(Gudrun Mallwitz, Die Welt) Potsdam — In Brandenburg sollen Schüler künftig zur schulärztlichen Untersuchung und zum Unterricht zwangsvorgeführt werden können. Das Bildungsministerium unter Holger Rupprecht (SPD) hat dazu eine neue Regelung im Rahmen der geplanten Novellierung des Schulgesetzes vorgeschlagen.
“Bringen Eltern ihre Kinder nicht zu den vorgeschriebenen Terminen, müssen die Behörden im äußersten Notfall eingreifen können”, sagt der Sprecher des Bildungsministeriums, Thomas Hainz.
Damit zieht das Ministerium Konsequenzen aus dem Fall Dennis. Die Mutter hatte die Leiche des Kindes drei Jahre lang bis Juni 2004 in einer Tiefkühltruhe versteckt. Die Cottbuser Behörden hatten sich mit Ausreden der Frau abspeisen lassen, als der Junge nicht zu Untersuchungen und zur Einschulung erschien. Der Sechsjährige war an Auszehrung gestorben.
“Bislang fehlt den Behörden die nötige Handhabe”, begründet Hainz den Vorstoß des Ministeriums. Ein Bußgeld habe kaum Wirkung auf Familien, die es ohnehin nicht zahlen können. Die neue Regelung soll zwar auch auf den Schulbesuch ausgeweitet werden, doch sei nicht vorgesehen, daß notorische Schwänzer künftig per Polizeiauto in die Schule befördert werden.
Die märkische Union hingegen fordert dies seit Jahren und verweist auf Regelungen in Bayern und Hamburg. Dort können Schwänzer von der Polizei zur Schule gebracht werden. “Unser Vorschlag zielt auf die besonders schweren Fälle, in denen alle Versuche ohne Erfolg geblieben sind”, so Hainz. “Reagieren Eltern nicht auf Schreiben oder Besuche von Lehrern und auch nicht auf das Jugendamt, können wir damit einen zweiten Fall Dennis vermeiden.” Für die Zuführung des Kindes sollen die Kreisordnungsbehörden zuständig sein. Das Schulgesetz soll 2006 entsprechend geändert werden — vorausgesetzt, der Landtag in Potsdam stimmt dem zu.
Im Parlament bahnt sich indes Streit an. Der CDU-Innenpolitiker Sven Petke erneuert seine Forderung: “Schulschwänzen muß notfalls mit Hilfe der Polizei verhindert werden.” Die SPD lehnt diese Zwangmaßnahme als völlig überzogen und schädlich ab. Im Landtagswahlkampf 2004 forderte die Union sogar “elektronische Fußfesseln für straffällige Schulschwänzer”.
Nach Ministeriumsangaben schwänzen in Brandenburg zwischen ein und drei Prozent der Kinder und Jugendlichen die Schule. Die meisten davon gehören in die neunte oder zehnte Klasse. Ministeriumssprecher Hainz nennt diese Zahlen “eher gering”.
Landesregierung rechnet mit 450 Schulverweigerern in Brandenburg
(epd, Die Welt) Potsdam — Im zu Ende gehenden Schuljahr sind in Brandenburg nach Angaben der Landesregierung etwa 450 “Schulverweigerer” in speziellen Jugendhilfeeinrichtungen betreut worden. “Solche Jugendliche dürfen nicht ausgegrenzt werden, sondern brauchen einen Weg zurück”, sagte Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) gestern bei einem Besuch in der “Oase” der Potsdamer Hoffbauer-Stiftung. Die Einrichtung ist eines von insgesamt 35 Schulverweigerer-Projekten in Brandenburg. Darunter arbeiten zwei nicht schulbegleitend, sondern mit nahezu internatsmäßiger Struktur wie die “Oase”.
Als “schulmüde” oder “schulverweigernd” gelten in Brandenburg Kinder und Jugendliche, die mindestens 20 Tage pro Schuljahr dem Unterricht fernbleiben. Insgesamt gibt es in dem Bundesland 338 000 Schüler.