(MAZ, 2.2., Thomas Wachs, Kerstin Henseke) BELZIG Zirka 100 Teilnehmer waren am Freitagabend dem Aufruf einer Nationalen Aktionsgemeinschaft Freies Deutschland zu einem Aufmarsch in Belzig gefolgt.
Sie kamen nach Angaben des Einsatzleiters der Polizei, Mathias Tänzer, sowohl aus Belzig, Treuenbrietzen, Brück und anderen Orten der Region, zu einem Großteil jedoch auch aus der Prignitz. Von dort war auch Mario Schulz, der einstige Landesvorsitzende der NPD angereist, der die Versammlung im Namen der Preußischen Akionsfront angemeldet und geleitet hatte.
In Empfang genommen wurden die rechtsgerichteten Demonstranten am Bahnhof von Polizisten des Schutzbereiches Brandenburg/Belzig sowie Spezialkräften der Landeseinsatzeinheit (Lese) und der Mobilen Einsatzgruppe gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit (Mega). Insgesamt waren von Freitagmorgen bis in die Morgenstunden des Sonnabends hinein 160 Beamte im Einsatz. Sie begleiteten auch den Aufmarsch, der mit einem Lautsprecherauto und rechtsgerichteter Musik durch die Karl-Liebknecht-Straße, den Klinkengrund und später vorbei am Jugendfreizeitzentrum Pogo durch die Straße der Einheit am Marktplatz vorbei zurück zum Bahnhof führte.
Zur gleichen Zeit hatten sich am Markt etwa 120 Belziger zu einer Kundgebung versammelt, um zu zeigen, dass sie andere Werte in ihrer Stadt gelebt wissen wollen. Unter dem im Info-Café “Der Winkel” entstandenen Transparent mit der Aufschrift “Zwangsarbeit? Konzentrationslager? Hunger und Krieg? Nie wieder Faschismus!” grenzten sie sich von den Demonstranten der Aktionsgemeinschaft und ihren populistischen Losungen ab. Als diese in sicht- und hörbarer Entfernung den Marktplatz passierten, wurden sie zu Adressaten lautstarker “Nazis-raus”-Chöre. Im Vorfeld wurden Kerzen angezündet. Afrikanische Trommelrhythmen versuchten die Kälte zu vertreiben. Die Versammelten klärten in kurzen Ansprachen ihre politischen Standpunkte und machten die historischen Zusammenhänge um die Machtergreifung der Nationalsozialisten vor 71 Jahren und ihre verheerenden Folgen deutlich. Einen der eindrücklichsten Redebeiträge, weil fern jeder politischen Ideologie, sondern auf das Wesentliche, auf das Leben bezogen, hielt eine junge Spätaussiedlerin. Unverständnis und Verachtung brachte sie gegenüber jenen zum Ausdruck, “die Unterschiede zwischen Hautfarbe und Sprache machen. Wir bewohnen alle diese Erde, uns hat die Mutter geboren, in uns fließt rotes Blut, und wie alle anderen wollen wir in Ruhe zur Schule gehen, arbeiten und Kinder groß ziehen. Wir werden auch weiter hier leben, in Schulen und Diskotheken gehen und keine Angst haben vor ihrem Grinsen und ihren Beleidigungen!”
Sie sprach damit nicht nur den erstmals zahlreich erschienenen jugendlichen Spätaussiedlern, sondern auch etlichen anderen Belzigern ausländischer Herkunft aus der Seele. Unter den Versammelten, die vom Schüler bis zum Bürgermeister einen repräsentativen Querschnitt durch die Belziger Bevölkerung darstellten, waren auch viele Gesamtschüler. Die kurzfristig bekannt gewordenen Aktivitäten der Aktionsfront waren noch am Tag der Zeugnisausgabe von der Schulleitung thematisiert worden.
Ein erst kürzlich Zugezogener zeigte sich dennoch fassungslos angesichts der relativ geringen Zahl protestierender Bürger. “Wo sind zum Beispiel die Geschäftsleute und die, die hier für Kultur und Tourismus verantwortlich sind. Wissen die nicht, dass eine Stadt mit Nazi-Aktivitäten größere Schlagzeilen bekommt als für eine Therme?”
Die Ortsvereine und ‑verbände aller in Belzig aktiven Parteien hatten noch am Freitag aufgerufen, den Aufmarsch der Aktionsgemeinschaft zu ignorieren. Zuletzt war die Preußische Aktionsfront am 8. November mit 57 Teilnehmern durch Belzig marschiert.