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Medizin und Verbrechen”

Oranien­burg (ddp-lbg). Der Name des Massen­mörders Josef Men­gele ste­ht für Ver­brechen, die in den Konzen­tra­tionslagern der Nazis verübt wur­den. Häftlinge wur­den als Ver­such­skan­inchen miss­braucht — von Män­nern, die rück­sicht­s­los ihre Forschung vorantrieben, um ihren per­sön­lichen Ehrgeiz zu befriedi­gen. Auch im Konzen­tra­tionslager Sach­sen­hausen gab es diese ange­blichen Wis­senschaftler. Ihr unheil­volles Treiben wird in ein­er neuen Dauer­ausstel­lung doku­men­tiert, die am Son­ntag in der KZ-Gedenkstätte in Oranien­burg eröffnet wird. 

“Medi­zin und Ver­brechen” heißt die Schau. Auf 800 Quadrat­metern und mit rund 1000 Exponat­en beschreibt sie, was in den Kranken­barack­en des Konzen­tra­tionslagers geschah. Die meist man­gel­hafte ärztliche Ver­sorgung wird eben­so beschrieben wie Ver­suche an Men­schen und so genan­nte Kranken­mor­dak­tio­nen, bei denen Tausende umkamen. 

Der Exis­ten­zkampf der Häftlinge im KZ habe im Kranken­re­vi­er seinen Gipfel erre­icht, sagt Gedenkstät­ten­leit­er Gün­ter Morsch. Hass und Nieder­tra­cht sei eben­so anzutr­e­f­fen gewe­sen wie Sol­i­dar­ität und Altru­is­mus. Mit der Ausstel­lung werde ein außeror­dentlich schwieriges, bis­lang nicht erforscht­es Kapi­tel aufgearbeitet. 

Die medi­zinis­che Ver­sorgung im KZ hat­te laut Morsch drei Funk­tio­nen. Die Häftlinge wur­den dort aus Pro­pa­ganda­grün­den min­i­mal ver­arztet. Ihnen wur­den Ver­bände aus Papi­er angelegt, und es gab kaum Medika­mente. Zudem wurde Seuchen vorge­beugt — damit sich die SS-Leute oder die Bevölkerung nicht ansteck­ten. Und schließlich sollte die Arbeit­skraft kranker Häftlinge wieder­hergestellt werden. 

Zwei Barack­en waren aus medi­zinis­ch­er Sicht außeror­dentlich gut aus­ges­tat­tet. Sie dien­ten Pro­pa­gan­dazweck­en, denn durch diesen Trakt wur­den bis 1945 Besucher­grup­pen geführt. In den anderen Barack­en herrschte das Elend. Die Kranken lagen dicht gedrängt auf dem Boden, Tausende starben. 

Daneben wur­den in den Barack­en auch Ver­suche an Men­schen durchge­führt — 20 bis 30 ver­schiedene Exper­i­mente von unter­schiedlich­sten NS-Insti­tu­tio­nen. Vier davon wer­den in der Ausstel­lung beschrieben. Eini­gen Häftlin­gen wurde das Gift­gas Lost auf die Haut aufge­tra­gen, um Gegen­mit­tel auszupro­bieren. Andere wur­den mit tödlich­er Gift­mu­ni­tion beschossen, um die Wirkung zu testen. Die Häftlinge im “Schuh­läufer­kom­man­do” mussten tage- und wochen­lang marschieren, um Erzeug­nisse der Led­er­ersatzstoffind­us­trie zu testen. Viele von ihnen star­ben an den Strapazen. 

Das berüchtigte “Rit­ter-Insti­tut” führte im KZ seine pseudowis­senschaftlichen Forschun­gen zur ange­blichen Min­der­w­er­tigkeit von “Zige­unern” durch. Die Berichte aus Sach­sen­hausen waren die Grund­lage für die Depor­ta­tion der Sin­ti und Roma nach Auschwitz. Gezeigt wer­den Gesichts­masken eben­so wie Rei­hen von Haarsträh­nen, die zur Bes­tim­mung der Haar­farbe dienten. 

Die Män­ner und Frauen des 20. Juli 1944 wur­den nach Folter oder Selb­st­mord­ver­suchen ins KZ Sach­sen­hausen ver­schleppt und im Kranken­re­vi­er so weit wieder­hergestellt, dass die Gestapo sie weit­er ver­hören kon­nte. Von langer Hand organ­isiert waren die “Kranken­mor­dak­tio­nen”. Bei drei Trans­porten wur­den ins­ge­samt 550 kranke Häftlinge in die Gaskam­mern in Bern­burg und Pir­na geschickt. 

Die Opfer seien bis­lang nur Namen auf Lis­ten gewe­sen, sagt Morsch. Viele Ange­hörige hät­ten bis jet­zt nichts von ihrem Schick­sal gewusst. Über­lebende der Euthanasie lit­ten bis heute unter Stig­ma­tisierung und Diskri­m­inierung. Ihre Würde solle mit der neuen Dauer­ausstel­lung wenig­stens zum Teil wieder­hergestellt werden.

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