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Mehr Vernetzung, weniger Nazis und radikaler Widerstand !

Vor fast zwei Jahren haben sich, nach dem Aufruf der schwedis­chen Aktivistin Gre­ta Thun­berg, weltweit Kli­maschutz-Grup­pen gegrün­det, die zusam­menge­fasst als „Fri­days for Future“ (FFF) bekan­nt wur­den. Allein in Deutsch­land gibt es fast 200 Orts­grup­pen dieser, vor allem von Jugendlichen getra­ge­nen Bewe­gung, die untere­inan­der ver­net­zt sind. 2019 fan­den dazu regelmäßig Demon­stra­tio­nen und Schüler_innenstreiks an Fre­ita­gen statt, an denen teil­weise Zehn­tausende teil­nah­men. Für viele der jun­gen Men­schen war es die erste Erfahrung mit poli­tis­chem Aktivis­mus. Aus den ersten Forderun­gen für einen besseren Kli­maschutz leit­eten sich für einige Aktivist_innen schnell weit­ere ab. Auch in Bran­den­burg ist diese Entwick­lung zu beobachten.
Wir trafen uns Ende Jan­u­ar mit dem Aktivis­ten Eule von der Orts­gruppe in Eber­swalde, um über Fri­days For Future und die Zukun­ft der Bewe­gung zu sprechen. Ergeb­nis ist ein Gespräch über die Diver­sität inner­halb in der Bewe­gung, rechte Mitschü­lerIn­nen und was Kli­maschutz mit Antifa zu tun hat.

Seit wann gibt es Fri­days for future in Eber­swalde? Wie bist du auf die Idee gekom­men dort mitzumachen?
E: Unsere FFF-Gruppe gibt es jet­zt seit Dezem­ber 2018. Im Vor­feld haben wir eine What­sApp-Nachricht bekom­men, dass in Pots­dam ein Streik am 20.12. ist. An einem schul­freien Tag sind wir dor­thin gefahren und haben uns das angeguckt. Das war noch etwas unor­gan­isiert, ohne Mikro­fon und so. Dann haben wir gedacht, wir kön­nen uns ja erst­mal in Pots­dam ein­brin­gen und schauen, wie es da läuft. Kurz darauf stell­ten wir fest, dass in ein­er Stadt wie Eber­swalde mit der Hochschule für nach­haltige Entwick­lung wir das auch hier machen kön­nen und das kam gut an. Wir haben unsere erste Demo organ­isiert und von dort hat es sich weiterentwickelt.
Ich per­sön­lich war schon zuvor in der grü­nen Jugend poli­tisch aktiv und wollte mehr Demoor­gan­i­sa­tion machen und nicht nur partei­in­terne Sachen und bin dann zu FFF gegangen.

Wie seid ihr organ­isiert? Habt ihr regelmäßige Tre­f­fen und wie seid ihr vernetzt?
E: Wie wir organ­isiert sind will ich gar nicht so viel erzählen (lacht). Wir tre­f­fen uns je nach dem wer kann und da wir eine Fusion aus Eber­swalde und Bernau und die Barn­im Gruppe sind, tre­f­fen wir uns mal in Eber­swalde und mal in Bernau, so dass alle zu Ple­na kom­men kön­nen. Die FFF-Bewe­gung ist krass ver­net­zt. Wir haben unsere Basis-Ebene, wo die Orts­grup­pen sind und dann staffelt sich das hoch, dazu wer­den Delegierte gewählt. Dann haben wir eine Bun­de­sebene mit allen Delegierten der Ortsgruppen.

Seid ihr auch mit „Ende Gelände“ vernetzt?
E: Unsere Orts­gruppe hat lei­der dage­gen ges­timmt, dass wir uns mit „Ende Gelände“ sol­i­darisieren, was ich kom­plett ablehne, weil eigentlich müssten ja alle Kli­maschutzbe­we­gun­gen zusam­me­nar­beit­en! Und man müsste soziale Kämpfe miteinan­der verknüpfen. Das wurde hier in der Orts­gruppe nicht von der Mehrheit gese­hen. Aber anson­sten sol­i­darisiert sich die bun­desweite FFF-Bewe­gung und auch FFF-Bran­den­burg mit „Ende Gelände“. Also es gibt schon Aus­tausch und Zusam­me­nar­beit, aber lei­der nicht hier in Eberswalde.

Was sagst du zu dem Demo­spruch „Ob Lausitz oder Roja­va, Kli­maschutz heißt Antifa“?
E: Den Spruch schreie ich selb­st auf Demos, also ich bin da kom­plett dabei! Weil wenn man sich das Wirtschaftssys­tem anschaut, merkt man, dass der Kap­i­tal­is­mus daran schuld ist. Allein 100 Unternehmen sind für 71% des CO2 Ausstoßes ver­ant­wortlich. Mein­er Mei­n­ung nach hat sich FFF eher west­lich priv­i­legiert entwick­elt, was ich als nicht gut empfinde, denn es gibt ja auch Per­so­n­en, die sich mehr durch­box­en müssen und Men­schen, die nicht in wirtschaftlich gut gestell­ten Län­dern leben. Da sind Men­schen mehr betrof­fen, als wir. Und da denk ich schon, dass dieser Spruch echt wichtig ist, auch inner­halb der Bewe­gung. Dass man einen antikap­i­tal­is­tis­chen Kon­sens entwick­elt und soziale Kämpfe miteinan­der verknüpft.

Würdest du auch sagen, dass eure lokale Gruppe hin­ter dem Spruch steht?
E: In unser­er Gruppe ist es eher so, dass es zwei Lager gibt. Nur der kleinere Teil würde hin­ter dem Spruch „Ob Lausitz oder Antifa, Kli­maschutz heißt Antifa“ ste­hen. In Magde­burg gab es jet­zt z.B. eine FFF-Demo gegen rechts, weil da Nazis auf­marschiert sind. Da haben sich viele FFF Grup­pen mit sol­i­darisiert. In unser­er Orts­gruppe wurde dage­gen ges­timmt. Da merkt man den Unter­schied inner­halb der Bewe­gung. Es gibt viele, die eher priv­i­legiert in ihrer Blase leben und nicht sehen, dass es auch Men­schen gibt, die sich keine Bio Pro­duk­te leis­ten kön­nen. Die kleinere Gruppe meint, dass wir soziale Kämpfe und auch Kampf gegen rechts verknüpfen müssen.

“… Kli­maschutz heißt Antifa”: Für Eule aus Eber­swalde eine klare Sache.

Auch wenn Kli­maschutz von vie­len Recht­en niedergemacht oder Kli­mawan­del geleugnet wird, so ist Ökolo­gie nicht per se ein linkes The­ma. Wie set­zt ihr euch mit Neon­azis in dem Bere­ich auseinan­der bzw. wie gren­zt ihr euch von ihnen ab? Wie geht ihr damit um, wenn Neon­azis bei euren Kundge­bun­gen teil­nehmen wollen?
E: In Eber­swalde kam ein­mal ein Neon­azi zu uns auf die Demo, auf den uns lokale Antifas aufmerk­sam macht­en. Es wurde bei uns in der Gruppe ange­sprochen und ich habe gemeint, dass wir uns da posi­tion­ieren müssen. Das wurde wieder abge­tan mit „das ist halt so, dass vor der Demo gesagt wird, dass unser Kon­sens ist, dass wir alle fre­undlich zu einan­der sind und keinen Ras­sis­mus dulden“. Aber auf Insta­gram oder in der Pressemit­teilung von der Orts­gruppe lässt sich nichts Offizielles dazu lesen. Und das ist nicht so geil (lacht). Da ist meine Mei­n­ung auch, dass sich FFF rechtem Gedankengut in der Kli­maschutzbe­we­gung öffnet, weil wenn man sich z.B. die Anas­ta­sia-Bewe­gung anschaut – die zeigen sich als fre­undliche Ökos, die Land­wirtschaft betreiben, aber so eine krasse sex­is­tis­che und anti­semi­tis­che Hal­tung gle­ichzeit­ig haben. Da denke ich schon, dass wir als Jugendliche andere Jugendliche aufk­lären müssten. Das kann auch sehr schnell passieren, dass Men­schen, die vielle­icht in der Kli­maschutzbe­we­gung aktiv sind, dann in einen eso­ter­ischen Bere­ich kom­men. Ich finde z.B. „Extinc­tion Rebel­lion“ auch echt kri­tisch mit deren anti­semi­tis­chen Tendenzen.

Wer hat euch denn bei euren Demos im ver­gan­genen Jahr unterstützt?
E: Hier war das so, dass wir rel­a­tiv durch­mis­cht ges­tartet haben. Ein paar Men­schen hat­ten schon Erfahrun­gen durch Demos, bei denen sie mit­ge­laufen sind und wussten teil­weise wie das abläuft. Dann haben wir auch Sup­port von der Green­peace Orts­gruppe bekom­men. Die waren am Anfang ein echt großer Pfeil­er. Die haben uns z.B. mit der Organ­i­sa­tion und einem Mega­fon geholfen. Sie stellen auch immer noch Ordner_innen für uns. Anson­sten haben wir alles von allein gemacht, also Demoan­mel­dung, da gibt es in Bran­den­burg ein ein­fach­es Online-For­mu­lar, das hat jemand von uns aus­ge­füllt. Es kam auch Sup­port von Studieren­den und erfahre­nen Aktivist_innen. Von den Eltern jet­zt nicht so, die haben eine „par­ents for future“-Gruppe, ich bin auch in der What­sapp-Gruppe drin. Die schick­en sich gegen­seit­ig Artikel oder kom­men manch­mal zu Ple­na und ner­ven eher, als dass sie helfen. Schön, dass sie sich sol­i­darisch zeigen, aber brin­gen nicht so viel.

Sich­er kamen mal Organ­i­sa­tio­nen, Parteien, Grup­pen oder Einzelper­so­n­en zu euch. Gab es auch mal den Moment, wo ihr euch von ein­er Gruppe dis­tanzieren wolltet?
E: Ich glaube eher nicht. Also zu „Solifra­gen“ gab es Stre­it­igkeit­en, aber dass uns eine Gruppe angeschrieben hätte, eher nicht. Außer die SPD und die Grü­nen fra­gen uns manch­mal, ob wir Lust haben zu ihnen zu kom­men und zu reden, da haben wir keine Lust drauf und iden­ti­fizieren uns nicht damit. Die SPD baut mit der Kohle in Bran­den­burg ja nur Kacke, da wollen wir uns nicht instru­men­tal­isieren lassen.

Wie geht es weit­er? Wollt ihr radikalere Pro­jek­te und Poli­tik machen, z.B. bei Beset­zun­gen mit­machen? Bleibt es bei monatlichen Protesten oder geht ihr jet­zt alle zu den Grünen?
E: (lacht) Ich hoffe nicht! Für mich kann ich sagen, dass ich da ganz kri­tisch und stache­lig in der Orts­gruppe bleiben werde und hoffe, dass wir uns zum großen Teil noch radikalisieren, weil es ein­fach nötig ist. Wenn man sich anschaut, wie die Gesellschaft ein­fach ver­ro­ht und mehr und mehr rechts wird, denke ich schon, dass es wichtig ist, dass wir uns radikalisieren und z.B. Haus­pro­jek­te oder linke Pro­jek­te in Eber­swalde unter­stützen. Es ist wichtig, dass wir uns alle ver­net­zen und radikaleren Wider­stand zeigen gegen Kli­masün­der und Nazis und Kap­i­tal­is­ten, die uns die Zukun­ft weg­nehmen. Da hoffe ich, dass da etwas passiert. Das ist so mein Traum für meine Orts­gruppe, aber auch für die Bewe­gung, dass sich ein antikap­i­tal­is­tis­ch­er Kon­sens entwickelt.

Inwiefern meinst du hat FFF deine Mitschüler_innen poli­tisiert? Wie würdest du das Aus­maß dieser Poli­tisierung beschreiben?
E: Ich glaube schon, dass wir einiges an Aufmerk­samkeit durch die Medi­en bekom­men und sich dadurch Men­schen mit dem The­ma Kli­maschutz und Klim­agerechtigkeit auseinan­derge­set­zt haben. Mein Fre­un­deskreis ist krass poli­tisch, da kann ich keine weit­ere Poli­tisierung fest­stellen, denn wir sind schon alle poli­tisch. Aber im Jahrgang merke ich schon, dass sich ein paar Men­schen mehr Gedanken machen. Man sieht schon, dass sich viele aus der 7., 8. und 9. Klasse auch engagieren und auf den Demos mit­machen. Ich bin in der 11., also schon ein alter Hase (lacht).

Gibt es auch feindlich gesin­nte Mitschüler_innen? Merkt man an der Schule z.B. dass Stick­er abgekratzt wer­den oder so? Gibt es Anti-Kli­maschutz Posi­tio­nen oder auch Rechte?
E: Die gibt es. Und zwar viele. Einige, die Simse (Motor­roller aus DDR-Pro­duk­tion. Anm. Redak­tion) fahren und dann rumpö­beln und Lärm machen. Die müssen dann ihre Männlichkeit zeigen. Auf Kli­maschutz-Stick­er wird „AFA box­en“ drauf geschrieben oder uns wird „Zeck­en“ hin­ter­hergerufen und wir wer­den belei­digt. Man merkt, dass viele Mitschüler_innen dage­gen sind. Die denken, dass man da sowieso nichts dran ändern kann und Gre­ta „ist sowieso dumm, weil sie Autismus hat“, was super respek­t­los ist. Vieles kommt wahrschein­lich durch die Eltern. In der Schule habe ich let­ztens einen AfD Stick­er mit „I love Diesel“ abgekratzt. Wir sind eigentlich eine „Schule gegen Ras­sis­mus“, aber die sind trotz­dem da.

Abschließend, was wün­schst du dir für die poli­tis­che Land­schaft in Bran­den­burg die näch­sten paar Jahre?
E: Ich hoffe, dass die Leute endlich aufwachen und nicht mehr AfD wählen, sich in Grup­pen organ­isieren, nicht unbe­d­ingt in Parteien, aber in selb­st­ständig agieren­den Grup­pen. Ich wün­sche mir, dass Bran­den­burg weltof­fen­er wird, dass der Sex­is­mus und die tox­is­che Männlichkeit ein­fach ver­schwindet und der Ras­sis­mus, und dass die Nazis sich endlich ver­pis­sen oder wenig­stens Angst kriegen und in ihre Höhlen zurück kriechen!


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