen Blut. Die Obduk­tion ergab 16 Rip­pen­brüche, zahllose Blutergüsse, Frak­turen des Schlüs­sel­beins und der Augen­höhlen, aus­geschla­gene Zähne, aufgeris­sene Lip­pen und Ohren. Das Rip­pen­fell war geris­sen, Darm und Magen ver­let­zt. Dieter Manzke hat­te keine Chance. 

Den­noch bat­en alle drei Vertei­di­ger, die am Mittwoch sprachen, das Gericht um milde Strafen, um die Chance zum Neuan­fang für ihre Man­dan­ten. Und sie wandten sich gegen den Staat­san­walt, der wegen der “sadis­tis­chen Quälereien” an dem wehrlosen Opfer und der niederen Motive für die Tat eine möglichst harte Verurteilung wegen Mordes gefordert hat­te. “Das war kein Mord”, sagte Vertei­di­ger Horst-Hol­ger Winz­er, der den 20-jähri­gen Ralf W. ver­tritt. Die Angeklagten hät­ten sich zwar ein­er “ganz bes­tialis­chen und bru­tal­en Tat” schuldig gemacht, aber sie hät­ten nicht in Tötungsab­sicht gehan­delt. “Es war keine Gruppe recht­sradikaler Jugendlich­er, die in Mord­lust gequält hat”, sagt Winz­er. “Sie haben eine Kör­per­ver­let­zung mit Todes­folge, aber keinen Mord began­gen”, sagte er. Sie seien alko­holisiert gewe­sen. Anges­tachelt von dem Haup­tangeklagten und Anführer der Gruppe, dem 21-jähri­gen Dirk R., hät­ten sie sich immer weit­er in ihre Tat hineingesteigert. “Aber sie sind nicht von ein­er Tötung aus­ge­gan­gen”, sagt Winzer. 

Auch der Vertei­di­ger des Haup­tangeklagten spricht seinen Man­dan­ten von Mord­ab­sicht frei. “Es war eine Alko­holtat”, sagt Hans-Jür­gen Kern­bach. Dirk R. habe nachgewiesen­er­maßen eine erhe­bliche Per­sön­lichkeitsstörung, sei kein Recht­sradikaler, son­dern nur ein nicht vorbe­strafter Autodieb. “Die Fol­gen, die einge­treten sind, waren nicht geplant”, sagt Kern­bach. Sein Man­dant habe sich inzwis­chen gewan­delt, habe “sich nicht geschont, son­dern sich mit seinen Aus­sagen selb­st belastet”. Er habe mit seinem Tun abrech­nen wollen. Deshalb und wegen der psy­chis­chen Störung seines Man­dan­ten fordert auch Kern­bach Milde. 

Die Vertei­di­ger ließen die Frage nach dem Tat­mo­tiv unbeant­wortet. Sie sprachen von der schw­eren Kind­heit der Täter, die teil­weise einen “Intel­li­gen­zquo­tien­ten kurz vor der Lern­be­hin­derung”, Erziehungs­de­fizite und ein gestörtes Sozialver­hal­ten hät­ten. Sie sprechen von Grup­pen­dy­namik und Mitläufer­tum. Doch sie haben keine Begrün­dung, warum die fünf an jen­em Tag zu Dieter Manzke gin­gen und den hil­flosen Mann ohne Anlass so schw­er mis­shan­del­ten, dass er daran “unbe­ab­sichtigt” starb. 

Das Urteil soll am 10. April gesprochen werden. 

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