(MAZ, Frank Schauka) POTSDAM Die von der brandenburgischen Landesregierung vorbereitete
Privatisierung des Maßregelvollzugs für psychisch gestörte Straftäter wie
Frank Schmökel ist nach Expertenansicht rechtswidrig und birgt zudem
grundsätzliche Sicherheitsrisiken.
“Schmökel und andere schwere Fälle” würden in Nordrhein-Westfalen “nicht in
privaten Kliniken behandelt werden, betonte der Sprecher des Düsseldorfer
Gesundheitsministeriums, Kai von Schönebeck, gegenüber der MAZ. “Private
Träger werten den Aspekt der Wirtschaftlichkeit eventuell höher als der
Staat”, heißt es zur Begründung. Außerdem könne der Staat den für den
Maßregelvollzug erforderlichen “hohen Grad an Bewachung und Betreuung besser
gewährleisten”. Dabei widersetzt sich Nordrhein-Westfalen nicht
grundsätzlich einer Privatisierung des Maßregelvollzugs. Von den sechs
geplanten Klinikneubauten sollen die in Münster und Duisburg für
intelligenzgeminderte und drogenabhängige Straftäter von freigemeinnützigen
Trägern betrieben werden. Der an den zwei Standorten zu behandelnde
Patientenkreis soll allerdings minderschwere Fälle betreffen.
Sachsen-Anhalt ist vorsichtig
Bedenken gegen eine Privatisierung des Maßregelvollzugs werden auch in
Sachsen-Anhalt geäußert, wo die ehemalige SPD-Regierung Landeskliniken samt
Maßregelvollzug den gemeinnützigen Salus-Kliniken übertragen hatte, die zu
100 Prozent dem Land gehören. An Privatunternehmen werde die Landesregierung
den Maßregelvollzug jedoch niemals abgeben, hob ein Sprecher des Magdeburger
Sozialministeriums hervor. “Warum sollten wir uns auf ein Terrain begeben,
wo wir nicht wissen, wie die Qualität ist?”, so Sprecherin Christiane
Baumann.
Keine Nachteile in einer Privatisierung des Maßregelvollzugs erblickt
hingegen das Land Thüringen. “Therapeutisch hat sich nichts geändert”,
bilanziert die zuständige Mitarbeiterin des Psychiatrie-Referats im Erfurter
Gesundheitsressort, Sigrun Bever. Dem Ministerium obliege weiter die Fach-
und Rechtsaufsicht. Zudem sei es berechtigt, die Therapie-Qualität bei so
genannten Sicherheitsbegehungen zu überprüfen.
Ob aus einer Privatisierung des Maßregelvollzugs zudem die von der Potsdamer
Regierung erhofften finanziellen Vorteile resultieren, ist fraglich. In
Sachsen-Anhalt sind nach der Privatisierung die Pflegesätze und damit die
Kosten für das Land gestiegen. Zudem sollen die Privatisierungserlöse
lediglich 40 Millionen Euro betragen und somit weit unter den erhofften 100
Millionen Euro gelegen haben.
Spitzenjurist hält Pläne für rechtswidrig
Zu den sicherheits- und finanzpolitischen Unwägbarkeiten treten juristische
Bedenken, die die geplante Privatisierung des Maßregelvollzugs als
“rechtswidrig” erscheinen lassen, wie der Maßregel-Experte und
stellvertretende Brandenburger Generalstaatsanwalt Rolf Grünebaum auf
Anfrage betont. Die von der Potsdamer Landesregierung vorgesehene
Übertragung hoheitlicher Rechte auf Private sei zwar — wie beim TÜV -
grundsätzlich legitim, jedoch nicht im Falle des Maßregelvollzugs. Eine so
genannte Beleihung von Hoheitsrechten an Private sei “verfassungsrechtlich
nicht hinzunehmen, wo in besonderem Maße in die Grundrechte der Betroffenen
eingegriffen wird”, so Grünebaum. Gerade die zwangsweise unbefristete
Freiheitsentziehung in der forensischen Psychiatrie sei “einer der
schwersten rechtsstaatlich legitimierten Eingriffe in elementare Grund- und
Menschenrechte”. Daraus ergebe sich nur eine Folgerung: “Mit dieser Aufgabe
dürfen Privatunternehmer nicht betraut werden. Die postmodernen
Bestrebungen, staatliche Aktivitäten zu privatisieren, haben hier eine
rechtliche Grenze.”
Kein Dissenz zwischen Ministerien
Das CDU-geführte Potsdamer Justizministerium erkennt ebenfalls rechtliche
Bedenken, will sie jedoch offenbar aus Rücksichtnahme auf das SPD-geführte
Gesundheitsressort, dem der Maßregelvollzug untersteht, nicht äußern. “Es
besteht kein Dissenz zwischen den Ministerien”, so Justizsprecherin Dorothee
Stacke. In seinem eigenen Zuständigkeitsbereich ist das Justizministerium
jedoch offensichtlich vorsichtiger. Eine Privatisierung des Strafvollzugs
werde als “rechtlich problematisch angesehen” und sei deshalb nicht
beabsichtigt, so Stacke. Dabei gibt es zwischen Straf- und Maßregelvollzug
keinen Unterschied in der Qualität der wahrzunehmenden hoheitlichen Aufgabe,
die sich im Ausmaß des ausgeübten staatlichen Zwangs bemisst.