Im Raum Rathenow/Premnitz wurden im ersten Halbjahr 2003 mehr als 1200 Naziaufkleber entfernt. Erheblicher Anstieg gegenüber den Vorjahren.
Verärgert reagierte so mancher Rathenower Geschäftsbesitzer oder
Wohnungsinhaber über die vielen Naziaufkleber, die er in den letzten
Monaten an seinen Schaufenstern, Werbeschildern, Briefkästen und
Wohnungsfenstern vorfand. So schilderten es jedenfalls die betroffenen
Bürger in kleineren Gesprächen mit Antifas, während der Entfernung
dieser selbstklebenden Zettel, die in Bildnissen den NS –
Kriegsverbrechers Rudolf Hess, das „Großdeutsche Reich“ und ähnliche NS–Ästhetik verherrlichen.
Allein die Stadt scheint kaum ein Interesse zu haben die Reste der NS–Propaganda von Verkehrsschildern und Straßenlampen zu entfernen.
In manchen Straßenzügen sieht es aus wie nach einer gigantischen
Materialschlacht. Und tatsächlich wurden seit dem 01.Januar 2003
mindestens 1279 Naziaufkleber im Westhavelland (1173 Rathenow, 102
Premnitz, 2 Döberitz, 2 Milow) von Antifaschisten und Polizei entfernt,
wobei der Schwerpunkt mit 1275 in den letzten drei Monaten April, Mai,
Juni lag. Damit wurden in drei Monaten mehr als doppelt soviel
Naziaufkleber entfernt als im gesamten Jahr 2002 (629) – dem bisherigen
Maximum.
Inzwischen kristallisiert sich hinter diesen Zahlen heraus, dass es
besonders zu bestimmten Anlässen zu einem extremalen Anstieg von NS–Propaganda, insbesondere Naziaufklebern, in der Region kommt. Bereits
2002 tauchten über 60% aller Naziaufkleber während der Aktionswochen
zum 15. Todestag von Rudolf Hess auf. Im ersten Halbjahr 2003 waren nun
vor allem der Geburtstag von Rudolf Hess (26.April) und der 8.Mai
Anlässe.
Offensichtlich versucht die Naziszene, und insbesondere die in Rathenow,
durch ihre hohe Aktionsbereitschaft, vermeintliche politische
Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Da die Szene aber wegen ihrer
Gewaltbereitschaft gegen alles und jeden verrufen ist, eine konkret
politisch arbeitende Gruppe öffentlich, bis auf Outings auf Textilien,
nicht in Erscheinung tritt und auch die Rechtschreibung, Grammatik sowie
der gesamte Stil der Aufkleber, Plakate und Flugblätter überhaupt wenig
überzeugend ist, soll hier von keiner zunehmenden Gefahr für die Region
gesprochen werden. Lediglich die Ausdauer, mit der die Naziszenerie hier
seit 2001 bezüglich der Propaganda aktiv ist, ist bemerkenswert, zumal
die Lebensdauer von Propagandamaterial kaum mehr als 24 Stunden beträgt.
Anscheinend verbirgt sich hinter dem Handeln dieser Personen ein fester
Wille bzw. ein starker Irrglaube an eine Art „Umsturz von Rechts“ als
Ausweg aus dem Status Quo der auch in Zukunft deren Aktionismus
vorantreiben wird.
Beobachtet muss deshalb auch die Entwicklung des Einflusses
rechtsextremer Parteien im Raum Rathenow / Premnitz werden. Denn sowohl
von der wiedererwachten NPD, die nach der Einstellung des
Verbotsverfahren mit Aufforderungen zum Boykott von US – Waren im
Kontext der US – Aggression im Irak einmal mehr auf Antiamerikanismus
setzt, als auch von der DVU, die seit dem 19.Januar.2003 über einen
Kreisverband Brandenburg/Havelland verfügt, wurden im Mai und im Juni
2003 erheblich mehr Aufkleber (NPD: 136, DVU: 251) entfernt als in den
Vorjahren.
Antifaschistische Recherchegruppe