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Menschen hinter Masken aus Gewalt”

Frau Ten­ner, für Ihren Doku­men­tarfilm “No Exit” haben Sie zwölf Monate lang Neon­azis in Frank­furt (Oder) begleit­et. Warum?

Der dama­lige ORB inter­essierte sich für die Frage, wie sich die Neon­azis nach der Ver­botswelle Mitte der 90er-Jahre organ­isieren. Und mein Schw­er­punkt als Fernse­hjour­nal­istin war schon vorher der Recht­sex­trem­is­mus gewesen. 

Warum ger­ade Frank­furt (Oder)?

Ich habe dort die Lehre gemacht, am The­ater gear­beit­et. Ich wollte für den schwieri­gen Dreh eine Umge­bung, die ich kenne. Es ist nur ein Beispiel für eine Entwick­lung, die im Osten im Stillen abläuft, weil die Gesellschaft nur
reagiert, wenn Neon­azis Gewalt­tat­en verüben. 

Was meinen Sie mit “im Stillen”?

Die Neon­azis wollen nicht mehr als dumpfe Schläger­typen wahrgenom­men wer­den. Sie sam­meln Unter­schriften gegen Kinder­schän­der, sin­gen im Alter­sheim. Dafür ern­ten sie Anerken­nung. Ganz bewusst wirken sie über ihre Szene hinaus. 

Es ist nicht leicht, in die Szene vorzu­drin­gen. Wie ist es Ihnen gelungen?

Ich bin in die Woh­nung des NPD-Mannes und Lie­der­ma­ch­ers Jörg Häh­nel gegan­gen. Dort lebte Nico, selb­st ein rechter Lie­der­ma­ch­er und Chef der Freien Kam­er­ad­schaft. Da trafen sich die Neonazis. 

Wie lange dauerte es, bis Sie drehen durften?

Sechs Monate, vorher haben wir nur gere­det. Nico wollte den Film zur Pro­fil­ierung nutzen, als rechter Lie­der­ma­ch­er-Super­star. Bei seinen Pro­pa­gan­dare­den machte ich die Kam­era aus. Mir ging es um die per­sön­liche Ebene, die hin­ter dem poli­tis­chen Sendungswillen steckt. 

Was haben Sie über die Motive dieser jun­gen Leute erfahren?

Die Kam­er­ad­schaften sind für sie Fam­i­liener­satz, dort suchen sie Sol­i­dar­ität. Ger­ade an der Oder gibt es ein großes Poten­zial für die Szene. Es gibt so etwas wie eine ver­lorene Gen­er­a­tion ohne Jobs. Die Gesellschaft
nimmt sie nicht wahr — erst wenn sie als Neon­azis auftreten. 

Hat­ten Sie Angst vor diesem gewalt­bere­it­en Männerbund?

Nein, sie haben gemerkt, dass wir nicht auf ihrer Seite ste­hen, aber zuhören. Sie kön­nen untere­inan­der nicht über ihre Gefüh­le reden. Erst als sie den Film gese­hen haben, erfuhren sie Dinge voneinan­der, die sie vorher
nicht wussten. 

Fürcht­en Sie den Vor­wurf, ein zu ver­ständ­nisvolles Bild von Neon­azis zu zeichnen?

Ja. Der Film kann auch für den so genan­nten Feind Mit­ge­fühl aus­lösen, weil ich es nicht bei Mon­ster-Klis­chees belassen wollte, son­dern die Men­schen hin­ter den Masken aus Gewalt, Pro­pa­gan­da und Grup­pen­dy­namik zeigen wollte. 

Das Gespräch führte J.Blankennagel.

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