(LR) Erna Etis und Christoph Schroth sind am Samstag mit den diesjährigen
Ehrenmedaillen der Stadt Cottbus ausgezeichnet worden. Oberbürgermeisterin
Karin Rätzel nahm die Verleihung im Schloss Branitz vor. Die Geehrten trugen
sich anschließend in das Goldene Buch der Stadt ein.
«Erna Etis war mit ihrem Einsatz für die verfolgten Cottbuser Juden eine der
stillen Heldinnen des Widerstandes gegen die Nationalsozialisten, über die
viele Jahre nicht gesprochen wurde» , sagte Karin Rätzel in ihrer Würdigung.
«Ihr Wirken zeigt, dass der Einzelne auch in jener Zeit nicht machtlos war,
wie das häufig behauptet wird.»
Die junge Frau unterstützte seit 1938 jüdische Familien in der Mühlenstraße,
trank mit ihnen Kaffee und half mit diesen Kontakten, sie aus der von den
Nazis verfügten Isolation zu holen. Erna Etis beschaffte Lebensmittel, ging
mit der Familie Morgenstein und anderen Verfolgten trotz Verbots spazieren,
begleitete sie in Parks und andere öffentliche Orte, obwohl sie deshalb
persönlich zunehmend durch die NSDAP unter Druck gesetzt wurde. Nach der
Deportation der meisten bis dahin noch in Cottbus lebenden Juden in
Konzentrationslager und Ghettos packte sie Lebensmittelpäckchen, die über
die Morgensteins den Deportierten zugingen.
Es gelang Erna Etis, unterstützt durch Verwandte und Freunde, die
Morgensteins vor der Verschleppung zu warnen und ihnen einen Unterschlupf in
Drewitz zu beschaffen. Dort versteckte sie der Bürgermeister, ein früherer
Kunde und Bekannter der Familie bis zum Kriegsende. Die Rentnerin hat noch
immer Kontakt mit den Söhnen der Familie, die in den USA und Kanada wohnen.
1961 lernte sie Bernhard Etis kennen, ihren späteren Mann. Er ist der letzte
Überlebende der alten jüdischen Gemeinde der Stadt. Die Lebensgeschichte von
Erna Etis wurde in dem Film «Die Frau des letzten Juden» festgehalten.
«Es wird immer nötig sein, bedrängten Menschen zu helfen und nicht
wegzusehen, das sagt mir mein Herz» , sagte Erna Etis nach der Verleihung
der Ehrenmedaille. «Dabei ist es egal, welche Hautfarbe ein in Not geratener
hat und woher er kommt. Mir macht es große Angst, dass sich durch die
schlechtere soziale Lage wieder Gruppen wie in meiner Jugend bilden» , sagte
sie. «Alle Eltern müssen ihren Kinder klarmachen, was Verfolgung und Krieg
bedeuten, damit nicht noch einmal so viele Menschen sterben müssen oder ihre
Heimat verlieren.»
Die zweite diesjährige Ehrenmedaille ging an den langjährigen Intendanten
des Staatstheaters, Christoph Schroth. «Er hat der Bühne Leben und Inhalt
gegeben, sie für die Bürger attraktiv gemacht» , schätzte die
Oberbürgermeisterin ein. «In der Zonenrand ermutigung und vielen Stücke
wurden wir mit Träumen und Utopien konfrontiert. Wir erlebten
zeitgenössisches Theater, das sich als Seismograph für gesellschaftliche
Entwicklungen und Erschütterungen verstand. Die Zuschauer konnten spüren,
dass sie vom Theater nicht allein gelassen wurden. Provinziell war die Bühne
unter Christoph Schroth nie.»
Der langjährige Intendant verwies in seiner Dankrede für die Ehrung auf die
Cottbuser Bühnentradition und den Kunstsinn der Bürger. «Cottbus und die
Region befinden sich in einem guten kulturellen Zustand, das muss so
bleiben» , sagte Christoph Schroth. «Wenn das Theater spielt, lebt die
Stadt.»
Vorbilder ernst nehmen
Cottbus kann in diesen Tagen mit voller Berechtigung stolz sein auf einige
herausragende Bürger, die in den Mauern dieser Stadt leben.
Da sind die beiden, die am Wochenende mit den Ehrenmedaillen ausgezeichnet
wurden: Erna Etis, lebendes Beispiel für Respekt einflößenden Mut hier in
Cottbus in der dunkelsten Epoche der deutschen Geschichte. Christoph
Schroth, ein Theatermann von ganzem Herzen, der warnend Gesicht zeigte, wenn
sich in Cottbus Kräfte der Intoleranz regten — zum Beispiel gegen Ausländer.
In der vergangenen Woche wurde Alfred Ullmann geehrt — auch er ein Vorbild
für Menschlichkeit und Einsatz für die Schwächeren.
Die Stadt kann stolz sein. Aber am 13. Dezember muss sie aktuell beweisen,
ob die Tradition der Zivilcourage und Toleranz noch lebendig ist. Wenn
Deutschlands Ultra-Rechte hierher kommen, um durch Cottbus zu marschieren,
muss die Stadt ein Zeichen gegen Rechts setzen, das weithin klar zu erkennen
ist. Wenn die Cottbuser Demokraten am 13. Dezember so schwächeln wie bei der
Beteiligung an der zurückliegenden Kommunalwahl, dann ist die Schande kaum
noch zu überbieten. Cottbus hat Gelegenheit, sich der Tugenden seiner
Geehrten würdig zu erweisen.